Dieser Situation begegnet nun der Referentenentwurf zum Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen sowie der Referentenentwurf einer Technischen Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen. Die Verordnung soll künftig die spezifischen Anforderungen an die elektronischen Aufzeichnungssysteme (z. B. PC-Kassen oder Registrierkassen) regeln.

Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) begrüßt die Gesetzgebungsinitiative in seiner Stellungnahme S 05/16 grundsätzlich. Sie ist der richtige Beitrag zur Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sowie der Einhaltung der rechtsstaatlichen Erfordernisse des Steuervollzugs. Zudem dürften die geplanten Maßnahmen die Auseinandersetzungen in Außenprüfungen in diesem Bereich reduzieren. Sie erhöhen für den Unternehmer damit die Rechts- sowie für den Steuerberater die Beratungssicherheit. Zudem reduzieren sie das Haftungsrisiko des Steuerberaters.

Der DStV kritisiert allerdings bestehende Rechtsunsicherheiten, mögliche Verschärfungen der GoBD sowie ein neues Recht der Finanzverwaltung zur Einsichtnahme. Seine Lösungsvorschläge diskutierte er Mitte Mai mit MdB Uwe Feiler, Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und in einem weiteren Termin mit MdB Lothar Binding, dem finanzpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sowie MdB Andreas Schwarz, dem Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion. Gegenstand der Erörterungen waren insbesondere die folgenden Aspekte.

Recht zur Einsichtnahme versus berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht

Das angedachte Recht zur Einsichtnahme der Finanzverwaltung bei Außenprüfungen sowie Nachschauen gegenüber Dritten sieht der DStV besonders kritisch. Angesichts der Weite des Gesetzeswortlauts entfaltet das Recht nicht nur bei Kassen-Nachschauen, sondern auch bei Umsatzsteuer- und Lohnsteuer-Nachschauen Wirkung. Davon betroffene Dritte können Steuerberater sein. Dies ist insbesondere aus berufs- und datenschutzrechtlichen Gründen problematisch. Der DStV setzt sich zur Wahrung der berufsrechtlichen Pflichten dafür ein, dass dem Steuerberater für die Fälle der Nachschauen gesetzlich eine angemessene, praxisgerechte Frist eingeräumt wird. Denn hinsichtlich der Verschwiegenheitspflicht des Steuerberaters sowie des Schutzes von Daten anderer Steuerpflichtiger, die nicht von der Nachschau betroffen sind, drohen andernfalls Kollisionen. Die Daten des geprüften Steuerpflichtigen müssen dem Prüfer ohne Zugriffsmöglichkeit auf andere Mandantendaten zugänglich gemacht werden. Dafür ist beispielsweise ein separater Raum erforderlich. Steht der Nachschau-Prüfer unangekündigt vor der Tür des Steuerberaters, können die entsprechende Zurverfügungstellung der Räumlichkeit sowie die Bereitstellung der Unterlagen ohne Vorbereitungszeit Schwierigkeiten bereiten. Mitunter kann es gerade in kleinen Kanzleien an der ständigen Verfügbarkeit eines solchen Raums mangeln.

Rechtsunsicherheit durch unbestimmte Rechtsbegriffe

Insbesondere der Gesetzentwurf enthält zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe, aufgrund derer mit Auseinandersetzungen bei Betriebsprüfungen und Nachschauen sowie mit gerichtlichen Streitigkeiten zu rechnen ist. Beispielsweise werden die gesetzlichen Aufzeichnungspflichten, wie sie bisher in Handelsrecht und Steuerrecht bestehen, durch einen neuen Begriff ausgeweitet. Bisher müssen nur die sogenannten „Geschäftsvorfälle“ aufgezeichnet werden. Künftig sollen darüber hinaus auch sogenannte „andere Vorgänge“ aufgezeichnet werden, welche die Kasse erfassen muss. Diese Neuerung ist jedoch nicht hinreichend klar für die Praxis in Gesetz oder Gesetzesbegründung definiert.

Darüber hinaus soll der Prüfung im Rahmen der geplanten Kassen-Nachschau zudem der „ordnungsgemäße Einsatz“ der Kasse unterliegen. Unklar ist, welche Anforderungen diesen kennzeichnen. Der Verstoß dagegen könnte darüber hinaus sanktionsbehaftet sein. Gerade deswegen bedarf es aus rechtsstaatlichen Gründen klarstellender Ausführungen zumindest in der Gesetzesbegründung.

Zertifizierungspflicht auch für Archivsysteme?

Nach dem gegenwärtigen Gesetzeswortlaut muss zusätzlich zur Einhaltung der Anforderungen an die elektronischen Aufzeichnungssysteme auch die Einhaltung der Anforderungen an die Archivierung der Aufzeichnungen vom BSI zertifiziert werden. Dieser Zertifizierungsumfang reicht aus Sicht des DStV zu weit, da die Zertifizierungspflicht damit deutlich mehr Gegenstände als nur die Bestandteile der technischen Sicherheitseinrichtung (das Sicherheitsmodul, das Speichermedium sowie die digitale Schnittstelle) umfasst. Sie dürfte so auch betriebsindividuelle Archivierungslösungen umfassen. Ein derartig weitreichender Zertifizierungsumfang kann bei einer geplanten Personalausstattung von 2 Mitarbeitern beim BSI nicht gemeint sein. Die Anzahl der in der Praxis bestehenden und künftig zu zertifizierenden Archivsysteme dürfte die Kapazitäten des BSI überfordern. Zudem führt sie zu weiterer Bürokratie für die Steuerpflichtigen.

Anwendungszeitpunkt

Das Konzept des Zertifizierungsverfahrens ist technologieoffen. Damit soll den individuellen Besonderheiten der verschiedenen Wirtschaftszweige Rechnung getragen und sichergestellt werden, dass technologische Weiterentwicklungen nicht behindert werden. Gesetz und Verordnung sind erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2018 beginnen.

Aus Sicht des DStV lässt dieser zeitnahe Anwendungszeitpunkt jedoch betriebliche und marktwirtschaftliche Belange außer Acht, weswegen ein entsprechendes Verschieben geboten ist. Andernfalls sind für Unternehmen bereits nach Auslaufen der Übergangsregelung der sog. „Kassenrichtlinie 2010“ Neuanschaffungen und Umrüstungen erforderlich. Da die künftigen Anforderungen an die elektronischen Aufzeichnungssysteme erst noch von BMF und BSI in technischen Richtlinien und Schutzprofile konkretisiert werden, ist ungewiss, ob solche Geräte den neuen Vorgaben genügen werden. Darüber hinaus ist nicht absehbar, ob in den Jahren 2017 und 2018 bereits Kassen vertrieben werden, die die technische Sicherheitseinrichtung aufweisen. Unter Berücksichtigung der 6-jährigen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von Registrierkassen erachtet der DStV eine erstmalige Anwendung der Neuregelungen für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2021 beginnen, für sachgerecht.