Nachfolgend ein Beitrag vom 6.6.2017 von Schießl, jurisPR-SteuerR 23/2017 Anm. 1
Leitsätze
1. Ob der Ankauf und Verkauf von Gold als Gewerbebetrieb anzusehen ist, muss anhand der Besonderheiten von Goldgeschäften beurteilt werden. Ein kurzfristiger und häufiger Umschlag des Goldbestands sowie der Einsatz von Fremdkapital können Indizien für eine gewerbliche Tätigkeit sein. Die Grundsätze des Wertpapierhandels sind auf den Handel mit physischem Gold nicht übertragbar.
2. Goldbarren sind keine Wertpapieren vergleichbare nicht verbriefte Forderungen oder Rechte i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 4 Var. 3 EStG.
A. Problemstellung
Das sog. „Goldfinger-Modell“ beruht vereinfacht dargestellt auf der Gestaltung, dass die Personengesellschaften durch den An- und Verkauf physischen Goldes eine gewerbliche Tätigkeit ausüben, sie ihren Gewinn durch eine Einnahmen-Überschussrechnung ermitteln dürfen und sie dabei die Anschaffungskosten für das als Umlaufvermögen zu qualifizierende Gold sofort als Betriebsausgaben geltend machen können. Bei der im Besprechungsfall gegebenen auslandsbezogenen Gestaltung – es geht um eine ausländische Personengesellschaft – ging es um die Frage, ob damit typischerweise eine endgültigen Reduzierung der Einkommensteuerbelastung erreicht werden kann. Dies ist eine Folge des durch die ausländischen Verluste ggf. bis auf Null reduzierten Steuersatzes (sog. negativer Progressionsvorbehalt), dem durch den Verkauf des Goldes in einem späteren Jahr regelmäßig keine oder nur eine geringe Steuersatzsteigerung gegenübersteht.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin ist eine Gesellschaft in der Rechtsform einer General Partnership (GP). Sie wurde mit Gesellschaftsvertrag (GesV) vom 20.12.2007 nach englischem Recht gegründet. Gesellschafter der Klägerin sind die in A (Inland) wohnenden Beigeladenen zu 1) und 2). Der Beigeladene zu 1) ist mit 80%, die Beigeladene zu 2) mit 20% an der Klägerin beteiligt. Beide Gesellschafter sind einzeln zur Geschäftsführung befugt. Die Gesellschaft wurde mit Wirkung ab dem 14.12.2007 auf unbestimmte Zeit begründet. Die Klägerin hat seit ihrer Gründung ihren Sitz in London. Geschäftszweck der Klägerin ist der Kauf, der Verkauf, der Handel oder anderweitige Geschäfte mit Edelmetallen einschließlich Kauf und Verkauf von Optionen oder sonstigen Derivaten zum Zwecke der Verringerung von Verlustrisiken oder zur Hebung von Renditechancen. Außerdem darf die Klägerin auch Handels- oder Beratungsdienstleistungen gegenüber Dritten erbringen.
Mit Vertrag vom 17.12.2007 mietete der Beigeladene zu 1) als geschäftsführender Gesellschafter der Klägerin ein Büro in London an. Der Mietvertrag war zunächst bis zum 31.01.2008 befristet und wurde zweimal um jeweils einen Monat verlängert. Ende März 2008 endete das Mietverhältnis. Das Büro war u.a. mit einem Computer, Internetanschluss, einem Faxgerät und einem Telefon ausgestattet. Die Klägerin erhielt eine eigene E-Mail-Adresse. In Briefen erschienen Name und Anschrift der Klägerin im Briefkopf. Am 10.03.2008 mietete die Klägerin in London eine Wohnung an, die als neue Geschäftsadresse und als Büro mit Wirkung zum 15.03.2008 diente. Das Mietverhältnis war für zwölf Monate vereinbart. Das Büro war u.a. mit einem eigenen Faxgerät und einem Computer ausgestattet.
