Nachfolgend ein Beitrag vom 2.5.2016 von Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 18/2016 Anm. 1

Leitsatz

Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setzt voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird.

Orientierungssatz zur Anmerkung

Der Große Senat hatte über die Auslegung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG zu entscheiden. Danach dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung den Gewinn nicht mindern. Das gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 Euro begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG).

A. Problemstellung

Streitig war die Abziehbarkeit anteiliger Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer, das nur zeitanteilig zur Einkünfteerzielung genutzt wird. Wird ein Arbeitszimmer zeitanteilig auch für private Zwecke genutzt, läge es nach Wegfall des sog. Aufteilungs- und Abzugsverbots (vgl. BFH, Großer Senat, Beschl. v. 21.09.2009 – GrS 1/06 – BStBl II 2010, 672) nahe, dass es auch anteilig im sachlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stünde. In diesem Sinne hat sich auch der IX. Senat des BFH (Beschl. v. 21.11.2013 – IX R 23/12 – BStBl II 2014, 312; dazu Schallmoser, jM 2014, 165) geäußert, mit dem er dem Großen Senat des BFH folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt hat:
„1. Setzt der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers voraus, dass der jeweilige Raum (nahezu) ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird?
2. Sind die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer entsprechend den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 21.09.2009 (GrS 1/06 – BStBl II 2010, 672) aufzuteilen?“

