Nachfolgend ein Beitrag vom 21.3.2017 von Roy, jurisPR-BKR 3/2017 Anm. 4

Orientierungssatz zur Anmerkung

Die Feststellung des Jahresabschlusses entspricht für dort ausgewiesene Forderungen gegen den geschäftsführenden Alleingesellschafter einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis. Eine hiergegen erklärte Aufrechnung im Rahmen der den Jahresabschluss feststellenden Gesellschafterversammlung setzt für ihre Wirksamkeit das Bestehen einer Aufrechnungslage voraus, selbst wenn die Gegenforderung ebenfalls im Jahresabschluss ausgewiesen ist.

A. Problemstellung

Das rechtskräftige Urteil des LG Landshut befasst sich mit den Wirksamkeitsanforderungen einer Aufrechnung von im Jahresabschluss ausgewiesenen Forderungen und Verbindlichkeiten eines geschäftsführenden Alleingesellschafters. Die Besonderheit im vorliegenden Fall lag insbesondere darin, dass die Aufrechnungserklärung selbst in der den Jahresabschluss feststellenden Gesellschafterversammlung abgegeben wurde. Im nachfolgenden Geschäftsjahr wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der klagende Insolvenzverwalter machte einen im festgestellten Jahresabschluss ausgewiesenen Darlehensrückzahlungsanspruch gegen den Beklagten – den Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Insolvenzschuldnerin – geltend. Dieser wähnte sich in trügerischer Sicherheit und verwies auf eine Aufrechnung, die er im Rahmen der diesen Jahresabschluss feststellenden Gesellschafterversammlung erklärt hatte. Die „Gegenforderungen“, mit denen er aufgerechnet haben wollte, waren zum einen das im selben Jahresabschluss ausgewiesene Betriebsergebnis, zum anderen eine im Jahresabschluss ausgewiesene Verbindlichkeit zu seinen Gunsten und zu guter Letzt ausstehende Gehaltsansprüche.
Das angerufene LG Landshut hat der Klage des Insolvenzverwalters in vollem Umfang stattgegeben. Den Darlehensanspruch sah es durch die – zwischen den Parteien unstreitige – Feststellung des Jahresabschlusses unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 02.03.2009 – II ZR 264/07) – wonach die Feststellung des Jahresabschlusses einem deklaratorischen Anerkenntnis entspricht – als erwiesen an.
Der Beklagte konnte das Landgericht hingegen nicht davon überzeugen, dass dieser Anspruch durch Aufrechnung erloschen war. Zweifel seitens des Landgerichts bestanden schon an der vorgelegten Niederschrift der maßgeblichen Gesellschafterversammlung, da der Beklagte zuvor gegenüber dem Kläger ausgeführt hatte, dass die gegen ihn ausgewiesene Darlehensrückzahlungsforderung im Folgejahr wegen Wertlosigkeit – und nicht, wie im Prozess behauptet, wegen der erklärten Aufrechnung – ausgebucht worden sei, weil er – sprich, der Beklagte – ALG II bezogen habe. Zudem wies die Bilanz des Folgejahres weiterhin Forderungen des Beklagten gegen die Gesellschaft aus. Hingegen wurden die Gehaltsansprüche des Beklagten weder im entscheidenden Jahresabschluss noch im Jahresabschluss für das Folgejahr ausgewiesen. Das Landgericht schloss daraus, dass der Vortrag des Beklagten nicht mit den vorgelegten Jahresabschlüssen in Einklang zu bringen sei und damit die Voraussetzungen für eine wirksame Aufrechnung nicht nachgewiesen seien.
Vorsorglich wies das Landgericht zusätzlich darauf hin, dass selbst dann, wenn sich diese Zweifel nicht ergeben hätten, eine Aufrechnung nicht nachgewiesen sei. Denn der im Jahresabschluss ausgewiesene Gewinn der Insolvenzschuldnerin stelle eine Rechengröße dar und keine Forderung des alleinigen Gesellschafters. Weiterhin führte es aus, dass die Fälligkeit der Forderung zugunsten des Beklagten nicht nachgewiesen sei. Bezüglich der Lohn- und Gehaltsansprüche fehle es schon an substantiiertem Vortrag, da nach dem vorgelegten Geschäftsführervertrag kein monatliches Gehalt zu zahlen gewesen sei. Damit habe sich das Landgericht nicht mehr mit der vom Insolvenzverwalter vorsorglich ins Feld geführten insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit der Aufrechnung auseinanderzusetzen gehabt.