Für den Handel mit Edelmetallen – insbesondere Gold – eröffnete die Klägerin bei der X-Bank zwei Konten. Unter dem Konto mit der Unternummer 8 wurden Euro- und US-Dollar-Beträge erfasst und unter dem Unterkonto 9 Goldbestände. Weiter nahm die Klägerin am 21.12.2007 bei der X-Bank einen Kontokorrentkredit i.H.v. … Mio. Euro auf. Am selben Tag erwarb sie … Unzen Gold (Preis pro Unze Gold: 559,06 Euro) und nahm hierfür einen Kontokorrentkredit i.H.v. … Euro in Anspruch. Das Gold wurde in den Räumlichkeiten der X-Bank verwahrt. Die zunächst in Sammelverwahrung befindlichen Goldbarren wurden etwa zwei Tage nach dem Zeitpunkt des Kaufs räumlich separiert und in gesonderten Tresoren für „allokiertes“ Gold verwahrt. Weiter wurden sie in einer Barrenliste vermerkt und ihr Wert unter Angabe der Werteinheit (Unzen) auf dem „allocated Goldkonto“ der Klägerin gutgeschrieben. In der Barrenliste waren die Barrennummern, das Gesamtgewicht und die Feinheit der einzelnen Goldbarren jeweils vermerkt. Die Goldbarren wurden in den Tresoren getrennt von anderen Goldbeständen aufbewahrt.
Am 11.03.2008 erwarb die Klägerin gebrauchte Lebensversicherungspolicen im Wert von 61.463,82 GBP (Britische Pfund).
Das im Dezember 2007 erworbene Gold veräußerte die Klägerin in zwei Tranchen am 07.01.2008 und am 02.04.2008 vollständig. Anschließend erwarb sie neue Goldbarren und veräußerte diese wieder. Diesen Vorgang wiederholte sie fortlaufend in den Jahren 2008 bis 2010. Das ab 2008 gekaufte Gold wurde in gleicher Weise behandelt wie das im Dezember 2007 erworbene Gold. Die Goldbarren wurden immer aus der Sammelverwahrung entnommen und in den dafür vorgesehenen Räumlichkeiten der X-Bank separat verwahrt sowie in Barrenlisten vermerkt.
Neben den Goldgeschäften legte die Klägerin im Jahr 2008 Festgeld an, kaufte und verkaufte Liquidity Funds (Wertpapiere) über die Bank. Die Klägerin ließ sich von der … Trading Partners beraten und zahlte hierfür Beratungsgebühren für die Zeit von Dezember 2007 bis März 2008 i.H.v. 11.500 GBP. Die Beratungsleistungen hatte S erbracht. Die Rechnung der … Trading Partners datiert vom 15.12.2008. Ende 2008 ließ die Klägerin ein Konto bei der Y-Bank eröffnen, über das sie neben dem bestehenden Konto bei der X-Bank Gold kaufte und verkaufte.
Die Beigeladenen erklärten für die Jahre 2007 bis 2010 in Großbritannien Einkünfte aus Gewerbebetrieb und zahlten in Großbritannien Steuern auf die erklärten Gewinne, die aus der Geschäftstätigkeit der Klägerin erzielt wurden. Dabei ermittelten die Beigeladenen den Gewinn den Feststellungen des Finanzgerichts zufolge auf der Grundlage von Einnahmen und Ausgaben.
In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für 2007 erklärte die Klägerin einen Verlust aus Gewerbebetrieb i.H.v. … Euro und rechnete diesen dem Beigeladenen zu 1) i.H.v. … Euro und der Beigeladenen zu 2) i.H.v. … Euro zu. Der Verlust ergab sich daraus, dass den Einnahmen aus Kursgewinnen i.H.v. 2.660,97 Euro Ausgaben i.H.v. insgesamt … Euro gegenüberstanden. Mit Bescheid vom 26.02.2009 stellte das Finanzamt für 2007 nach Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) steuerfreie/laufende – dem Progressionsvorbehalt unterliegende – Einkünfte i.H.v. insgesamt ./. 27.765 Euro fest (Feststellungsbescheid). Das Finanzamt ließ die Ausgaben für das im Jahr 2007 erworbene Gold i.H.v. … Euro nicht sofort zum Abzug zu. In den Erläuterungen zum Bescheid heißt es, die Klägerin habe ihren Gewinn nicht nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln dürfen, weil sie in Großbritannien verpflichtet gewesen sei, eine Gewinnermittlung nach bilanzrechtlichen Vorschriften vorzunehmen.
