Leitsatz:

  1. Die Regelung des § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV ist auch im Fall einer mittelbaren Grundstücksschenkung anzuwenden.
  2. Wird dem Steuerpflichtigen eine der Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dienende Eigentumswohnung (einschließlich Inventar) im Wege der mittelbaren Grundstücksschenkung zugewendet, kann er mithin nach § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV AfA auf die vom Schenker getragenen Anschaffungskosten vornehmen.

Tenor:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 17. März 2015 13 K 156/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand:

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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 1. August 2011 eine Eigentumswohnung einschließlich Tiefgaragenstellplatz sowie mitveräußertem Inventar zum Gesamtkaufpreis von 475.000 €; hiervon entfiel ein Teilbetrag in Höhe von 421.500 €auf das erworbene Wohnungs- und Teileigentum. Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb der Eigentumswohnung erhielt die Klägerin schenkweise Geldbeträge in Höhe von 400.000 € von ihrem Vater sowie 200.000 € von ihrer Mutter zugewandt. Die Schenkungen standen unter der Auflage, dass die Geldbeträge „… ausschließlich dem Erwerb der Eigentumswohnung…“sowie ihrer Renovierung und Modernisierung zu dienen bestimmt waren. Vor diesem Hintergrund gehen die Beteiligten des Rechtsstreits übereinstimmend davon aus, dass Gegenstand der Schenkungen nicht der jeweils zugewendete Geldbetrag, sondern die Eigentumswohnung gewesen sei (sog. mittelbare Grundstücksschenkung).

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Die Klägerin nutzte die erworbene Eigentumswohnung im Streitjahr (2011) zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Im Rahmen ihrer Überschussermittlung setzte die Klägerin Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 2.811 € für das Gebäude und 1.495 € für das erworbene bewegliche Inventar als Werbungskosten an. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -FA-) berücksichtigte die geltend gemachte AfA nicht; in den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 4. März 2013 führte das FA hierzu aus, dass die Bemessungsgrundlage für die AfA um die im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb der Wohnung geschenkten Geldbeträge in Höhe von insgesamt 600.000 € zu kürzen sei. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.

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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es vertrat die Auffassung, das FA habe die von der Klägerin geltend gemachten AfA-Beträge zu Unrecht nicht als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt. Die Vorschrift des § 11d Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) sei auch im Falle der mittelbaren Grundstücksschenkung anwendbar. Die der Klägerin zustehenden AfA-Beträge richteten sich mithin nach den fortgeführten Anschaffungskosten ihrer Eltern. Unerheblich sei, dass die Eltern der Klägerin selbst keine AfA-Beträge geltend gemacht hätten.

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Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Es vertritt die Ansicht, dass die Vorschrift des § 11d Abs. 1 EStDV im Falle der mittelbaren Grundstücksschenkung nicht anzuwenden sei. Auch wenn die Eltern der Klägerin im Ergebnis die Anschaffungskosten der Eigentumswohnung getragen hätten, habe ihnen die für einen „Rechtsvorgänger“notwendige Verfügungsgewalt über das Grundstück nie zugestanden. Zwar führe dieses Ergebnis zu einer unterschiedlichen Behandlung von unmittelbaren Grundstücksschenkungen (bei denen Absetzungen gemäß § 11d Abs. 1 EStDV möglich sind) und mittelbaren Grundstücksschenkungen (bei denen Absetzungen gemäß § 11d Abs. 1 EStDV nach Auffassung des FA nicht möglich sind), jedoch könnte eine dahingehende Ungleichbehandlung nicht durch die vom FG vorgenommene Auslegung der maßgeblichen Vorschrift, sondern allenfalls durch Billigkeitsmaßnahmen begegnet werden.

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Das FA beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil des FG vom 17. März 2015 13 K 156/13 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Die Ungleichbehandlung von unmittelbarer und mittelbarer Grundstücksschenkung bei der Anwendung des § 11d Abs. 1 EStDV führe zu einem Rechtsfolgensprung, dessen nachteilige Wirkung für die Klägerin nicht hinzunehmen sei.

Gründe:

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Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Zutreffend hat das FG die von der Klägerin geltend gemachten AfA-Beträge als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt.

