Nachfolgend ein Beitrag vom 10.4.2017 von Prätzler, jurisPR-SteuerR 15/2017 Anm. 7

Leitsätze

1. Weist der leistende Unternehmer in einer Rechnung Umsatzsteuer offen aus, obwohl der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist, schuldet der leistende Unternehmer diese Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG (Anschluss an BFH, Urt. v. 19.11.2014 – V R 41/13 – BFHE 248, 406 = BFH/NV 2015, 634).
2. Eine in einer Abtretungsanzeige an das Finanzamt enthaltene Abtretungserklärung des leistenden Unternehmers ist als Berichtigung des Steuerbetrags i.S.d. § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG anzusehen, wenn diese dem Leistungsempfänger zugegangene Abtretungserklärung spezifisch und eindeutig auf eine (oder mehrere) ursprüngliche Rechnung(en) bezogen ist und aus ihr klar hervorgeht, dass der leistende Unternehmer über seine Leistungen – statt, wie bisher, unter Ansatz des ursprünglich ausgewiesenen Steuerbetrags – nunmehr nur noch ohne Umsatzsteuer abrechnen will.
3. Einer Rechnungsberichtigung i.S.d. § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG kommt keine Rückwirkung zu.

A. Problemstellung

Wenn ein Unternehmer in einer Rechnung zu hohe Umsatzsteuer ausweist und diese in Verkehr bringt, verwirklicht er regelmäßig den Tatbestand des § 14c Abs. 1 UStG und schuldet diese Umsatzsteuer bis zu einer wirksamen Berichtigung. Zu dieser Problematik liegen bereits zahlreiche höchstrichterliche Entscheidungen vor. Der BFH konnte abermals zu Einzelfragen Stellung nehmen und dabei auf aktuelle Rechtsprechung des EuGH eingehen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin, eine britische Unternehmerin, hatte in den Jahren 2007 bis 2009 im Inland Leistungen im Zusammenhang mit Messen erbracht und dabei Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis an eine Kundin, die Firma X., gestellt. Das Finanzamt stellte im Jahr 2011 fest, dass die entsprechenden Umsätze von der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (sog. Reverse Charge, § 13b Abs. 1 Nr. 1 UStG) erfasst wurden, so dass die Kundin X. der Steuerschuldner gewesen wäre. Die Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis wurden daher als Falschrechnungen nach § 14c Abs. 1 UStG bewertet, aus denen die Klägerin die Umsatzsteuer (zusätzlich) schuldete.
Daraufhin teilte die britische Unternehmerin dem Finanzamt im Jahr 2012 mit, sie habe die Rechnungen wirksam berichtigt und schulde die Umsatzsteuer somit nicht mehr. Das Finanzamt führte eine stichprobenhafte Prüfung aus und beanstandete u.a., seitens der Firma X. sei weder der Zugang der Rechnungsberichtigungen noch die Rückzahlung der Umsatzsteuer nachgewiesen, womit die Umsatzsteuerberichtigung nach § 14c Abs. 1 UStG i.V.m. § 17 UStG zu verwehren sei.
Im Rechtsbehelfsverfahren übersandte die Klägerin u.a. E-Mail-Verkehr mit der Firma X., um den Zugang der Rechnungskorrekturen zu belegen. Dem Finanzamt genügte dies nicht, da u.a. eine E-Mail aus dem Monat September 2012 davon sprach, X. habe keine berichtigten Rechnungen erhalten. Allerdings habe die Klägerin die Rückzahlung der Steuer durch Abtretungsanzeige aus November 2012 nachgewiesen.
