Nachfolgend ein Beitrag vom 5.12.2016 von Schießl, jurisPR-SteuerR 49/2016 Anm. 3

Leitsätze

1. Gegenstand der Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG ist die betriebliche Sachgesamtheit in dem Umfang, den sie im Zeitpunkt des wirtschaftlichen Übergangs hat. Vorherige Veränderungen des Betriebsvermögens, etwa in Gestalt von Entnahmen oder Veräußerungen, stehen der Buchwertfortführung nicht entgegen, sofern diese nicht den Untergang der Sachgesamtheit als funktionsfähige betriebliche Einheit bewirkt haben.
2. Besteht der Betrieb in der Hand des Übertragenden nicht aus mehreren Teilbetrieben, existiert nur eine zum Buchwert übertragbare Sachgesamtheit.
3. Ein landwirtschaftlicher Betrieb wird aufgegeben, wenn die landwirtschaftlichen Flächen nach dem Tod des Betriebsinhabers auf die Erben aufgeteilt oder wenn im Wege vorweggenommener Erbfolge die Betriebsgrundstücke auf mehrere nicht mitunternehmerschaftlich verbundene Einzelrechtsnachfolger übertragen werden.

A. Problemstellung

Die Entscheidung betrifft die in der Praxis wichtige Frage, ob es sich bei dem von der Erbengemeinschaft veräußerten Grundstück um landwirtschaftliches Betriebsvermögen oder nicht steuerbares Privatvermögen handelte.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Kläger sind Gesamtrechtsnachfolger ihrer während des Revisionsverfahrens verstorbenen Mutter (M). Diese war ihrerseits gemeinsam mit ihrem Sohn, dem Kläger zu 1), Erbin ihres im Jahr 1987 verstorbenen Ehemanns (K). K hatte bis zu seinem Tod einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhalten, der aus verpachteten Ackerflächen und selbst bewirtschafteten Weinbauflächen bestand. Nach dem Tod von K erklärte M weiter Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Durch eine Anzeige des Notars erfuhr das Finanzamt davon, dass die aus M und dem Kläger zu 1) bestehende Erbengemeinschaft das unbebaute Grundstück B-Straße mit Vertrag vom 11.12.2006 für 152.000 Euro verkauft hatte. Dieses Grundstück war im Jahre 1976 zusammen mit zwei anderen Baugrundstücken aus der Umlegung des damaligen Ackergrundstücks A-Straße hervorgegangen. Jenes Ackergrundstück war Bestandteil des seit dem Tod des Vaters von K (J) im Jahr 1968 von der Mutter (P) fortgeführten Betriebs. P hatte dieses Grundstück im Jahr 1973 auf ihren Sohn K und ihre Tochter zu je 1/2 Miteigentumsanteil übertragen. Ob das Grundstück von P selbst bewirtschaftet wurde oder ob es ab 1968 an den Bauern H verpachtet war, ist zwischen den Beteiligten streitig. Vor 1968 war das Grundstück allerdings unstreitig von J selbst bewirtschaftet worden. Die Einkünfte des K aus Land- und Forstwirtschaft wurden seit 1973 nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG ermittelt. In den Anlagen L zu den Einkommensteuererklärungen von K und M ab 1973 wurden keine verpachteten Flächen angegeben. Erst seit 1979 wurden alle Ackerflächen als verpachtet erklärt. Die Kläger tragen vor, die betreffende Ackerfläche sei seit 1968 an den Landwirt H bzw. später an dessen Sohn verpachtet gewesen.
Nachdem die Erbengemeinschaft trotz Aufforderung des Finanzamts für das Streitjahr 2006 keine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte 2006 abgegeben hatte, erließ das Finanzamt gegenüber der Erbengemeinschaft unter dem 18.11.2008 einen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid für das Jahr 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, in dem die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft festgestellt wurden. Diese Einkünfte ergaben sich ausschließlich aus der Veräußerung des Grundstücks. Im Einspruchsverfahren erging unter dem 14.04.2011 ein geänderter Feststellungsbescheid für 2006, in dem die Einkünfte um den Gewinn aus der Verpachtung von zum Betriebsvermögen gerechneten Grundstücken von 270 Euro (1/2 von 540 Euro im Wirtschaftsjahr 2006/2007) erhöht wurden. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (FG Neustadt/Weinstraße, Urt. v. 20.03.2013 – 1 K 1729/11). Das Finanzgericht entschied, dass Grundstück B-Straße sei im Zeitpunkt des Verkaufs Betriebsvermögen der Erbengemeinschaft gewesen. Das Vorgängergrundstück A-Straße sei mit der Übertragung von P auf ihre Kinder nicht Privatvermögen geworden. Die Revision führte zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache. Der BFH führte zur Begründung aus:
I. Das Finanzgericht habe im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Bauplatz zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen der Erbengemeinschaft gehört habe. Das Grundstück könne nicht unter Fortführung des damaligen Buchwerts aus dem ursprünglich von J und nach dessen Tod von seiner Erbin P geführten Betrieb in das Betriebsvermögen des K übergegangen sein. Die Grundstücksfläche, aus der später der Bauplatz B-Straße hervorgegangen ist, habe ursprünglich zu dem landwirtschaftlichen Betrieb des J und nach seinem Tod im Jahr 1968 zu dem landwirtschaftlichen Betrieb seiner Erbin P gehört. Dieser Betrieb sei durch die Übertragung der landwirtschaftlichen Grundstücke auf die Tochter, auf den Sohn K sowie auf die beiden Kinder zu Bruchteilseigentum zerschlagen und damit von P aufgegeben worden. Das Grundstück sei dadurch zu Privatvermögen geworden und sei als solches auf K übertragen worden.
Der ideelle Anteil von K an dem Grundstück sei aber durch eine Einlage zu dessen Betriebsvermögen geworden. Von einer Einlage sei auszugehen, weil nach den Feststellungen des Finanzgerichts K das Grundstück nach der Übertragung von P selbst bewirtschaftet habe. Die veräußerte Parzelle sei danach Betriebsvermögen der ungeteilten Erbengemeinschaft von M und dem Kläger zu 1) gewesen. Die Einbeziehung der Ackerfläche in das Baulandumlegungsverfahren ändere an der Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen nichts. Der Gewinn aus der Grundstücksveräußerung sei der Besteuerung auch nicht nach Treu und Glauben oder aus Billigkeitsgründen entzogen.
II. Die Sache sei nicht spruchreif. Der Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks hänge nicht von dem Wert nach § 55 EStG, sondern von dem Einlagewert im Jahr 1973 (Teilwert, § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) ab. Das Finanzgericht habe bisher keine Feststellungen zur Höhe des Werts des Grundstücks im Zeitpunkt der Einlage getroffen.