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Sie legte dem Finanzamt ein in Englisch verfasstes Schreiben der in London ansässigen Anwaltskanzlei B v. 03.04.2009 vor. Danach sei eine GP in Großbritannien nicht verpflichtet, Bücher zu führen oder Abschlüsse zu erstellen. Der Gewinn oder der Verlust sei „on a cash basis“ zu ermitteln.
Im Rahmen einer Außenprüfung stellte der Prüfer insbesondere fest, die Klägerin habe alle Geschäfte mit der X-Bank und der Y-Bank in London abgewickelt. Gegenüber dritten Personen sei sie nicht tätig geworden. Sie habe weder ein nach außen erkennbares Geschäftslokal noch eine Website im Internet gehabt. Sie sei in keinem Branchenverzeichnis erfasst gewesen. Da sich die Klägerin weder als Goldmaklerin im Großhandel auf dem professionellen Goldmarkt noch als Goldhändlerin im engeren Sinne im Einzelhandel (Verkauf von Goldmünzen und kleinen Goldbarren) betätigt habe, sei sie nicht als Gewerbetreibende anzusehen. Dies folge aus der Abgrenzung zwischen privater Vermögensverwaltung und Gewerbebetrieb. Dabei seien die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Wertpapierhandel anzuwenden, weil Wertpapierhandel und Goldhandel miteinander vergleichbar seien. Die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit der Klägerin spreche dafür, dass private Vermögensverwaltung vorgelegen habe.
Mit Bescheid vom 30.03.2011 hob das Finanzamt den Feststellungsbescheid für 2007 vom 26.02.2009 sowie den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Zur Begründung verwies es auf die Ergebnisse der Betriebsprüfung. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzamt führte aus, die Klägerin sei vermögensverwaltend und nicht gewerblich tätig gewesen. Ein Feststellungsverfahren sei damit nicht durchzuführen.
Die hiergegen erhobene Klage, mit welcher die Klägerin die Feststellung eines nach DBA steuerfreien, im Inland dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Verlusts von … Euro begehrte, war erfolgreich (FG Münster, Urt. v. 11.12.2013 – 6 K 3045/11 F – EFG 2014, 753).
Der BFH hat die Revision des Finanzamts als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin habe nach dem DBA-Großbritannien 1964/1970 im Inland steuerbefreite Einkünfte erzielt, die dem Progressionsvorbehalt unterlägen (dazu I.). Das Finanzgericht habe für den BFH bindend entschieden, dass die Klägerin für das Streitjahr berechtigt sei, den Gewinn wie geschehen durch eine Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln (dazu II.). Zudem habe es zutreffend eine Anwendung des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG abgelehnt (dazu III.). Es liege auch kein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO vor (dazu IV.). Außerdem sei weder vorgetragen noch erkennbar, dass der vom Finanzgericht im Tenor als festzustellender Verlust genannte Betrag der Höhe oder der Aufteilung nach aus sonstigen Gründen unzutreffend sei (dazu V.). Schließlich sei über das Vorliegen eines verrechenbaren Verlusts i.S.d. § 15b EStG im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht zu entscheiden (dazu VI.).
I. Nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO seien Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 und Abs. 3 entsprechend anzuwenden, soweit die nach einem DBA von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkünfte bei der Festsetzung der Steuern der beteiligten Personen von Bedeutung sind. Die Klägerin sei eine GP, die in Großbritannien als steuerlich transparent behandelt werde und die aufgrund des Rechtstypenvergleichs ihrer Struktur nach auch in Deutschland mit einer Personengesellschaft deutschen Rechts vergleichbar sei. Danach sei für Zwecke der Abkommensanwendung infolge des inländischen Wohnsitzes der Beigeladenen (Gesellschafter) Deutschland der Ansässigkeitsstaat.
