Nachfolgend ein Beitrag vom 8.5.2017 von Prätzler, jurisPR-SteuerR 19/2017 Anm. 7

Leitsatz

Ein Kreditinstitut, das gegen Entgelt für andere Kreditinstitute im Rahmen der Abwicklung deren „beleghaften“ Zahlungs- und Überweisungsverkehrs Schecks, Überweisungen sowie Lastschriften im Wesentlichen lediglich technisch bearbeitet, führt keine steuerfreien Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr aus.

A. Problemstellung

Die Auslegung der Steuerbefreiung von Bank- und Finanzumsätzen im Zahlungsverkehr (§ 4 Nr. 8 Buchst. d UStG) ist insbesondere strittig, wenn einzelne Leistungselemente auf Dienstleister übertragen werden. Bereits seit einer Grundsatzentscheidung des EuGH vor nunmehr 20 Jahren (EuGH, Urt. v. 05.06.1997 – C-2/95 – Slg. I 1997, 3017 „SDC“) bestehen in diesem Feld erhebliche Unsicherheiten. Der BFH konnte nunmehr in einem Revisionsverfahren zu Teilleistungen bei der beleghaften Abwicklung des Zahlungsverkehrs entscheiden.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin war ein Kreditinstitut und sie hatte in den Jahren 2000 bis 2003 für andere Kreditinstitute Leistungen im „beleghaften“ Zahlungs- und Überweisungsverkehr erbracht. Überweisungsbelege wurden maschinell eingelesen und wenn erforderlich manuell ergänzt oder korrigiert. Belege mit größeren Unklarheiten wurden von einem Mitarbeiter gesondert bearbeitet, z.B. Bankleitzahlen ergänzt. Gelang die abschließende Bearbeitung nicht, gingen diese Belege an den Kundenberater des Kontoinhabers zurück. Weiterhin wurde bei Sammelüberweisungen die Summe mit den Einzelbeträgen verprobt und Differenzen hinterfragt. Fertig erfasste Belege wurden in einem zentralen Rechenzentrum, das nicht von dem Institut selbst betrieben wurde, technisch verarbeitet, in dem die Kundenkonten geführt und die Überweisungen verbucht wurden. Schecks und Lastschriftaufträge wurden entsprechend verarbeitet, wobei für Schecks der Eingang der Gutschrift veranlasst und das Dokument körperlich an die bezogene Bank weitergereicht wurde.
Bei einer Außenprüfung war das Finanzamt der Auffassung, dass die beschriebenen Dienstleistungen umsatzsteuerpflichtig und insbesondere nicht von § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG erfasst seien. Ein Rechtsbehelf gegen entsprechend geänderte Umsatzsteuer-Festsetzungen war erfolglos geblieben. Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen (FG Leipzig, Urt. v. 25.06.2014 – 1 K 1222/12 – MwStR 2015, 692). Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Grundsätzlich befreie Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Sechsten RL 77/388/EWG (nunmehr Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL) bestimmte Finanzdienstleistungen auch dann, wenn diese nicht von Banken oder Finanzinstituten ausgeführt wurden (Verweis auf EuGH, Urt. v. 05.06.1997 – C-2/95 – Slg. I 1997, 3017 „SDC“). Dabei komme es auf die Natur der Dienstleistung an. Eine Überweisung sei nach EuGH-Rechtsprechung (EuGH, Urt. v. 26.05.2016 – C-607/14 – MwStR 2016, 530 – UR 2016, 711 „Bookit“ m. Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 35/2016 Anm. 6; EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-464/12 – MwStR 2014, 294 – HFR 2014, 459 „ATP Pension Service“ m. Anm. Hentschel, jurisPR-SteuerR 24/2014 Anm. 6) ein Auftrag, bei dem eine Geldsumme von einem auf ein anderes Bankkonto übertragen werde, d.h. es komme zu einer Änderung der bestehenden rechtlichen und finanziellen Situation zwischen Auftraggeber und Empfänger. Zwar sei es denkbar, aus der Tatsache, dass der Dienstleistungserbringer selbst unmittelbar Gutschriften und/oder Belastungen auf Konten oder Umbuchungen zwischen solchen vornehmen könne, zu schließen, dass dementsprechend eine steuerfreie Dienstleistung vorliege, doch müsse eine Dienstleistung, um steuerfrei zu sein, ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sein, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Finanzdienstleistung erfülle.
Rein materielle und technische Dienstleistungen, wie etwa die Überlassung eines EDV-Systems an eine Bank, seien nicht steuerfrei, und es reiche auch nicht aus, dass ein Leistungselement für die Bewirkung des Umsatzes unerlässlich sei. Konkret reiche die Übertragung der Angaben auf den körperlichen Belegen für die EDV-mäßige Auftragsverarbeitung nicht für die Steuerfreiheit aus. Das Finanzgericht habe insoweit rechtsfehlerfrei entschieden. Die Klägerin habe nur technische Leistungen erbracht. Die relevanten Entscheidungen wurden stets durch die jeweiligen Banken getroffen, und auch die eigentliche technische Ausführung im Rechenzentrum sei nicht bei der Klägerin, sondern bei einer anderen Partei erfolgt. Ebenso hafte die Klägerin nicht für Fehler in der Disposition, Kontrolle der Legitimation oder den Prüfungen nach dem Geldwäschegesetz.
Die weiteren Einwendungen der Klägerin, die lediglich ihre abweichende Würdigung an die Stelle der möglichen, nicht gegen Denkgesetze verstoßenden Würdigung des Finanzgerichts setzten, führten nicht zu einer anderen Beurteilung. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts habe die Klägerin selbst nicht unmittelbar Belastungen oder Gutschriften vorgenommen oder solche angeordnet, denn diese Entscheidungen habe der Auftraggeber der Überweisung bzw. der Scheckaussteller getroffen. Ebenfalls nicht relevant sei die Verantwortung der Klägerin für die einwandfreie technische Ausführung.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung ist nicht überraschend, sondern der BFH setzt die Linie der bisherigen Rechtsprechung fort. So entschied er im Jahr 2008, dass ein Bankenrechenzentrum zwar steuerfreie Finanzumsätze im Sinne der Entscheidung in der Rechtssache „SDC“ (EuGH, Urt. v. 05.06.1997 – C-2/95 – Slg. I 1997, 3017) ausführen konnte, im konkreten Fall verneinte er jedoch die Voraussetzungen (BFH, Urt. v. 12.06.2008 – V R 32/06 – BStBl II 2008, 777). Ähnlich fiel im Jahr 2006 eine Entscheidung zu einem Überweisungsdienstleister (BFH, Urt. v. 13.07.2006 – V R 57/04 – BStBl II 2007, 19) aus. Noch anhängig ist ein Verfahren, das einen Dienstleister im Geldautomatenbereich betrifft, der die Automaten für Banken betrieb. Die Vorinstanz sah die entsprechenden Umsätze als steuerfreie Finanzdienstleistungen an (FG Neustadt, Urt. v. 23.10.2014 – 6 K 1465/12, Revision beim BFH geführt unter V R 6/15).
Die Finanzverwaltung wendet die Grundsätze der beiden zitierten BFH-Urteile an (vgl. Abschn. 4.8.7 UStAE) und stellt ebenfalls darauf ab, dass die Leistungen eine rechtliche und finanzielle Änderung des Eigentums an finanziellen Mitteln bewirken müssen. In der Praxis sind nur wenige Fälle bekannt geworden, in denen beispielsweise Bankenrechenzentren oder auch sog. „Kreditfabriken“ (Outsourcing von Prozessen im Kreditgeschäft) sich erfolgreich auf die Steuerbefreiung berufen konnten.