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1. Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen sind als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes -EStG-) bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG). Anschaffungskosten des Vermietungsobjekts sind nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG als Werbungskosten im Wege der AfA abzusetzen, die bei im Privatvermögen befindlichen und zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden, welche nach dem 31. Dezember 1924 fertiggestellt worden sind, jährlich 2 % der Anschaffungs- (oder Herstellungskosten) beträgt (§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG). Auch die Anschaffungskosten von mitvermieteten, im Vermietungsobjekt befindlichen Einrichtungsgegenständen sind -nach Maßgabe ihrer betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer- im Wege der AfA abzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1 EStG).

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a) Welche Aufwendungen zu den Anschaffungskosten zählen, bestimmt sich für die steuerrechtliche Beurteilung und insbesondere auch für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs -HGB- (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 9. Juli 2013 IX R 43/11, BFHE 242, 51, BStBl II 2014, 878, m.w.N.). Nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB sind Anschaffungskosten alle Aufwendungen, die u.a. geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn mithin von der fremden in die eigene Verfügungsmacht zu überführen (BFH-Urteile vom 2. September 2014 IX R 50/13, BFHE 247, 524, BStBl II 2015, 260; vom 17. November 2004 I R 96/02, BFHE 208, 197, BStBl II 2008, 296). Wie sich aus den maßgeblichen Bestimmungen des § 7 Abs. 1 EStG („… Verteilung dieser Kosten …“) ergibt, setzt die Möglichkeit der Vornahme von AfA auf entstandene Anschaffungskosten grundsätzlich voraus, dass der Steuerpflichtige die von ihm geltend gemachten Aufwendungen auch getragen hat (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. August 1999 GrS 2/97, BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782, unter C.IV.1.b; BFH-Urteile vom 4. Februar 2016 IV R 46/12, BFHE 253, 95, BStBl II 2016, 607, zu § 7 Abs. 6 EStG; vom 23. April 2009 IV R 9/06, BFHE 225, 15, BStBl II 2010, 664, zu § 6b EStG).

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b) Bei unentgeltlich erworbenen Wirtschaftsgütern des Privatvermögens hat der Steuerpflichtige keine Anschaffungskosten getragen; seine AfA bemisst sich gemäß § 11d Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStDV nach den Anschaffungs- und Herstellungskosten des Rechtsvorgängers und nach dem Hundertsatz, der für den Rechtsvorgänger maßgebend sein würde, wenn er noch Eigentümer des Wirtschaftsguts wäre, und zwar nur bis zur Höhe des vom Rechtsvorgänger noch nicht ausgeschöpften AfA-Volumens.

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Die Vorschrift des § 11d Abs. 1 EStDV regelt lediglich die Bemessungsgrundlage und über den Hundertsatz den Abzugszeitraum, setzt aber, weil keine selbständige Anspruchsgrundlage für den Abzug von AfA, die Berechtigung des Rechtsnachfolgers zum Abzug der AfA und damit grundsätzlich auch die Übertragung des Eigentums an dem Wirtschaftsgut vom Rechtsvorgänger auf den Rechtsnachfolger voraus (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782, unter C.IV.1.c dd). Für die Inanspruchnahme von AfA nach § 11d Abs. 1 EStDV muss der Rechtsnachfolger in seiner Person den objektiven und subjektiven Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklichen (BFH-Urteil vom 7. Februar 2012 IX R 27/10, BFH/NV 2012, 736, m.w.N.). Mögliche, den Abzug von AfA ausschließende Gründe, welche ausschließlich in der Person des Rechtsvorgängers liegen, berühren die AfA-Berechtigung des Rechtsnachfolgers nach § 11d EStDV indes nicht (BFH-Urteile vom 4. September 1990 IX R 197/87, BFHE 162, 404, BStBl II 1992, 69; vom 7. August 1991 X R 116/89, BFHE 165, 267, BStBl II 1992, 736).

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c) Ein unentgeltlicher Erwerb liegt auch im Falle einer sog. mittelbaren Grundstücksschenkung vor. Die von der Rechtsprechung im Schenkungsteuerrecht zur mittelbaren Grundstücksschenkung entwickelten Grundsätze gelten auch für das Einkommensteuerrecht (vgl. BFH-Urteile vom 8. Juni 1994 X R 51/91, BFHE 175, 76, BStBl II 1994, 779; vom 29. Juli 1998 X R 50/95, BFH/NV 1999, 301, jeweils zu § 10e EStG). Von einer mittelbaren Grundstücksschenkung ist etwa dann auszugehen, wenn der Erwerber nicht über den geschenkten Geldbetrag, sondern erst über die damit erworbene Wohnung verfügen kann (vgl. BFH-Urteile vom 10. November 2004 II R 44/02, BFHE 207, 360, BStBl II 2005, 188; vom 18. September 2007 IX R 38/06, BFH/NV 2008, 29, m.w.N.). Ist der Beschenkte in einem solchen Fall des unentgeltlichen Erwerbs nicht mit Anschaffungskosten belastet, steht ihm nach den oben unter II.1.b genannten Grundsätzen jedenfalls keine eigene AfA-Berechtigung hinsichtlich des unentgeltlich erworbenen Objekts zu.

