Nachfolgend ein Beitrag vom 23.1.2017 von Loose, jurisPR-SteuerR 4/2017 Anm. 6

Leitsätze

1. Für die Bestands- und Wertermittlung des Betriebsvermögens für Zwecke der Erbschaftsteuer sind bis zum 31.12.2008 die Steuerbilanzwerte maßgebend, die unter Zugrundelegung der ertragsteuerrechtlichen Bilanzierungs- und Gewinnermittlungsvorschriften zutreffend sind.
2. Erwirbt der Erbe eine Kommanditbeteiligung des Erblassers, ist eine zum Sonderbetriebsvermögen des Erblassers gehörende Forderung gegenüber der Gesellschaft im Falle des Fortbestehens der Gesellschaft grundsätzlich mit dem Nennwert der Besteuerung zugrunde zu legen, selbst wenn die Forderung zum Zeitpunkt des Ablebens des Erblassers wertlos ist.
3. Die Forderung ist nicht anzusetzen, wenn die ihr gegenüberstehende Verbindlichkeit der Gesellschaft wegen einer vom Erblasser geschlossenen qualifizierten Rangrücktrittsvereinbarung nicht zu bilanzieren ist.

A. Problemstellung

Streitig war die Bewertung einer Gesellschafterforderung für Zwecke der Erbschaftsteuer nach Maßgabe des ErbStG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung bei bestehender Rangrücktrittsvereinbarung.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin war die Alleinerbin ihres im Mai 2002 verstorbenen Ehemanns. Dieser war bis zu seinem Tod mit einer Einlage von 49% des Kapitals Kommanditist einer GmbH & Co. KG (KG). Die KG hatte in der Bilanz zum 31.12.2001 eine gegen den verstorbenen Ehemann der Klägerin bestehende Verbindlichkeit von 2.528.942 Euro passiviert. In der Sonderbilanz wurde eine entsprechende Forderung des verstorbenen Ehemanns der Klägerin gegen die KG ausgewiesen. Der verstorbene Ehemann der Klägerin hatte im November 2001 mit der KG vereinbart, dass er mit seiner Forderung im Rang hinter alle übrigen Gläubiger der Gesellschaft zurücktrete, und sich verpflichtet, seine Forderung nur geltend zu machen, wenn sie aus künftigem Nettovermögen (Jahresüberschüsse oder sonstiges die Schulden übersteigendes Vermögen) befriedigt werden könne. Dies blieb bei der Bilanzierung unberücksichtigt.
Das beklagte Finanzamt berücksichtigte den Kommanditanteil bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer gegen die Klägerin in der Einspruchsentscheidung mit einem Wert von 2.270.962 Euro. Dabei setzte es die Forderung des verstorbenen Ehemannes gegen die KG in voller Höhe sowohl als Verbindlichkeit der KG als auch als Forderung gegen die KG an. Bei der Berechnung des nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ErbStG abziehbaren fiktiven Anspruchs auf Zugewinnausgleich legte das Finanzamt ebenfalls diesen Wert zugrunde. Dem Begehren der Klägerin, die Forderung ihres verstorbenen Ehemanns gegen die KG lediglich mit dem von ihr angenommenen tatsächlichen Wert von 750.000 Euro anzusetzen, folgte es nicht. Das Finanzgericht wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage als unbegründet zurück.
Der BFH hat die Entscheidung bestätigt. Seiner Ansicht nach hat das Finanzgericht zu Recht angenommen, dass die Forderung gegen die KG und die entsprechende Verbindlichkeit der KG jeweils mit dem Nominalwert anzusetzen sind. Die (etwaige) Minderung des Werts der Forderung könne nach dem Grundsatz der korrespondierenden Bilanzierung nicht berücksichtigt werden. Der Wert des Kommanditanteils sei auch nicht in der Weise zu ändern, dass weder die Forderung des verstorbenen Ehemanns der Klägern in dessen Sonderbilanz noch die entsprechende Verbindlichkeit bei der KG erfasst werde. Die Rangrücktrittsvereinbarung erfülle nicht die Anforderungen des § 5 Abs. 2a EStG. Es handele sich nicht um einen zur Anwendung dieser Vorschrift führenden „qualifizierten“ (spezifizierten) Rangrücktritt. Aus ihr könne nicht gefolgert werden, dass die KG die Forderung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erfüllen musste. Nach der Vereinbarung sei die Forderung nicht nur aus künftigen Einnahmen oder Gewinnen der KG oder einem etwaigen Liquidationserlös, sondern auch aus sonstigem die Schulden übersteigenden Vermögen zu tilgen.