Hintergrund des Begehrens nach Steuerfreiheit ist regelmäßig die Tatsache, dass die empfangenden Banken aus den entsprechenden Eingangsleistungen wegen § 15 Abs. 2 UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Dies kann ein sog. Outsourcing um bis zu 19% verteuern, wobei genaugenommen dieser Effekt nur die vorher nicht mit Vorsteuer belasteten Kosten (d.h. vor allem Personalkosten) betrifft, denn die Vorsteuer aus eigenen Sachkosten (z.B. EDV-Anlage) wäre auch bei der Bank selbst nicht abziehbar.
Teilweise wird umsatzsteuerliche Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) als alternatives Gestaltungsinstrument eingesetzt, um Vorsteuerschäden zu minimieren, doch scheitert diese in Strukturen, in denen mehrere nicht gesellschaftsrechtlich eng verbundene Banken gemeinsam einen Dienstleister errichten, regelmäßig an der notwendigen finanziellen Eingliederung, d.h. Mehrheit der Stimmrechte.
Im Kontext interessant ist die teilweise durch den BFH zitierte EuGH-Rechtsprechung, die leider in den meisten Fällen nicht sehr eindeutig ausgefallen ist, so z.B. bei der „SD““-Entscheidung (EuGH, Urt. v. 05.06.1997 – C-2/95 – Slg. I 1997, 3017), die wesentliche Elemente dem nationalen Gericht zur Beurteilung überließ. Deutlicher wurde der EuGH in einem Urteil aus 2011, nach dem sog. SWIFT-Leistungen rein technische Dienstleistungen und damit steuerpflichtig sind (EuGH, Urt. v. 28.07.2011 – C-350/10 – Slg. I 2011, 7359 „Nordea“ m. Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 43/2011 Anm. 6). Ebenso lieferte der EuGH in der bereits zitierten „Bookit“-Entscheidung sowie einem weiteren Urteil des Jahres 2016 (EuGH, Urt. v. 26.05.2016 – C-130/15 „National Exhibition Centre“) nähere Hinweise zum Begriff der Leistungen im Zahlungsverkehr. Gegebenenfalls wird der EuGH in einer aktuellen britischen Vorlage die Möglichkeit haben, seine Auffassung weiter zu präzisieren (vgl. Verfahren C-5/17 –„DPAS“).
Gleichermaßen in Bewegung ist die Frage, ob ggf. eine Steuerfreiheit für Outsourcing-Modelle im Finanzbereich auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL gestützt werden kann. Deutschland hat diese Norm bisher nur sehr eingeschränkt umgesetzt (§ 4 Nr.14 Buchst. d UStG) und ist daher aktuell einem Vertragsverletzungsverfahren ausgesetzt (geführt unter C-616/15). Weiterhin sind diverse Vorlagefragen zu Auslegungsfragen der Norm (vgl. C-326/15 „DNB Banka“ und C-605/15 „Aviva“) sowie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Luxemburg (C-274/15) anhängig. Interessant erscheint dabei weiter, dass Deutschland bereits einmal gesetzgeberisch erwogen hatte, Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL auch auf Banken, Finanzdienstleister und Versicherungen auszudehnen (Entwurf eines § 4 Nr. 29 UStG im JStG 2010), doch dieses Vorhaben nicht weiterverfolgt wurde.
Abschließend sei angemerkt, dass nach wie vor Unsicherheiten bestehen, in welchem Umfang die Leistungen der großen Kreditkartenunternehmern „VISA“ und „MasterCard“ als steuerfrei anzusehen sind (vgl. hierzu Philipowski, UR 2015, 489; BMF-Schreiben v. 16.07.2014 – S 7160/14/10001 – UR 2015, 524).

D. Auswirkungen für die Praxis

Das Urteil führt nicht zu unmittelbarem Handlungsbedarf, da der BFH seine bisherige Rechtsprechung beibehalten hat und er auch nicht von der Verwaltungsmeinung abgewichen ist.