Bei den Einkünften der Klägerin handele es sich um anteilig den Beigeladenen zuzurechnende gewerbliche Gewinne i.S.d. Art. III Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 DBA-Großbritannien 1964/1970. Die tatrichterliche Würdigung des Finanzgerichts, wonach die Klägerin im Streitjahr gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG erzielt und keine vermögensverwaltende Tätigkeit ausgeübt habe, sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Besteuerungsrecht für diese gewerblichen Gewinne stehe ausschließlich Großbritannien zu (Art. III Abs. 2 Satz 2, Art. VIII Abs. 2, Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a Satz 1 HS. 1 DBA-Großbritannien 1964/1970); sie könnten allerdings nach Art. XVIII Abs. 2 Buchst. a Satz 2 DBA-Großbritannien 1964/1970 – wie in § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG geschehen – in Deutschland bei der Festsetzung des Steuersatzes berücksichtigt werden.
II. Das Finanzgericht habe für den Senat bindend entschieden, dass die Klägerin zur Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung berechtigt gewesen sei. Die Einkünfte der Klägerin seien von Deutschland als dem Ansässigkeitsstaat für Zwecke des Progressionsvorbehalts zu ermitteln. Das DBA-Großbritannien 1964/1970 bestimme nicht, wie die Einkünfte zu ermitteln seien. Es finde daher das innerstaatliche Recht Anwendung. Es kämen die allgemeinen und besonderen Gewinnermittlungsvorschriften zur Anwendung. Die Klägerin habe in Deutschland unstreitig eine Einnahmen-Überschussrechnung erstellt. § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG erlaube Steuerpflichtigen (auch Personengesellschaften als Gewinnermittlungssubjekt), die nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet seien, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führten und keine Abschlüsse machten, als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben anzusetzen. Die Klägerin sei nicht aufgrund (inländischer oder ausländischer) gesetzlicher Vorschriften verpflichtet, Bücher zu führen und Abschlüsse zu machen.
III. Das Finanzgericht habe zutreffend eine Anwendung des § 4 Abs. 3 Satz 4 Varianten 1 und 3 EStG abgelehnt. Nach dieser Vorschrift seien die Anschaffungs- oder Herstellungskosten u.a. für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (Var. 1) und für Wertpapiere und vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte des Umlaufvermögens (Var. 3) erst im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahme im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. § 4 Abs. 3 Satz 4 Var. 1 EStG greife nicht ein. Denn das Finanzgericht habe die Goldbarren frei von Rechtsfehlern dem Umlaufvermögen und nicht dem Anlagevermögen der Klägerin zugeordnet. Ebenso sei es rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die gehandelten Goldbarren keine den Wertpapieren vergleichbare nicht verbriefte Forderungen und Rechte i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 4 Var. 3 EStG seien.
IV. Es liege auch kein Gestaltungsmissbrauch vor. Eine solcher liege insbesondere nicht darin, dass die Klägerin als ausländische Personengesellschaft im Ausland einen Goldhandel betrieben hat, um hiermit über eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG durch die Anschaffung erheblichen Umlaufvermögens kurz vor Jahresende hohe negative Progressionseinkünfte zu generieren. Denn das Gesetz stehe einer derartigen Gestaltung nicht entgegen. Grundsätzlich dürfe der Steuerpflichtige seine Verhältnisse so gestalten, dass keine oder möglichst geringe Steuern anfallen. Dabei sei es dem Steuerpflichtigen nicht verwehrt, eine Anschaffung noch kurz vor Ablauf des Gewinnermittlungszeitraums vorzunehmen und den Kaufpreis zu begleichen. Ebenso liege es in der technischen Wirkungsweise der negativen Progressionseinkünfte begründet, dass diese zu einer erheblichen Reduzierung der Einkommensteuerschuld führen könnten (vgl. auch Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 17/9870, S. 3 und S. 5).
V. Es sei weder vorgetragen noch erkennbar, dass die vom Finanzgericht im Tenor ausgesprochene Verpflichtung, negative Progressionseinkünfte festzustellen, der Höhe oder der Verteilung nach unzutreffend sei.