C. Kontext der Entscheidung

I. Die Entscheidung ist zum alten Erbschaftsteuerrecht ergangen, das bis einschließlich 2008 galt. Mittlerweile hat das ErbStG zum 01.01.2009 und zum 01.07.2016 jeweils aufgrund der Vorgaben durch das BVerfG Änderungen erfahren. Bis einschließlich 2008 war die Erbschaftsteuer von unterschiedlichen Wertansätzen für die verschiedenen Vermögensarten geprägt. Für das Betriebsvermögen war nach § 12 Abs. 5 Satz 1 ErbStG a.F. i.V. mit § 109 Abs. 1 BewG a.F. bei bilanzierenden Steuerpflichtigen die zu dem Gewerbebetrieb gehörenden Wirtschaftsgüter mit den Steuerbilanzwerten anzusetzen. Das Betriebsvermögen umfasste nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BewG a.F. alle Teile eines Gewerbebetriebs i.S.d. § 15 Abs. 1 und 2 EStG, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören. Damit hatte der Gesetzgeber klargestellt, dass sich der Umfang des Betriebsvermögens weitgehend danach richtet, was ertragsteuerrechtlich dem Betriebsvermögen zugerechnet wird (BFH, Urt. v. 17.04.2013 – II R 12/11 – BStBl II 2013, 740 Rn. 12 m. Anm. Dötsch, jurisPR-SteuerR 35/2013 Anm. 5). Diese Regelung führte in den allermeisten Fällen dazu, dass der Wert des Betriebsvermögens bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer deutlich niedriger angesetzt wurde, als er tatsächlich war. Die Steuerbilanzwerte haben in aller Regel die tatsächlichen Werte – zugunsten des Erwerbers – nicht realitätsgerecht abgebildet. Dass dies auch einmal anders sein könnte, zeigt der Streitfall.
II. Für die Bestands- und Wertermittlung des Betriebsvermögens für Zwecke der Erbschaftsteuer sind die Steuerbilanzwerte maßgebend, die unter Zugrundelegung der ertragsteuerrechtlichen Bilanzierungs- und Gewinnermittlungsvorschriften zutreffend sind bzw. richtigerweise anzusetzen gewesen wären (BFH, Urt. v. 17.04.2013 – II R 12/11 Rn. 13 m.w.N.). Maßgebend für die Bewertung von Forderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft ist dabei der Steuerbilanzwert, der in einer auf den Zeitpunkt des Todes des Gesellschafters erstellten Sonderbilanz und korrespondierend damit als Schuldposten in der Bilanz der Gesellschaft enthalten ist oder auszuweisen gewesen wäre (BFH, Urt. v. 17.04.2013 – II R 12/11 Rn. 13). Die in der Sonderbilanz zu bildende Forderung des Gesellschafters wird in der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft wie Eigenkapital behandelt. Selbst wenn feststeht, dass diese Forderung wertlos ist, folgt aus der Behandlung als Eigenkapital, dass eine Wertberichtigung während des Bestehens der Gesellschaft nicht in Betracht kommt. Der Verlust im Sonderbetriebsvermögen wird grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Beendigung der Mitunternehmerschaft realisiert (BFH, Urt. v. 17.04.2013 – II R 12/11 Rn. 14 m.w.N.). Dieser Grundsatz der korrespondierenden Bilanzierung gilt auch bei Forderungen eines Gesellschafters gegen die Gesellschaft (BFH, Urt. v. 05.06.2003 – IV R 36/02 – BStBl II 2003, 871, unter III.2.c).
