Nachfolgend ein Beitrag vom 9.1.2017 von Loose, jurisPR-SteuerR 2/2017 Anm. 5

Leitsätze

1. Die vom Erwerber in den USA auf eine Versicherungsleistung gezahlte Quellensteuer („Federal Income Tax Withheld“) ist weder nach § 21 ErbStG noch nach den Vorschriften des DBA USA-Erb auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen.
2. Von der Versicherungssumme ist die einbehaltene Quellensteuer als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen, wenn die Quellensteuer deshalb erhoben wird, weil in der Versicherungssumme unversteuerte Einnahmen des Erblassers enthalten sind.
3. Vom Erblasser herrührende Schulden können auch bei Erwerbern, die nicht Erben sind, als Nachlassverbindlichkeiten vom Erwerb abziehbar sein.

A. Problemstellung

Streitig war die Berücksichtigung einer in den USA gezahlten Quellensteuer auf Versicherungsleistungen bei der Erbschaftsteuer.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der im Inland lebende Kläger wurde von dem in den USA lebenden und dort auch verstorbenen Erblasser als Begünstigter aus einer vom Erblasser in den USA abgeschlossenen Lebensversicherung („Thrift Savings Plan“) benannt. Nach dem Tod des Erblassers erhielt der Kläger die Versicherungssumme in Höhe von 462.724,36 US-Dollar (= 299.342,87 Euro) abzüglich einbehaltener Quellensteuer („Federal Income Tax Withheld“) in Höhe von 10% (= 46.272,44 US-Dollar). Nach den Feststellungen des Finanzgerichts beruhte der Abzug der pauschalen Quellensteuer darauf, dass in der Versicherungssumme bis dato unversteuert gebliebene Einnahmen des Erblassers enthalten waren. Der Erblasser habe zum einen die Prämienzahlungen aus unversteuerten Einkünften erbracht und zum anderen während der Laufzeit erzielte Kapitaleinkünfte nicht versteuert. Am Todesstichtag betrug der Wert der Versicherungsleistung umgerechnet 299.342,87 Euro und der Wert der amerikanischen Quellensteuer dementsprechend 29.934,29 Euro.
Der Kläger begehrte den Abzug der ausländischen Steuer von der inländischen Erbschaftsteuer nach § 21 ErbStG. Das Finanzamt folgte dem nicht und setzte die Erbschaftsteuer ausgehend von einem Wert des Erwerbs von 299.342,87 Euro und unter Abzug eines persönlichen Freibetrags in Höhe von 5.200 Euro fest. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Die Revision war hingegen begründet. Sie führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids.
Nach Ansicht des BFH hat das Finanzgericht zwar zutreffend entschieden, dass die einbehaltene Quellensteuer weder nach § 21 ErbStG noch nach dem DBA USA-Erb auf die inländische Erbschaftsteuer angerechnet werden kann. Entgegen der Ansicht des Finanzgerichts sei die einbehaltene Quellensteuer aber als Nachlassverbindlichkeit abzuziehen. Die Belastung der Versicherungsleistung mit Quellensteuer habe nach den Feststellungen des Finanzgerichts darauf beruht, dass in der Versicherungssumme unversteuerte Einnahmen des Erblassers in Form von Prämienzahlungen sowie bislang unversteuert gebliebene Erträge aus dem eingezahlten Kapital enthalten seien. Die Prämienzahlungen seien während der Ansparphase aus unversteuerten Einkünften des Erblassers geleistet worden. Auch die von der Versicherung mit dem angesparten Kapital erwirtschafteten Erträge hätten beim Erblasser nicht der Einkommensteuer unterlegen. Im Ergebnis habe also durch die 10%ige pauschale Quellensteuer die bis zur Auszahlung unterbliebene Besteuerung beim Einzahler (Erblasser) teilweise kompensiert werden sollen. Damit habe der eigentliche Grund für die Besteuerung in Steuertatbeständen gelegen, die der Einzahler (Erblasser) bereits verwirklicht hatte, deren Besteuerung jedoch bis zur Auszahlung der Versicherungssumme aufgeschoben sei.