C. Kontext der Entscheidung

Die besprochene Entscheidung ist im Zusammenhang mit den Entscheidungen des BGH zu den Wirkungen der Feststellung des Jahresabschlusses zu sehen (vgl. für Kapitalgesellschaften u.a. BGH, Urt. v. 02.03.2009 – II ZR 264/07 m. Anm. König, jurisPR-HaGesR 9/2009 Anm. 4; für Personengesellschaften BGH, Urt. v. 29.03.1996 – II ZR 263/94). Durch die Feststellung des Jahresabschlusses wird der Jahresabschluss im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft und auch untereinander verbindlich. Der BGH kommt daher zu dem Schluss, dass typischer Inhalt einer solchen korporativen Abrede auch der Ausschluss bekannter oder mindestens für möglich gehaltener Einwendungen gegenüber bilanzierten Gesellschafterverbindlichkeiten im Sinne eines deklaratorischen Anerkenntnisses ist.
Die Überlegung des Beklagten, die Feststellung des Jahresabschlusses mit einer Aufrechnungserklärung gegen die Ansprüche zu versehen, war zunächst sicherlich gut, aber vorliegend nicht bis zu Ende gedacht. Gut insofern, als dass die im Bestreitensfalle vorzulegende Urkunde – in der Konstellation eines Alleingesellschafters empfiehlt sich eine solche (§ 48 Abs. 3 GmbHG; BGH, Urt. v. 27.03.1995 – II ZR 140/93; OLG Hamm, Urt. v. 01.02.2006 – 8 U 46/05) – sowohl den Feststellungsbeschluss als auch die Aufrechnungserklärung beinhaltet. Und nicht bis zu Ende gedacht deswegen, weil für eine Aufrechnung nicht nur das Vorliegen einer entsprechenden Erklärung als solche Voraussetzung ist, sondern auch die Existenz und Fälligkeit der Gegenansprüche. Bei Letzteren scheiterte es vorliegend schon nach der Überzeugung des Landgerichts aufgrund zahlreicher Unstimmigkeiten in tatsächlicher Hinsicht.
Die Erkenntnis, dass ein Jahresüberschuss nicht zugleich dem Gewinnausschüttungsanspruch des einzelnen Gesellschafters entspricht, scheint mit Blick auf den Beklagten noch nicht in das Wissen aller Gesellschafter übergegangen zu sein. Das Landgericht bezeichnet hier den Jahresüberschuss plakativ als „Rechengröße“.
Die vom Landgericht gewählte Formulierung zielt wohl darauf ab, dass bei Vorliegen von wertaufhellenden Umständen die Forderung gegen den Beklagten bereits im maßgeblichen Jahresabschluss hätte wertberichtigt werden müssen, so dass damit auch kein Jahresüberschuss gegeben gewesen wäre (BFH, Urt. v. 27.04.1965 – I 324/62 S). Doch mit Wegfall der Forderung hätte zugleich eine Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit vorgelegen, bei der dann die vom Insolvenzverwalter ins Feld geführte insolvenzrechtliche Anfechtung gegriffen hätte. Ebenso wären vorliegend auch noch die Sonderregeln im Rahmen der Bilanzierung für Unternehmergesellschaften zu berücksichtigen gewesen, wonach eine gesetzliche Rücklage gebildet werden muss, in die ein Viertel des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses einzustellen ist (§ 5a Abs. 3 GmbHG). Deren Nichtbeachtung hätte sogar die hier maßgebliche Feststellung des Jahresabschlusses gefährden können, wäre sie nicht zwischen den Parteien unstreitig gewesen (Fastrich in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 5a Rn. 26; Hüffler/Koch, AktG, 12. Aufl., § 241 Rn. 32; Schäffer in: MünchKomm AktG,4. Aufl. 2016, § 249 Rn. 8; in der Regierungsbegründung BR-Drs. 354/07, S. 72 wird ausdrücklich bei einem Verstoß gegen § 5a Abs. 3 GmbHG eine analoge Anwendung von § 253 AktG genannt). Vor diesem Hintergrund hätte eine wohlwollende Auslegung mit dem Ergebnis, dass in der vorgelegten Niederschrift der Gesellschafterversammlung ein Ergebnisverwendungsbeschluss gefasst wurde, nicht weitergeführt. Ein entsprechender Beschluss ist neben dem Vorliegen eines ausschüttbaren Betrages Voraussetzung für einen Anspruch des Gesellschafters auf Ausschüttung, gemindert um die abzuführende Kapitalertragsteuer und den Solidaritätszuschlag (§§ 43 ff. EStG).