C. Kontext der Entscheidung

I. Ein landwirtschaftlicher Betrieb wird aufgegeben, wenn die landwirtschaftlichen Flächen nach dem Tod des Betriebsinhabers auf die Erben aufgeteilt (BFH, Urt. v. 26.09.2013 – IV R 16/10 – BFH/NV 2014, 324) oder wenn im Wege vorweggenommener Erbfolge die Betriebsgrundstücke auf mehrere nicht mitunternehmerschaftlich verbundene Einzelrechtsnachfolger übertragen werden (BFH, Urt. v. 16.12.2009 – IV R 7/07 – BStBl II 2010, 431; Anm. Dötsch, jurisPR-SteuerR 16/2010 Anm. 3). Von einer solchen Zerschlagung des Betriebs ist die Übertragung eines durch Entnahme von Grundstücken zur Abfindung von weichenden Erben verkleinerten Betriebs abzugrenzen, die nach § 6 Abs. 3 EStG unter Fortführung der Buchwerte stattfindet. Gegenstand der Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG ist die betriebliche Sachgesamtheit in dem Umfang, den sie im Zeitpunkt des wirtschaftlichen Übergangs hat. Vorherige Veränderungen des Betriebsvermögens, etwa in Gestalt von Entnahmen oder Veräußerungen, stehen der Buchwertfortführung nicht entgegen, sofern diese nicht den Untergang der Sachgesamtheit als funktionsfähige betriebliche Einheit bewirkt haben (BFH, Urt. v. 02.08.2012 – IV R 41/11 – BFHE 238, 135 = BFH/NV 2012, 2053; BFH, Urt. v. 09.12.2014 – IV R 29/14 – BFHE 247, 449 = BFH/NV 2015, 415). Besteht der Betrieb in der Hand des Übertragenden nicht aus mehreren Teilbetrieben, existiert nur eine zum Buchwert übertragbare Sachgesamtheit.
II. Wurde der landwirtschaftliche Betrieb aufgegeben, kann ein Grundstück allerdings durch eine Einlage des Rechtsnachfolgers zu dessen Betriebsvermögen geworden sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Rechtsnachfolger das Grundstück im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebs selbst bewirtschaftet. Die Bewertung der Einlage richtet sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG. Sie ist mit dem Teilwert im Zeitpunkt der Zuführung anzusetzen (BFH, Urt. v. 25.08.1983 – IV R 218/80 – BStBl II 1984, 33). Für diesen Wert ist insbesondere bedeutsam, ob im Zeitpunkt der Zuführung für die landwirtschaftliche Grundstücksfläche eine Entwicklung zum Bau- oder Bauerwartungsland absehbar war.
III. Die Betriebsvermögenseigenschaft setzt sich im Wege der Surrogation auch an den aus der Umlegung hervorgegangenen Grundstücken fort (BFH, Urt. v. 23.09.2009 – IV R 70/06 – BStBl II 2010, 270). Diese Eigenschaft setzt sich insoweit an dem zugeteilten Grundstück fort, als dieses in Erfüllung des Sollanspruchs gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 BauGB zugeteilt wird.
IV. Die Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinns folgt im Besprechungsfall nicht aus der im Schreiben des BMF vom 15.03.1979 (IV B 2-S 2135-2/79 – BStBl I 1979, 162) enthaltenen Billigkeitsregelung. Der sachliche Anwendungsbereich dieses BMF-Schreibens betrifft nicht die Fälle, in denen das Wirtschaftsgut nach einer Entnahme zum notwendigen Privatvermögen gehörte. Die Billigkeitsregelung kann zudem nur in solchen Fällen Wirkung entfalten, in denen die Finanzverwaltung in Steuerbescheiden nachteilige Folgen aus einer vermeintlichen Zwangsentnahme durch Nutzungsänderung gezogen hatte (BFH, Urt. v. 07.11.1996 – IV R 69/95 – BStBl II 1997, 245).

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Besprechungsentscheidung verdeutlicht die von der Rechtsprechung des BFH für die Zuordnung eines Grundstücks zum landwirtschaftlichen Betriebsvermögen entwickelten Grundsätze. Eine Betriebsaufgabe ist zu unterscheiden von der nicht begünstigten schrittweisen Betriebsabwicklung und der Betriebsverkleinerung. Grundsätzlich hat der Steuerpflichtige die Wahl zwischen einer steuerbegünstigten Betriebsaufgabe und einer schrittweisen nicht begünstigten Betriebsabwicklung.