VI. Über das Vorliegen verrechenbarer Verluste i.S.d. § 15b EStG könne im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht entschieden werden. Denn es sei dem Gericht nach § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO verwehrt, über das Klagebegehren hinauszugehen. Das erstinstanzliche Klagebegehren habe keinen Verlustfeststellungsbescheid i.S.d. §§ 32b Abs. 1 Satz 3 i.V.m. 15b Abs. 4 EStG betroffen. Die Klägerin habe vor dem Finanzgericht begehrt, das Finanzamt unter Aufhebung des angegriffenen negativen Feststellungsbescheids zu verpflichten, den nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO beantragten Feststellungsbescheid für 2007 zu erlassen, in dem allein negative Progressionseinkünfte festzustellen gewesen seien. Die Frage, ob ein Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b EStG vorgelegen habe, sei nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Klageverfahrens gewesen. Da in der Revision der Prozessstoff grundsätzlich nicht geändert werden könne (vgl. § 123 Abs. 1 FGO), könne die genannte Frage auch nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens sein.
C. Kontext der Entscheidung
I. Der Begriff der „gewerblichen Gewinne“ i.S.d. Art. III Abs. 1 Satz 1 DBA-Großbritannien 1964/1970 ist in diesem DBA nicht definiert. Nach Art. II Abs. 3 DBA-Großbritannien 1964/1970 wird bei der Anwendung der Vorschriften des Abkommens durch eine der Vertragsparteien – hier Deutschland – jeder Ausdruck, der nicht in dem Abkommen bestimmt worden ist, die Auslegung erfahren, die sich aus den Gesetzen ergibt, die in dem Gebiet dieser Vertragspartei in Kraft sind und sich auf Steuern im Sinne des Abkommens beziehen, falls sich aus dem Zusammenhang keine andere Auslegung ergibt. „Gewerbliche Gewinne“ sind jedenfalls solche, die aus einer originär gewerblichen Tätigkeit der ausländischen Personengesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG stammen (vgl. z.B. BFH, Urt. v. 24.08.2011 – I R 46/10 Rn. 15 ff. – BStBl II 2014, 764, m. Anm. Hahn, jurisPR-SteuerR 5/2012 Anm. 3; BMF-Schreiben v. 26.09.2014 – IV B 5-S 1300/09/10003, 2014/0599097 Rn. 2.2.1 – BStBl I 2014, 1258).
Die bei der Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 EStG zu ziehende Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung der Vermögenswerte im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt. Der Kernbereich der Vermögensverwaltung wird in § 14 Satz 3 AO durch Bezugnahme auf Regelbeispiele (verzinsliche Anlage von Kapitalvermögen und die Vermietung oder Verpachtung von unbeweglichem Vermögen) abgegrenzt. Dadurch wird die Vermögensverwaltung gleichwohl nicht abschließend definiert. Sie wird in der Rechtsprechung des BFH letztlich negativ danach bestimmt, „ob die Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht“ (BFH, Urt. v. 25.07.2001 – X R 55/97 ,unter II.2.d – BStBl II 2001, 809 m.w.N.).
Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung ist somit auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist. Es entspricht langjähriger und gefestigter Rechtsprechungstradition, das „Bild des Gewerbebetriebs“ durch Orientierung an unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern zu konturieren. Zu diesen gehören die – selbstständig und nachhaltig ausgeübten – Tätigkeiten der Produzenten, der Dienstleister und der Händler (vgl. z.B. BFH, Urt. v. 11.10.2012 – IV R 32/10 Rn. 28 – BStBl II 2013, 538; Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 10/2013 Anm. 3).
Das „Bild des Handels“ ist durch die Ausnutzung substantieller Werte durch Umschichtung von Vermögenswerten gekennzeichnet; es unterscheidet sich von der „Vermögensumschichtung im Rahmen privater Vermögensverwaltung“ durch den marktmäßigen Umschlag von Sachwerten. Ob Veräußerungen noch der Vermögensverwaltung zuzuordnen sind, lässt sich nicht für alle Wirtschaftsgüter nach einheitlichen Maßstäben beurteilen. Vielmehr sind die jeweiligen artspezifischen Besonderheiten zu beachten (st. Rspr., z.B. BFH, Urt. v. 11.10.2012 – IV R 32/10 Rn. 29).