Die britische Unternehmerin erhob Klage, die teilweise erfolgreich war (FG Hannover, Urt. v. 25.09.2014 – 5 K 99/13 – EFG 2015, 780). Nach Meinung des Finanzgerichts ist sowohl die Rechnungsberichtigung als auch die Steuerrückzahlung für sechs Belege in 2012 nachgewiesen worden, und zwar spätestens durch die Abtretungsanzeige. Hiergegen wandte sich das Finanzamt mit der Revision zum BFH. Dieser wies die Revision als unbegründet zurück. Er führte zur Begründung aus:
Die nicht im Inland ansässige oder niedergelassene Klägerin habe durch den Ausweis der Umsatzsteuer in den Rechnungen an die X. den Tatbestand des § 14c Abs. 1 UStG verwirklicht. Sie sei insoweit der Steuerschuldner. Dies habe der V. Senat bereits entsprechend entschieden (BFH, Urt. v. 19.11.2014 – V R 41/13 – BFHE 248, 406 = BFH/NV 2015, 634; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 13/2015 Anm. 5). Der erkennende Senat schließe sich dieser Auffassung an.
Die Unternehmerin habe die Rechnungen wie gefordert berichtigt. Diese Berichtigung müsse gegenüber dem Leistungsempfänger in hinreichend bestimmter Form erfolgen, wobei aber die Rückgabe der Ursprungsrechnung nicht erforderlich sei. Auch reiche es aus, wenn nur der Steuerbetrag berichtigt werde bzw. dessen Steuerausweis als nicht mehr wirksam bezeichnet werde (vgl. u.a. BFH, Urt. v. 10.12.1992 – V R 73/90 – BStBl II 1993, 383). Eine zusammenfassende Berichtigung mehrerer Belege in einer Korrekturmitteilung sei ebenfalls zulässig, sofern diese eindeutig auf die einzelnen Steuerbeträge und betroffenen Rechnungen verweise (BFH, Urt. v. 11.08.1994 – XI R 57/93 – BFH/NV 1995, 170).
Die Würdigung des Finanzgerichts, dass diesen Erfordernissen spätestens mit der Abtretungsanzeige genügt worden sei, treffe zu. Die Abtretungsanzeige stelle ein Dokument i.S.d. § 31 Abs. 5 UStDV dar, das aufgrund der Unterschrift der Geschäftsführerin eindeutig von der Klägerin stamme und für das durch die Unterschrift von X. ebenfalls der Zugang nachgewiesen sei. Weiterhin ergebe sich aus dem Dokument zweifelsfrei die Bereitschaft, die zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer zu erstatten, und der darin enthaltene Betrag sei identisch mit dem in zeitnahem E-Mail-Verkehr genannten Betrag und den darin ebenfalls benannten Rechnungen.
Die Rechnungsberichtigung könne trotz neuerer EuGH-Rechtsprechung zur Berichtigung von Rechnungen für Zwecke des Vorsteuerabzugs (EuGH, Urt. v. 15.09.2016 – C-518/14 – MwStR 2016, 792 = UR 2016, 800 „Senatex“, Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 49/2016 Anm. 5) keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Rechnungsausstellung entfalten. § 14c Abs. 1 UStG habe ebenso wie Art. 203 MwStSystRL den Normzweck, einer Gefährdung des Steueraufkommens durch einen unzutreffenden Steuerausweis in Rechnungen entgegenzuwirken, und eine rückwirkende Korrekturmöglichkeit stehe dem entgegen.
Der BFH entscheidet allerdings nicht zu der Frage, ob eine Rückzahlung der Umsatzsteuer notwendige Bedingung für die Steuerberichtigung nach § 14c Abs. 1 UStG i.v.m. § 17 Abs. 1 UStG ist, wie durch das Finanzgericht erörtert und vom Finanzamt vorgebracht. Dies sei für den Streitfall nicht erheblich, denn die Rückzahlung sei jedenfalls durch Abtretung und Verrechnung im Streitjahr erfolgt.