Der Grundsatz der korrespondierenden Bilanzierung ist zwar auch gewahrt, wenn weder die Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft noch die dieser gegenüberstehende Verbindlichkeit der Gesellschaft bilanziert werden. Nach § 247 Abs. 1 HGB sind Schulden jedoch zu passivieren, wenn der Unternehmer zu einer dem Inhalt und der Höhe nach bestimmten Leistung an einen Dritten verpflichtet ist, die vom Gläubiger erzwungen werden kann und eine wirtschaftliche Belastung darstellt (BFH, Urt. v. 30.11.2011 – I R 100/10 – BStBl II 2012, 332 Rn. 11, m. Anm. Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 14/2012 Anm. 3; BFH, Urt. v. 15.04.2015 – I R 44/14 – BStBl II 2015, 769 Rn. 8, m. Anm. Dötsch, jurisPR-SteuerR 45/2015 Anm. 2). Dies gilt nach dem Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für Zwecke der Steuerbilanz (BFH, Urt. v. 15.04.2015 – I R 44/14 Rn. 8). Keine wirtschaftliche Belastung stellt eine Verbindlichkeit dar, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr erfüllt werden muss. Dafür genügt jedoch nicht, dass der Schuldner überschuldet ist (BFH, Urt. v. 01.03.2005 – VIII R 5/03 – BFH/NV 2005, 1523). Allerdings sind nach der speziellen Vorschrift des § 5 Abs. 2a EStG für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, in der Steuerbilanz Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst dann anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Unter Einnahmen oder Gewinnen sind dabei künftige Vermögenswerte zu verstehen. Diese Vorschrift ist auch auf sog. „qualifizierte“ – genauer: spezifizierte – Rangrücktrittsvereinbarungen anwendbar (BFH, Urt. v. 15.04.2015 – I R 44/14 Rn. 10). Eine Verbindlichkeit ist nach dieser Vorschrift nicht zu bilanzieren, wenn ein Rangrücktritt dergestalt vereinbart wurde, dass die Forderung des Gläubigers hinter die Forderungen aller übrigen Gläubiger zurücktritt und nur aus künftigen Jahresüberschüssen zu erfüllen ist. Der Schuldner ist in einem solchen Fall in seinem gegenwärtigen Vermögen zum Bilanzstichtag noch nicht belastet. § 5 Abs. 2a EStG ist jedoch auf Rangrücktrittsvereinbarungen nicht anwendbar, wenn die Verbindlichkeit auch aus sonstigem Vermögen, dem sog. freien Vermögen, zu tilgen ist (BFH Urt. v. 30.11.2011 – I R 100/10 Rn. 20; BFH, Urt. v. 15.04.2015 – I R 44/14 Rn. 9). Eine Vereinbarung, nach der der Gläubiger mit seiner Forderung hinter die Forderungen aller anderen Gläubiger in der Weise zurücktritt, dass sie nur aus künftigen Gewinnen oder aus dem die sonstigen Verbindlichkeiten des Schuldners übersteigenden Vermögen bedient zu werden braucht, schließt die Bilanzierung der Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger folglich nicht aus. Ein so vereinbarter Rangrücktritt führt nicht zum Erlöschen der Schuld. Der Schuldner bleibt vielmehr unverändert verpflichtet, weiterhin die Schuld aus künftig von ihm erwirtschafteten Gewinnen oder seinem die anderen Verbindlichkeiten übersteigenden Vermögen zu bedienen. Die Rangrücktrittsvereinbarung stellt sich in einem solchen Fall lediglich als Vereinbarung dar, die zu einer veränderten Rangordnung, nicht hingegen zu einer Minderung der Verbindlichkeiten des Schuldners insgesamt führt. Dies führte im Streitfall dazu, dass die Verbindlichkeit bilanziell weiter anzusetzen war – was tatsächlich auch geschehen ist.

D. Auswirkungen für die Praxis

Auch wenn der Rechtsstreit ausgelaufenes Erbschaftsteuerrecht betraf, sind die Ausführungen zum Rangrücktritt nach wie vor aktuell. Bei der Formulierung eines solchen Rangrücktritts gilt es besondere Sorgfalt an den Tag zu legen. Ist beabsichtigt, weder eine Verbindlichkeit in der Bilanz der Gesellschaft noch – korrespondierend – eine Forderung des Gesellschafters in dessen Sonderbilanz anzusetzen, muss der Rangrücktritt die strengen Anforderungen, die die Rechtsprechung an § 5 Abs. 2a EStG stellt, erfüllen. Vgl. dazu weiterführend z.B. Kahlert, DStR 2016, 209; Kahlert, BB 2016, 878; Wacker, HFR 2016, 108, mit einer Anmerkung zum BFH Urt. in BStBl II 2015, 769; Hamminger, NWB 2016, 2359.