Die Grundsätze des Wertpapierhandels, wonach die Umschichtung von Wertpapieren – selbst in erheblichem Umfang – regelmäßig noch nicht den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschreitet, können nicht auf den Handel mit physischem Gold übertragen werden. Es ist auf das „Bild des Handels“ unter Berücksichtigung der artspezifischen Besonderheiten des gehandelten Wirtschaftsguts abzustellen. Der Handel beschreibt ein planmäßiges und dauerhaftes, auf Güterumschlag gerichtetes Tätigwerden (BFH, Urt. v. 26.06.2007 – IV R 49/04 – BStBl II 2009, 289; Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 40/2007 Anm. 2). Er unterscheidet sich von der „Vermögensumschichtung im Rahmen privater Vermögensverwaltung“ durch den marktmäßigen Umschlag von Sachwerten. Bezieht man hierbei die artspezifischen Besonderheiten des ge- und verkauften physischen Goldes mit ein, ergeben sich nach dem Besprechungsurteil folgende Grundsätze:
Kriterien, denen eine hohe Indizwirkung für das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG zukommt, sind insbesondere die Anzahl der Goldgeschäfte und die zeitlichen Abstände zwischen Anschaffung und Veräußerung des gehandelten Goldes und der Einsatz erheblicher Fremdmittel zur Erreichung einer Hebelwirkung.
Weitere Kriterien, die für oder gegen das Vorliegen eines Gewerbebetriebs sprechen können, sind insbesondere die konkrete Ausgestaltung des Geschäftsbetriebs, das Volumen der einzeln oder insgesamt getätigten Geschäfte und die Hinwendung an eine breite Öffentlichkeit und die unmittelbare Teilnahme am Marktgeschehen (Indiz für Gewerbebetrieb) oder die Abwicklung aller Geschäfte nur über einen Handelspartner (Indiz für private Vermögensverwaltung).
Stellt man auf das „Bild des Handels“ ab, kommt dem Umstand, ob der Betroffene (auch) für fremde Rechnung tätig geworden ist, keine Indizwirkung zu. Es ist zwar zutreffend, dass insbesondere das Handeln für fremde Rechnung gegen eine Vermögensverwaltung spricht. Dies führt aber hin zum Vergleich mit einem gewerblichen Dienstleister. So ist gerade das „Bild eines gewerblichen Dienstleisters“ durch ein Tätigwerden für fremde Rechnung gekennzeichnet (BFH, Urt. v. 11.10.2012 – IV R 32/10 Rn. 29). Dem „Bild des Handels“ entspricht jedoch typischerweise ein Tätigwerden für eigene Rechnung.
II. Die Klägerin war im Besprechungsfall nicht aufgrund (inländischer oder ausländischer) gesetzlicher Vorschriften verpflichtet, Bücher zu führen und Abschlüsse zu machen. Nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Finanzgerichts folgte eine solche Verpflichtung insbesondere nicht aus ausländischem Recht. Die vom BFH höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage, ob sich eine materiell-rechtliche Buchführungspflicht isoliert aus § 140 AO in Verbindung mit ausländischem Handelsrecht ergeben kann, bedurfte daher keiner Klärung. Es ist Aufgabe des Finanzgerichts als Tatsacheninstanz, das maßgebende ausländische Recht gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln. Wie das Finanzgericht das ausländische Recht ermittelt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Dabei lassen sich die Anforderungen an Umfang und Intensität der Ermittlungspflicht des Tatrichters nur in sehr eingeschränktem Maße generell-abstrakt bestimmen. An die Ermittlungspflicht werden umso höhere Anforderungen zu stellen sein, je komplexer oder je fremder das anzuwendende Recht im Vergleich zum eigenen ist. Gleiches wird man annehmen müssen, wenn die Beteiligten die ausländische Rechtspraxis detailliert und kontrovers vortragen (vgl. BGH, Urt. v. 30.04.1992 – IX ZR 233/90 – BGHZ 118, 151, unter B.I.2.b). Die Feststellungen des Finanzgerichts zu Bestehen und Inhalt des ausländischen Rechts sind für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend. Sie sind revisionsrechtlich wie Tatsachenfeststellungen zu behandeln. Die Bindungswirkung entfällt allerdings, soweit die erstinstanzlichen Feststellungen auf einem nur kursorischen Überblick über die zu behandelnde Materie beruhen.