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2. Nach den unter II.1.c genannten Maßstäben ist die zwischen der Klägerin und ihren Eltern vollzogene mittelbare Grundstücksschenkung nicht nur schenkungsteuerrechtlich, sondern auch einkommensteuerrechtlich zu beachten. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung -AO-) ist indes der Vorgang, mit dem jemand ein Grundstück, das er verschenken will, sich zunächst selbst übertragen lässt, um es sodann an den zu Beschenkenden weiter zu übereignen, vergleichbar (und damit einkommensteuer-rechtlich in gleicher Weise zu behandeln) wie der Vorgang, in dem der Schenker dem Beschenkten das Grundstück dadurch verschafft, dass er es für eigene Rechnung unmittelbar an den Beschenkten übereignen lässt. Denn nicht nur bei der unmittel-baren, sondern auch bei der mittelbaren Grundstücksschenkung trägt der Schenker die Anschaffungskosten des Grundstücks als derjenige, für dessen Rechnung das Grundstück auf den Beschenkten übertragen wird (so ausdrücklich BFH-Urteil vom 15. Mai 1990 IX R 21/86, BFHE 162, 26, BStBl II 1992, 67, unter 1.a der Gründe, zu § 7b EStG).

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Ist aber der Schenker mit Anschaffungskosten belastet, kann es unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht von Bedeutung sein, ob er dem Beschenkten das Grundstück selbst oder einen für die Anschaffung des Grundstücks erforderlichen (zweckgebundenen) Geldbetrag zuwendet. Vor diesem Hintergrund hält es der Senat mit Blick auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO für geboten, die Regelung des § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV auch im Fall der mittelbaren Grundstücksschenkung anzuwenden (ebenso Schmidt/Kulosa, EStG, 35. Aufl., § 6 Rz 134; vgl. auch FG Düsseldorf, Urteil vom 13. November 2002 16 K 4405/98 E, Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 603, rechtskräftig betreffend eine Sachverhaltsgestaltung, in der dem Steuerpflichtigen lediglich ein Teil der Herstellungskosten für eine später vermietete Eigentumswohnung im Wege einer mittelbaren Grundstücksschenkung zugewendet worden ist).

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Mit dieser Rechtsauffassung setzt sich der erkennende Senat nicht in Widerspruch zum Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782. Der Große Senat des BFH hat in der genannten Entscheidung lediglich eine analoge Anwendung des § 11d EStDV auf die Fälle einer Überlassung von Wirtschaftsgütern zur Nutzung abgelehnt; dies schließt eine (unmittelbare) Anwendung der Vorschrift auf die Fälle der mittelbaren Grundstücksschenkung nicht aus. Zwar findet bei der mittelbaren Grundstücksschenkung eine direkte Übertragung des Eigentums am Grundstück vom Rechtsvorgänger auf den Rechtsnachfolger nicht statt; da das Steuerrecht jedoch maßgeblich auf den wirtschaftlichen Gehalt des zu Grunde liegenden Sachverhalts abstellt, trägt der Wortlaut des § 11d Abs. 1 Satz 1 EStDV auch eine Auslegung dahin, dass sich die AfA auch dann nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers bemessen, wenn lediglich unter Zugrundelegung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise davon auszugehen ist, dass eine Übertragung des Eigentums an dem Wirtschaftsgut vom Rechtsvorgänger auf den Rechtsnachfolger stattgefunden hat.

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3. Die Sache ist spruchreif. Die Klägerin kann die geltend gemachte AfA sowohl für das Gebäude als auch für das erworbene bewegliche Inventar im Rahmen ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten ansetzen. Die Höhe der AfA-Beträge ist zwischen den Beteiligten ebenso wenig streitig wie der Umstand, dass die Klägerin mit Einkunftserzielungsabsicht gehandelt hat.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.