C. Kontext der Entscheidung

I. Nach § 21 ErbStG kann die in einem ausländischen Staat auf das Auslandsvermögen entfallende, festgesetzte und gezahlte Steuer auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet werden, wenn das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt. Die ausländische Steuer ist nur anrechenbar, wenn sie der deutschen Erbschaftsteuer entspricht. Dazu muss durch sie der Wert des Nachlassvermögens im Sinn einer auf der Nachlassmasse als solcher liegenden Nachlasssteuer oder der Erbanfall, also die Bereicherung beim einzelnen Erben, erfasst werden (BFH, Urt. v. 26.04.1995 – II R 13/92 – BStBl II 1995, 540). Die US-amerikanische Erbschaftsteuer ist als Nachlasssteuer konzipiert. Besteuert wird nicht der Erwerbsvorgang, sondern der Nachlass, unabhängig davon, wie viele Erben daran teilhaben und in welchem verwandtschaftlichen Verhältnis die Erben zum Erblasser stehen. Steuerschuldner ist der im US-amerikanischen Erbrecht obligatorisch vorgesehene Nachlassverwalter und nicht der Erbe (vgl. Wilms, Grundzüge des US-amerikanischen Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts, UVR 2001, 345 ff., 385 ff.). Die „Federal Income Tax Withheld“ wird im Gegensatz dazu unabhängig von einem Erbanfall oder einer Bereicherung des Berechtigten allein durch die Auszahlung der Versicherungssumme ausgelöst. Besteuerungsgegenstand der „Federal Income Tax Withheld“ ist nicht das Nachlassvermögen als Ganzes oder die Bereicherung des einzelnen Erben, sondern ausschließlich die ausgezahlte Versicherungssumme. Wäre die Auszahlung der Versicherungsleistung aus dem „Thrift Savings Plan“ noch zu Lebzeiten des Versicherungsnehmers erfolgt, hätte dieser als Steuerschuldner die „Federal Income Tax Withheld“ ebenfalls entrichten müssen. Folglich konnte die Quellensteuer auch nicht nach § 21 ErbStG auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet werden. Aus denselben Gründen war die Quellensteuer auch nicht nach dem DBA USA-Erb anzurechnen, denn Gegenstand dieses Abkommens sind nach Art. 2 Abs. 1 lit. a DBA USA-Erb nur die Bundeserbschaftsteuer („Federal Estate Tax“) und nach Art. 11 Abs. 4 DBA USA-Erb die Landeserbschaftsteuer („Inheritance Tax“), nicht jedoch die „Federal Income Tax Withheld“.
II. Anders als das Finanzgericht vertrat der BFH die Ansicht, dass die einbehaltene Quellensteuer als vom Erblasser herrührende Schuld nach § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzuziehen ist. Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG setzt voraus, dass Schulden vom Erblasser „herrühren“. Bereits zuvor hatte der BFH im Anschluss an den BGH entschieden, dass sich aus dem Begriff „herrühren“ ableiten lässt, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein müssen (vgl. BGH, Urt. v. 07.06.1991 – V ZR 214/89 – NJW 1991, 2558; BFH, Urt. v. 04.07.2012 – II R 15/11 – BStBl II 2012, 790; Spanke, jurisPR-SteuerR 43/2012 Anm. 3). Erblasserschulden i.S.d. § 1967 Abs. 2 BGB und damit auch i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind danach auch die erst in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten, die als solche schon dem Erblasser entstanden wären, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung nötigen weiteren Voraussetzung verstorben wäre (BGH, Urt. v. 07.06.1991 – V ZR 214/89 – NJW 1991, 2558; BFH, Urt. v. 04.07.2012 – II R 15/11 – BStBl II 2012, 790 Rn. 14).
III. Im Streitfall hatte der Kläger beim Tod des Erblassers eine Lebensversicherung ausbezahlt bekommen. Dieser Erwerbsvorgang ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerbar. Ob der Kläger zugleich Erbe des Erblassers geworden war, war vom Finanzgericht nicht festgestellt. Der BFH hat klargestellt, dass es für den Abzug von Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG nicht darauf ankommt, ob der Erwerber Erbe geworden ist, auch wenn es in den meisten Fällen so sein wird. Vom Erblasser herrührende Schulden können auch bei Erwerbern, die keine Erben sind, Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sein. Dies folgt aus § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG, der den Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nicht auf bestimmte Erwerbsvorgänge des § 3 ErbStG beschränkt. Der BFH hat sich mit dieser Aussage klar von einer früheren, allerdings nur im NZB-Verfahren ergangenen Entscheidung abgegrenzt, wonach ein Erwerb nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG durch eine Person, die nicht Erbe geworden ist, nicht um Erblasserschulden i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG gemindert werden könne (vgl. dazu BFH, Beschl. v. 17.05.2000 – II B 72/99 – BFH/NV 2001, 39).
IV. Nachdem diese Vorfragen geklärt waren, war zu entscheiden, ob die in den USA einbehaltene Quellensteuer eine vom Erblasser herrührende Verbindlichkeit ist. Der BFH hat das im Streitfall bejaht. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts wurde die Quellensteuer nur deshalb erhoben, weil in der Versicherungssumme unversteuerte Einnahmen des Erblassers enthalten waren. Insoweit gilt nichts anderes als beim Abzug von – nach dem Tod des Erblassers gegen den Erben festgesetzten – Steuerschulden des Erblassers. Die bei Auszahlung einbehaltene Quellensteuer wirkt wie eine nachgelagerte Besteuerung des Erblassers und gehört zu den vom Erblasser herrührenden Schulden.
V. Die Entscheidung steht nicht im Widerspruch zu der BFH-Entscheidung zur Berücksichtigung latenter Einkommensteuern des Erblassers bei der Erbschaftsteuer (BFH, Urt. v. 17.02.2010 – II R 23/09 – BStBl II 2010, 641). Danach ist die beim Erbfall (latent) auf einer Zinsforderung ruhende Einkommensteuerlast des Erben weder bei der Bewertung noch als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen, wenn der Erblasser zu seinen Lebzeiten eine Ursache für diese Einkünfte gesetzt hat. Die Belastung mit Einkommensteuer beruht in diesen Fällen jedoch darauf, dass sowohl der Erblasser vor seinem Tod als auch der Erbe für den Zeitraum danach Zinserträge erzielt haben, die erst mit der Auszahlung an den Erben der Besteuerung unterliegen. Die endgültige Einkommensteuerschuld bemisst sich dabei nach den persönlichen Verhältnissen und den sonstigen Einkünften des steuerpflichtigen Erben. Nur dann ist es aus Vereinfachungsgründen gerechtfertigt, bei der Bemessung der Erbschaftsteuer die zum Todeszeitpunkt noch nicht fälligen Zinsansprüche mit ihrem Nennwert, mithin ohne Berücksichtigung ihrer späteren Belastung durch Einkommensteuer anzusetzen (BVerfG, Beschl. v. 07.04.2015 – 1 BvR 1432/10 – HFR 2015, 695 = ZEV 2015, 426, eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG durch kumulative Belastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer bei der Vererbung von Zinsansprüchen). Die hier streitige Quellensteuer wurde in Höhe von 10% pauschal auf die Versicherungssumme im Zeitpunkt des Todes erhoben. Sie erfasst bislang unversteuerte Einzahlungen und Erträge aus dem eingezahlten Kapital und berücksichtigt weder persönliche Verhältnisse des Erblassers noch solche des Berechtigten.

D. Auswirkungen für die Praxis

Während des Streits um die Neuordnung des ErbStG nach der Entscheidung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit sind viele Fragen in den Hintergrund gedrängt worden, insbesondere die nach dem Verhältnis zwischen der Erbschaftsteuer und der festgesetzten, noch festzusetzenden oder latenten Einkommensteuer des Erblassers. Der Streitfall ist deshalb von großer praktischer Bedeutung, weil er eine Einkommensteuer des Erblassers betrifft, die erst nach seinem Tod von dem Nutznießer der Lebensversicherung mittels Abzug an der Quelle zu besteuern war. Die zentralen Aussagen der Entscheidung gelten auch dann, wenn es nach deutschem Einkommensteuerrecht zu einer solchen „nachgelagerten“ Besteuerung wie im Streitfall kommt. Entscheidend für den Abzug als Nachlassverbindlichkeit ist stets, ob die Einkommensteuerschuld allein vom Erblasser herrührt. Beruht sie darauf, dass auch der Erbe den Einkommensteuertatbestand erfüllt hat, oder hängt die Höhe der Einkommensteuer von den persönlichen Verhältnissen des Erben ab, dürfte die später festgesetzte oder einbehaltene Einkommensteuer nicht vom Erblasser herrühren.