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger erklärte für das Streitjahr 2006 aus der Vermietung mehrerer Objekte Mieteinnahmen in Höhe von insgesamt 94.047 Euro und Werbungskosten in Höhe von insgesamt 99.852 Euro. Mit seinem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 machte der Kläger erstmals für ein häusliches Arbeitszimmer in dem von ihm bewohnten Einfamilienhaus Aufwendungen in Höhe von 804 Euro bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend, weil das Zimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit bilde. Unstreitig machte der berufliche Nutzungsanteil des wie ein typisches Büro eingerichteten Raumes 60% aus (zum Ausgangsfall und der Entscheidung des Finanzgerichts vgl. Schallmoser, jM 2014, 165). Nach einer Ablehnung des Finanzamts und einer weitgehenden Klagestattgabe seitens des FG Hannover (Urt. v. 24.04.2012 – 8 K 254/11 – EFG 2012, 2100) führte die Revision des Finanzamts zur Vorlage an den Großen Senat des BFH.
Im Vorlagebeschluss vertrat der IX. Senat des BFH die Auffassung, dass der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers keine (nahezu) ausschließliche betriebliche/berufliche Nutzung voraussetze. Die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer seien aufzuteilen. Die Verwendung der eigenen Wohnung für betrieblich/berufliche Zwecke führe zu gemischten Aufwendungen, für die nach der früheren Rechtsprechung das Aufteilungs- und Abzugsverbot nur dann nicht gegolten habe, wenn das Wohnen von untergeordneter Bedeutung gewesen sei, d.h. die Aufwendungen ausnahmsweise nahezu ausschließlich beruflich veranlasst gewesen seien. Die Aufgabe des Aufteilungs- und Abzugsverbots durch den Großen Senat des BFH (Beschl. v. 21.09.2009 – GrS 1/06 – BStBl II 2010, 672) wirke sich (auch) auf die Auslegung und Anwendung des Arbeitszimmerbegriffs aus.
Dem Gesetzeswortlaut sei eine Einschränkung auf eine (nahezu) ausschließliche betriebliche/berufliche Nutzung nicht zu entnehmen. Weiter fehle es nach dem Wegfall des Aufteilungs- und Abzugsverbots für die Einschränkung auf (nahezu) ausschließlich genutzte Räume an systematischen Gründen. Auch die Auslegung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG als lex specialis ergebe nicht, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht aufzuteilen seien. Vielmehr setze die Abzugsbeschränkung das Vorliegen nach allgemeinen Grundsätzen abziehbarer Aufwendungen voraus und begrenze deren Abzug typisierend im Hinblick auf die allgemeine Einbindung des Arbeitszimmers in den privaten Wohnbereich.
Der Große Senat hat anders entschieden. Aufwendungen für einen in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebundenen Raum, der sowohl zur Erzielung von Einkünften als auch in mehr als nur untergeordnetem Umfang zu privaten Zwecken genutzt wird, sind insgesamt nicht abziehbar.
I. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG enthält ein Abzugsverbot für bestimmte Betriebsausgaben. Selbst wenn die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ausschließlich oder nahezu ausschließlich betrieblich veranlasst sind, sind sie grundsätzlich nicht abziehbar; gleiches gilt für Werbungskosten (§§ 9 Abs. 5 i.V.m. 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG). Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass eine Nachprüfung der Nutzung durch die Finanzbehörden wegen des engen Zusammenhangs zur Sphäre der privaten Lebensführung und des Schutzes durch Art. 13 GG wesentlich eingeschränkt oder gar unmöglich sei. Nur wenn kein anderer Arbeitsplatz für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit zur Verfügung steht oder das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet, ist ein Abzug in Höhe bis zu 1.250 Euro bzw. im zuletzt genannten Fall in tatsächlicher Höhe möglich. Der Steuerpflichtige ist in diesen Fällen auf einen häuslichen Arbeitsplatz angewiesen, weshalb das Gesetz typisierend davon ausgeht, dass Aufwendungen hierfür (nahezu) ausschließlich betrieblich/beruflich veranlasst sind, obwohl auch in diesen Fällen eine private Nutzung des Raums nicht überprüft und damit nicht ausgeschlossen werden kann.
II. Häusliches Arbeitszimmer i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG ist ein Raum, der seiner Ausstattung nach der Erzielung von Einnahmen dient und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt wird. Ein häusliches Arbeitszimmer ist seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden und dient vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder -organisatorischer Arbeiten. Ein solcher Raum ist typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück sei.
Aufwendungen für Räume innerhalb des privaten Wohnbereichs des Steuerpflichtigen, die nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entsprechen, können gleichwohl unbeschränkt als Betriebsausgaben/Werbungskosten gemäß den §§ 4 Abs. 4 oder 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar sein, wenn sie betrieblich/beruflich genutzt werden und sich der betriebliche/berufliche Charakter des Raums und dessen Nutzung anhand objektiver Kriterien feststellen lassen. So sind etwa die Aufwendungen für eine Notarztpraxis, ein häusliches Tonstudio oder ein Warenlager voll abziehbar. Der für die Abzugsbeschränkung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG maßgebliche Grund der nicht auszuschließenden privaten Mitbenutzung gilt für diese Räume nicht. Denn bereits aus ihrer Ausstattung (z.B. als Werkstatt) und/oder wegen ihrer Zugänglichkeit durch dritte Personen lässt sich eine private Mitbenutzung ausschließen.
Entspricht ein Raum nach seinem äußeren Bild durch seine Einrichtung mit Büromöbeln dem Typus des Arbeitszimmers, muss er überdies (nahezu) ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt werden. Dies legt nach Auffassung des Großen Senats bereits der Gesetzeswortlaut nahe. Weiter verweist der Große Senat auf die Gesetzeshistorie (BT-Drs. 13/1686, 16; BR-Drs. 171/2/95, 36) und argumentiert, der Gesetzgeber habe erkennbar an den überkommenden Typusbegriff des Arbeitszimmers angeknüpft, der neben einer büromäßigen Ausstattung auch eine ausschließliche oder nahezu ausschließliche Nutzung für betriebliche oder berufliche Zwecke verlangte.
Der Große Senat konstatiert zugleich: „Ob sich durch den Beschluss des GrS des BFH in BStBl II 2010, 672 an diesem Erfordernis etwas geändert hat, war bislang nicht Gegenstand einer BFH-Entscheidung.“
Gleichwohl meint er, wenn der Gesetzgeber den in ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung geprägten Begriff des häuslichen Arbeitszimmers in ein Gesetz einfüge, sei davon auszugehen, dass er ihn auch entsprechend dieser Prägung verwende und im Gesetz – ungeachtet der weiteren Entwicklung der Rechtsprechung in diesem Punkt – festschreiben wolle. Will heißen: Auch wenn sich die Rechtsprechung „in diesem Punkt“ – gemeint ist die Abziehbarkeit gemischter Aufwendungen – grundsätzlich ändert, tut sie dies gerade beim Arbeitszimmer nicht, auch wenn der traditionelle Arbeitszimmerbegriff an das Aufteilungs- und Abzugsverbot geknüpft war.
Folgender Aspekt scheint den Großen Senat geleitet zu haben: Aufwendungen für ein Arbeitszimmer seien vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen, um zu „einer sachgerechten Abgrenzung des beruflichen und des privaten Bereichs des Steuerpflichtigen“ zu gelangen, „Gestaltungsmöglichkeiten zu unterbinden und den Verwaltungsvollzug zu erleichtern“ (BR-Drs. 171/2/95, 36). Diese Ziele würden verfehlt, wären Aufwendungen für als Arbeitszimmer ausgestattete Räume in betrieblich oder beruflich veranlasste Aufwendungen einerseits und privat veranlasste Kosten andererseits aufzuteilen. Der Umfang der jeweiligen Nutzung lasse sich objektiv nicht überprüfen. Auch ein „Nutzungszeitenbuch“ sei kein geeignetes Mittel, die jeweiligen Nutzungszeiten nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Die darin enthaltenen Angaben besäßen keinen über die darin liegende Behauptung des Steuerpflichtigen hinausgehenden Beweiswert und seien regelmäßig – anders als etwa Fahrtenbücher – nicht anhand eines Abgleichs mit anderen Informationen überprüfbar. Ebenso mangele es an hinreichenden Maßstäben, anhand derer die jeweiligen Anteile geschätzt werden könnten.
Auch der mit der Regelung verfolgte Vereinfachungszweck würde in sein Gegenteil verkehrt, müsste man die vom Steuerpflichtigen geltend gemachten jeweiligen zeitlichen Nutzungsanteile, soweit überhaupt möglich, im Einzelnen auf ihre Plausibilität überprüfen.
Aber selbst wenn Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nach allgemeinen Grundsätzen – soweit betrieblich oder beruflich genutzt – anteilig als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar wären, schließe die Spezialregelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG den Abzug aus.