III. Physisches Gold ist kein den Wertpapieren vergleichbares nicht verbrieftes Recht. Wertpapiere sind zum einen durch eine leichte Handelbarkeit (Übertragbarkeit) gekennzeichnet, zum anderen dadurch, dass sie – auch wenn sie selbst ein körperliches Wirtschaftsgut darstellen – ein unkörperliches Recht verbriefen. Eine Anwendung des § 4 Abs. 3 Satz 4 Var. 3 EStG scheidet daher von vornherein in solchen Fällen aus, in denen Gegenstand der Anschaffung das Eigentum an konkreten physischen Goldbarren ist und der Erwerber dieses Sacheigentum an den bestimmten Goldbarren trotz deren Drittverwahrung bei einer Bank beibehält. Denn in diesen Fällen wird kein unkörperliches Recht erworben und übertragen, sondern eine bewegliche Sache (körperlicher Gegenstand). Aber selbst wenn die drittverwahrende Bank die Möglichkeit hat, einen in Sammelverwahrung befindlichen und mehreren Miteigentümern gehörenden – regelmäßig nur nach Gattung (Gewicht und Feinheit) räumlich separierten – Goldbestand zu erweitern und zu ergänzen, greift § 4 Abs. 3 Satz 4 Var. 3 EStG nach dem Besprechungsurteil nicht ein. Der Kunde erwirbt dann zwar nur einen Miteigentumsanteil an einer dynamischen und damit unbestimmten Sachgesamtheit, allerdings ist das Miteigentum seinem Wesen nach dem Eigentum gleichartig. Das Ergebnis wird auch durch die Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 3 Satz 4 Var. 3 EStG bestätigt. Der Bundesrat wollte auch Edelmetalle und sonstige Rohstoffe in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG einbeziehen (BR-Drs. 937/1/05, S. 2 ff.). Dies ist jedoch aus verschiedenen Gründen bewusst nicht geschehen. Insbesondere ist in der Gegenäußerung der Bundesregierung ausgeführt worden, dass bei Überschreiten der Umsatzgrenzen des § 141 Abs. 1 Nr. 1 AO der Gewinn ohnehin durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln sei (BT-Drs. 16/749, S. 1). Danach ist es nicht möglich, den An- und Verkauf von physischem Gold doch wieder dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift zu unterwerfen.
IV. Der BFH bestätigte seine Entscheidung zudem in der teilweisen Parallelentscheidung BFH, Urt. v. 19.01.2017 – IV R 50/13.
D. Auswirkungen für die Praxis
I. Der BFH hat mit diesem Urteil die auslandsbezogene Gestaltung (zum „Inlandsfall“ vgl. BFH, Urt. v. 19.01.2017 – IV R 10/14) mittels gewerblicher Verluste durch Ankauf physischen Goldes akzeptiert. Die Gestaltung kann bei den Gesellschaftern zu Steuervorteilen führen, wenn kein sog. Steuerstundungsmodell vorliegt. Auf den An- und Verkauf von physischem Gold sind die Grundsätze des Wertpapierhandels nicht übertragbar; der BFH bejahte aufgrund der Besonderheiten des Goldhandels einen Gewerbetrieb i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG. Die Aufwendungen im Rahmen der Einnahmen-Überschussrechnung für die Anschaffung der Goldbarren sind nicht nach § 4 Abs. 3 Satz 4 Varianten 1 oder 3 EStG vom sofortigen Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen.
II. Der Gesetzgeber hat der Gestaltung allerdings zwischenzeitlich rechtliche Grenzen gesetzt: Für die dem Besprechungsfall zugrundeliegende Konstellation hat er die Vorschrift des § 32b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG eingefügt, die bei Ermittlung des anzuwendenden Einkommensteuersatzes einen sofortigen Betriebsausgabenabzug verhindert (erstmals anwendbar auf Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, die nach dem 28.02.2013 angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt wurden). Ferner hat er § 32b Abs. 1 Satz 3 EStG um die – in allen offenen Fällen anwendbare – Regelung ergänzt, dass § 15b EStG sinngemäß anzuwenden ist. Nach § 15b Abs. 3a EStG liegt unter den dort genannten Voraussetzungen ein Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b EStG vor. Verluste hieraus können nicht mehr mit bzw. von anderen positiven Einkünften ausgeglichen bzw. abgezogen werden, sondern sind nur noch mit künftigen Gewinnen aus derselben Einkunftsquelle verrechenbar.