C. Kontext der Entscheidung

I. Leider bleibt die Frage offen, ob eine Berichtigung der Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG die Rückzahlung dieser Steuer an den Leistungsempfänger voraussetzt. Dies verlangt die Finanzverwaltung seit Ergehen eines – missverständlich formulierten – BMF-Schreibens vom 07.10.2015 (BStBl I 2015, 782) und dessen Einarbeitung in Abschn. 14c.1 Abs. 5 UStAE. Sie stützt sich dabei auf die Auslegung des § 17 UStG durch den BFH, dass die Minderung einer Ausgangsumsatzsteuer auf ein bereits erhaltenes Entgelt dessen Rückzahlung erfordert (basiert auf BFH, Urt. v. 18.09.2008 – V R 56/06 – BStBl II 2009, 250; EuGH, Urt. v. 29.05.2001 – C-86/99 – Slg. I 2001, 4167 = BFH/NV 2001, Beilage 3, 185 „Freemans“).
II. Zumindest ein aktuelles finanzgerichtliches Urteil hat diese Auffassung verworfen (FG Münster, Urt. v. 13.09.2016 – 5 K 412/13 U – EFG 2017, 72, Revision anhängig unter XI R 28/16). Gegebenenfalls kann der BFH im anhängigen Revisionsverfahren die Rechtsfrage abschließend klären. Zumindest der V. Senat hat in älterer – allerdings vor der „Freemans“-Entscheidung ergangener – Rechtsprechung kein Rückzahlungserfordernis gesehen (BFH, Urt. v. 19.09.1996 – V R 41/94 – BStBl II 1999, 249).
Der EuGH hat im Übrigen zwar in der „Stadeco“-Entscheidung eine entsprechende niederländische Regelung für grundsätzlich unionsrechtskonform erklärt (vgl. EuGH, Urt. v. 18.06.2009 – C-566/07 – Slg. 2009, I-5295 „Stadeco“), doch wäre hier bereits die Frage zu entscheiden, ob der bloße Verweis des § 14c Abs. 1 UStG auf § 17 UStG tatsächlich ein Rückzahlungserfordernis begründen kann. Grundsätzlich sprechen wohl starke Argumente gegen die Verwaltungsmeinung, mit Ausnahme jener Fälle, in denen der Vorgang steuerpflichtig war, jedoch mit einem zu hohen Steuersatz abgerechnet und entsprechend bezahlt wurde. In derartigen Konstellationen schuldet der Rechnungsaussteller und Leistende ganz unstreitig weiter die aus dem vereinnahmten Entgelt herausgerechnete – d.h. überhöhte – Umsatzsteuer, wenn er nicht erstattet, doch ergibt sich dies nicht aus „Freemans“, sondern aus dem umsatzsteuerlichen Entgeltbegriff (ebenso BFH, Urt. v. 19.07.2007 – V R 11/05 – BFHE 219, 220 = BStBl II 2007, 966, für sog. Doppelzahlungen).
III. Ergänzend sei darauf aufmerksam gemacht, dass ein ausländischer Unternehmer, dessen Umsätze eigentlich unter die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers fallen (§ 13b UStG), in das Veranlagungsverfahren überführt wird, wenn er Falschrechnungen i.S.d. § 14c UStG in Verkehr bringt (vgl. BFH, Urt. v. 19.11.2014 – V R 41/13 – BFHE 248, 406) und dann Vorsteuerbeträge nicht mehr im Vergütungsverfahren nach § 18 Abs. 9 UStG, sondern im Veranlagungsverfahren geltend zu machen hat, und zwar für das gesamte Kalenderjahr. Der BFH hat allerdings im zitierten Urteil einen Hinweis gemacht, dass dies ggf. bei „Missbrauch durch bewusste falsche Rechnungsstellung“ anders sein könnte. In der Tat wäre es nicht überzeugend, wenn z.B. ein Unternehmer aus einem Staat mit fehlender Gegenseitigkeit für das Vergütungsverfahren durch bewusstes Nutzen der Sanktionsnorm des § 14c UStG ein ihm eigentlich nicht zustehendes Vorsteuerabzugsrecht herbeiführen könnte.

D. Auswirkungen für die Praxis

Das Urteil zeigt eine weiterhin grundsätzlich großzügige Auffassung des BFH zu der Frage, in welcher Form eine Falschrechnung i.S.d. § 14c Abs. 1 UStG berichtigt werden kann. Bis zu einer Klärung der Rechtsfrage, ob eine Rückzahlung vereinnahmter Steuerbeträge notwendig ist, bleibt jedoch erhebliche Rechtsunsicherheit.
Auch ist festzuhalten, dass Unternehmer die Rechnungsberichtigung ihren Kunden mitteilen müssen. In der Praxis kann dies die Korrektur von Kleinbetragsrechnungen faktisch unmöglich machen. Allerdings hat der BFH in einer weiteren Entscheidung aus 2016 (BFH, Urt. v. 21.09.2016 – XI R 4/15 – BFHE 255, 340 = BFH/NV 2017, 397; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 6/2017 Anm. 6) zu verstehen gegeben, dass er bereit war, eindeutig nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Rechnungsempfänger (u.a. Privatpersonen) aus der Steuerschuld nach § 14c UStG auszusondern.
Nichtsdestotrotz sollte die Rechnungstellung mit Umsatzsteuerausweis nur nach Würdigung der jeweiligen Transaktion erfolgen. Der Ansatz, im Zweifel mit Umsatzsteuer abzurechnen, ist nicht ratsam, zumal der Leistungsempfänger aus §14c-Rechnungen kein Vorsteuerabzugsrecht besitzt.