Die Ausführungen zur Aufrechnung der bilanzierten Gegenforderungen vermögen auf den ersten Blick nicht ganz zu überzeugen. Denn die Forderung des Beklagten war auf dem Konto 00731 („Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern mit einer Restlaufzeit bis 1 Jahr“) verbucht und konkludent mit der Aufrechnung könnte auch eine sofortige Fälligstellung der Forderung impliziert gewesen sein. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass die Aufrechnung vorliegend ohnehin unter dem Gesichtspunkt der insolvenzrechtlichen Anfechtbarkeit gescheitert wäre. Der wertaufhellende Umstand lag zum Zeitpunkt der Aufrechnung bereits vor, so dass zu diesem Zeitpunkt die Gesellschaft – da die Forderung gegen den Gesellschafter der maßgebliche Vermögensgegenstand war – zahlungsunfähig und überschuldet war. Die Aufrechnung hätte dann zu einer Befriedigung geführt, die der Beklagte – vor dem Hintergrund der sofortigen Fälligstellung – nicht zu diesem Zeitpunkt hätte beanspruchen dürfen. Damit wäre aber die Aufrechnungslage durch eine anfechtbare Rechtshandlung herbeigeführt worden, so dass eine Anfechtbarkeit gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO i.V.m. § 133 InsO gegeben gewesen wäre.
Viel Ärger hätte sich der Beklagte auch dadurch erspart, wenn er bei seiner Gesellschaft kein Darlehen aufgenommen, sondern – wie im Prozess behauptet – sich stattdessen das Geld als Geschäftsführergehalt mit entsprechenden steuerlichen Abzügen ausgezahlt hätte. Für Letzteres wäre es allerdings erforderlich gewesen, einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss zu fassen, der insbesondere auch die Höhe der Vergütung geregelt hätte. Vorliegend hätte man selbst bei wohlwollender Auslegung einen solchen Beschluss nicht in der vorgelegten Niederschrift der Gesellschafterversammlung sehen können, da die Höhe des entsprechenden Anspruches nicht hinreichend erkennbar war. Hierbei wäre auch noch zu berücksichtigen, dass es auch noch einer grundsätzlich formfreien Vertragsänderung zwischen der Gesellschaft und dem Beklagten bedurft hätte. Ebenso tritt der Umstand hinzu, dass – aufgrund des steuerlichen Rückwirkungs- und Nachzahlungsverbotes – ein solcher, die Vergangenheit regelnder Gehaltsbeschluss zum Preis einer verdeckten Gewinnausschüttung erfolgt wäre (BFH Urt. v. 23.02.2005 – I R 70/04).
Im Ergebnis überzeugt die Entscheidung des LG Landshut. Vor dem Hintergrund der tatsächlichen Gegebenheiten war es auch aus Sicht des Landgerichts naheliegend, nicht sämtliche rechtlichen Aspekte bis zum Ende auszuleuchten.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung zeigt deutlich auf, dass die zahlreichen, im Zusammenhang mit einem Jahresabschluss bestehenden – oftmals in der Praxis als lästig empfundenen – Pflichten mit größter Umsicht zu erfüllen sind. Dies gilt nicht zuletzt in der Krise eines Unternehmens, denn beispielsweise ermöglicht § 258 HGB durchaus auch einen Beweis durch die Handelsbücher, soweit das Gericht im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu der Überzeugung kommt, dass diese als Beweis für die Schlüssigkeit der Klage oder die Erheblichkeit der Einwendungen geeignet sind (OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.10.2012 – I-5 U 43/12 Rn. 43). Gerade in der Bankpraxis sollte daher bei sich anbahnenden Streitigkeiten mit kreditnehmenden Unternehmen und der Abschätzung von etwaigen Beweis- bzw. Prozessrisiken ein besonders kritischer Blick den turnusgemäß einzureichenden Jahresabschlüssen des Kreditnehmers gewidmet werden.