Die Kommission hat ein eingehendes Prüfverfahren zu einer belgischen Steuervorschrift eingeleitet, die einer Gruppe zugehörigen Unternehmen gestattet, ihre Körperschaftsteuerpflicht in Belgien auf der Grundlage sog. Steuervorentscheide zu „Gewinnüberschüssen“ wesentlich zu mindern. Ihrem Wesen nach gestatten derlei Steuervorentscheide multinationalen Unternehmen in Belgien, ihre Körperschaftsteuerschuld um jene Gewinne zu mindern, die angeblich nur daher rühren, dass sie einem multinationalen Unternehmen anzugehören und die sie allein nicht erwirtschaften könnten. Derzeit bezweifelt die Kommission, dass diese Steuerregelung mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang steht, die die Gewährung selektiver Vorteile untersagen, da dies den Wettbewerb im Binnenmarkt verzerrt. Mit der Einleitung eines eingehenden Prüfverfahrens wird Dritten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Einleitung eines Prüfverfahrens greift dem Ergebnis der Untersuchung nicht vor.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte dazu: „Die belgische Steuerregelung zu Gewinnüberschüssen scheint bestimmten multinationalen Unternehmen erhebliche Steuervorteile zu verschaffen, während diese nicht für Unternehmen gelten, die nur im Inland tätig sind. Sollten sich unsere Bedenken bestätigen, würde es sich bei dieser Regelung um eine ernsthafte Wettbewerbsverzerrung handeln, die einer begrenzten Anzahl multinationaler Unternehmen zugutekommt. Da wir sicherstellen wollen, dass die Steuerlast fair auf alle Unternehmen verteilt ist, sind weitere Nachforschungen erforderlich.“

Nach der in Rede stehenden Steuerregelung (Artikel 185 §2 Buchstabe b) im belgischen Steuergesetzbuch (Code des Impôts sur les Revenus/Wetboek Inkomstenbelastingen) kann die Körperschaftsteuer eines Unternehmens durch sog. Gewinnüberschüsse gemindert werden. Dabei handelt es sich um in den Büchern eines belgischen Unternehmens ausgewiesene Gewinne, die angeblich aus dem Vorteil resultieren, Teil einer multinationalen Gruppe zu sein. Um die Steuerminderungen geltend machen zu können, benötigt ein Unternehmen die vorherige Zustimmung der belgischen Steuerverwaltung im Rahmen eines Steuervorentscheids. Diese Regelung scheint lediglich multinationale Gruppen zu begünstigen, während belgische, nur im Inland tätige Unternehmen diesen Vorteil nicht in Anspruch nehmen können.

Den belgischen Behörden zufolge wird mit dieser Steuervorschrift lediglich das allgemeine „Arm’s length“-Prinzip der OECD umgesetzt. Die Kommission bezweifelt in diesem Stadium jedoch, dass die Auslegung dieses OECD-Prinzips gerechtfertigt ist.

Die Kommission hat Bedenken, dass die nach dem Steuervorentscheid zulässigen Gewinnüberschüsse, d. h. Steuerminderungen, die ein Unternehmen z. B. für gruppeninterne Synergien oder Größenvorteile geltend machen kann, die tatsächlichen Vorteile der Zugehörigkeit zu einer multinationalen Gruppe erheblich überbewerten. Die Steuerminderungen aufgrund von Gewinnüberschüssen machen mehr als 50 % der vom Steuervorentscheid abgedeckten Gewinne aus und können mitunter bis zu 90 % erreichen.

In ihrer bisherigen Würdigung kommt die Kommission zu dem Schluss, dass die belgische Steuerregelung für Gewinnüberschüsse nicht mit dem Argument der Vermeidung einer Doppelbesteuerung gerechtfertigt werden kann, da die Steuerminderungen in Belgien nicht dem Anspruch eines anderen Landes folgen, dieselben Gewinne zu besteuern.

Nach Prüfung der früheren Verwaltungspraxis stellt die Kommission fest, dass diese Steuervorentscheide oftmals Unternehmen gewährt wurden, die einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeiten nach Belgien verlagert oder dort umfangreiche Investitionen getätigt haben.

Die Kommission wird nun weitere Nachprüfungen anstellen, um zu ermitteln, ob ihre Zweifel berechtigt sind.

Hintergrund

Um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, prüft die Kommission, ob bestimmte Steuerpraktiken in einigen Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der aggressiven Steuerplanung bestimmter multinationaler Unternehmen mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang stehen. Eine Reihe von Mitgliedstaaten scheint multinationalen Unternehmen zu erlauben, ihr Steuersystem zu nutzen, um ihre Steuerbelastung zu verringern.

Auf der Grundlage der Beihilfevorschriften prüft die Kommission seit Juni 2013 die verbindlichen Steuerauskünfte von Mitgliedstaaten. Im Dezember 2014 weitete die Kommission dieses Informationsersuchen auf alle Mitgliedstaaten aus.

Am 11. Juni 2014 hat die Kommission nach den Beihilfevorschriften förmliche Prüfverfahren in drei Fällen eingeleitet: Apple in Irland, Starbucks in den Niederlanden und Fiat Finance & Trade in Luxemburg. Am 7. Oktober 2014 hat die Kommission ein weiteres Verfahren in Bezug auf Amazon in Luxemburg eingeleitet. Es wird geprüft, ob die Mitgliedstaaten bestimmten Unternehmen mit der Erteilung verbindlicher Steuerauskünfte einen selektiven Vorteil gewähren.

Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, wird die nicht vertrauliche Fassung der Beschlüsse über das Beihilfenregister auf der Website der GD Wettbewerb unter der Nummer SA.37667 zugänglich gemacht. Über neu im Internet und im Amtsblatt veröffentlichte Beihilfeentscheidungen informiert der elektronische Newsletter State Aid Weekly e-News.