C. Kontext der Entscheidung

Der Große Senat hatte über die Auslegung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG zu entscheiden. Danach dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung den Gewinn nicht mindern. Das gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 Euro begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG).
Unter Geltung des Aufteilungs- und Abzugsverbots wurde der Begriff des Arbeitszimmers dahingehend ausgelegt, dass er neben einer büromäßigen Ausstattung auch eine ausschließliche oder nahezu ausschließliche Nutzung für betriebliche oder berufliche Zwecke verlangte (vgl. BFH, Urt. v. 06.02.1992 – IV R 85/90 – BStBl II 1992, 528; BFH, Urt. v. 18.10.1983 – VI R 180/82 – BStBl II 1984, 110; Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn. Lb 1 ff.; Völlmeke, DB 1995, 1354). Auch nach Einführung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG änderte sich diese Rechtsprechung nicht. Die begrenzte oder die volle Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein Arbeitszimmer als Betriebsausgaben oder Werbungskosten setzte nach wie vor voraus, dass das Arbeitszimmer (nahezu) ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wurde (BFH, Urt. v. 29.11.2006 – VI R 3/04 – BStBl II 2007, 308; Anm. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 6/2007 Anm. 3; BFH, Beschl. v. 13.11.2007 – VI B 100/07 – BFH/NV 2008, 219; BFH, Beschl. v. 19.07.2005 – VI B 175/04 – BFH/NV 2005, 2000; BFH, Beschl. v. 04.05.2005 – VI B 35/04 – BFH/NV 2005, 1549).

D. Auswirkungen für die Praxis

Der Große Senat beantwortete die ihm vorgelegten Rechtsfragen dahingehend, dass der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers voraussetzt, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird. Damit ist die Diskussion um die Abziehbarkeit anteiliger Arbeitszimmerkosten beendet. Es gilt folgendes:
Ein häusliches Arbeitszimmer setzt neben einem büromäßig eingerichteten Raum voraus, dass es ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche oder berufliche Zwecke genutzt wird. Fehlt es hieran, sind die Aufwendungen hierfür insgesamt nicht abziehbar. Damit scheidet eine Aufteilung und anteilige Berücksichtigung im Umfang der betrieblichen oder beruflichen Verwendung aus. Diese Grundsatzentscheidung des Großen Senats des BFH betrifft die durch das Jahressteuergesetz 1996 eingeführte Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer, wonach in der aktuellen Fassung Aufwendungen hierfür nur unter der Voraussetzung abziehbar sind, dass für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Die Höhe der abziehbaren Aufwendungen ist dabei grundsätzlich auf 1.250 Euro begrenzt; ein weitergehender Abzug ist nur möglich, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG).