Nachfolgend ein Beitrag vom 25.07.2016 von Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 30/2016 Anm. 3

Orientierungssatz zur Anmerkung

Die private Nutzung eines PKW, der zu mehr als 50% betrieblich genutzt wird, stellt unabhängig von ihrem Umfang (hier: 5,07%) eine Entnahme dar. Die Entnahme kann bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (u.a. ordnungsgemäßes Fahrtenbuch) gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen bewertet werden.

A. Problemstellung

Der Große Senat des BFH (Beschl. v. 21.09.2009 – GrS 1/06 – BStBl II 2010, 672, m. Anm. Dötsch, jurisPR-SteuerR 10/2010 Anm. 1) hat zur Aufteilung der Aufwendungen für eine gemischt veranlasste Reise ausgeführt, er gehe nach wie vor von dem Grundsatz aus, dass eine unbedeutende private Mitveranlassung dem vollständigen Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht entgegenstehe. Streitig war, ob sich aus diesem Grundsatz ergibt, dass eine unbedeutende private Nutzung eines ansonsten betrieblich genutzten PKW nicht zu einer Nutzungsentnahme führt. Das FG Stuttgart hat dies verneint.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin ist Steuerberaterin und ermittelt ihren Gewinn aus selbstständiger Arbeit nach § 4 Abs. 3 EStG. In ihrem Betriebsvermögen befindet sich ein PKW der Marke Porsche Carrera. Den privaten Nutzungsanteil des Fahrzeugs ermittelte die Klägerin für das Streitjahr 2011 mit Hilfe eines Fahrtenbuchs auf (unstreitig) 5,07%. Das Finanzamt berechnete den privaten Nutzungsanteil auf der Grundlage der für den PKW entstandenen Aufwendungen auf 827,25 Euro und erhöhte den erklärten Gewinn um diesen Betrag. Die Klägerin war demgegenüber der Meinung, die private Mitbenutzung sei nur von untergeordneter Bedeutung und stehe nach dem Beschluss der Großen Senats des BFH vom 21.09.2009 (GrS 1/06 – BStBl II 2010, 672) einem vollständigen Abzug von Betriebsausgaben nicht entgegen. Deshalb sei der vom Finanzamt wegen des Entnahmeansatzes erhöhte Gewinn um 827,25 Euro zu mindern.
Das FG Stuttgart hat die Klage abgewiesen. Zu Recht – so das Finanzgericht – habe das Finanzamt den Gewinn um die Entnahme der privaten Kraftfahrzeugnutzung des im Betriebsvermögen befindlichen PKW um 827,25 Euro korrigiert. Die private Nutzung eines Kfz, das zu mehr als 50% betrieblich genutzt werde, sei nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG mit 1% des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Davon abweichend könne sie nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen würden.
Entgegen der Auffassung der Klägerin enthalte diese Vorschrift keine Geringfügigkeitsgrenze. Dagegen spreche schon der eindeutige und klare Wortlaut der Norm, der eine Differenzierung nach dem Umfang einer Entnahme nicht erkennen lasse. Auch die Entstehungsgeschichte gebe keinen Hinweis auf eine Geringfügigkeitsgrenze. Ein anderes Ergebnis folge auch nicht aus der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 21.09.2009 (GrS 1/06). Daraus ergebe sich zwar, dass eine unbedeutende private Mitveranlassung dem vollständigen Abzug von Betriebsausgaben nicht entgegenstehe. Die Entscheidung betreffe aber lediglich die Ermittlung des Umfangs des Betriebsausgabenabzugs. Darüber, ob für eventuelle private Anteile eine Entnahme anzusetzen sei, besage sie nichts.
Auch das von der Klägerin angeführte Schreiben des BMF vom 06.07.2010 (BStBl I 2010, 614) führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch dieses regele nur die Behandlung von Aufwendungen, die Problematik eventueller Entnahmeansätze sei nicht erfasst. Eine solche Regelung würde zudem den eindeutigen gesetzlichen Rahmen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG verlassen, mit der Folge, dass das Finanzgericht nicht daran gebunden wäre.

C. Kontext der Entscheidung

I. Auch wenn ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, keine Bilanz erstellt und somit Wirtschaftsgüter nicht aktivieren kann, können ihm zuzurechnende Wirtschaftsgüter „Betriebsvermögen“ darstellen und zwar bei betrieblicher Nutzung von mehr als 50% notwendiges Betriebsvermögen sowie bei einem betrieblichen Nutzungsanteil zwischen 50% und mehr als 10% gewillkürtes Betriebsvermögen (BFH, Urt. v. 29.04.2008 – VIII R 67/06 – BFH/NV 2008, 1662, unter II.1.). Gehört ein Wirtschaftsgut – wie hier der PKW – zum notwendigen Betriebsvermögen, sind die mit ihm im Zusammenhang stehenden Aufwendungen als Betriebsausgaben abziehbar, soweit sie durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Dies betrifft grundsätzlich alle Aufwendungen, mit Ausnahme derer, die ausschließlich der privaten Nutzung zuzurechnen sind (z.B. Unfallkosten auf einer Privatfahrt).
II. Der Neutralisierung außerbetrieblich veranlassten Aufwands, der aber in voller Höhe als Betriebsausgabe erfasst wurde (bei einem PKW z.B. Versicherung, Steuer, AfA, laufende Betriebskosten), dient die Entnahmeform der Nutzungsentnahme. Entnahmen erhöhen den Gewinn (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG) und führen auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu Gewinnzurechnungen (BFH, Urt. v. 14.11.2007 – XI R 37/06 – BFH/NV 2008, 365, unter II.1.a). Bewertet wird die Nutzungsentnahme bei einem Kfz, das – wie hier – zu mehr als 50% betrieblich genutzt wird, nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 (sog. 1%-Methode) oder nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG (sog. Fahrtenbuch-Methode). Diese im Grundsatz nur für die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich geltende Regelung (§ 6 Abs. 1 Satz 1 EStG) ist bei der Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG entsprechend anzuwenden (BFH, Urt. v. 21.04.2009 – VIII R 66/06 – BFH/NV 2009, 1422, unter II.1.; seit dem Veranlagungszeitraum 2013 ausdrücklich in § 6 Abs. 7 Nr. 2 EStG geregelt).
III. Weder die Regelungen über den Ansatz einer Entnahme (§ 4 Abs. 1 Sätze 2 ff. EStG) noch über ihre Bewertung (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) sehen eine Bagatellgrenze vor, bis zu der eine Entnahme nicht anzusetzen oder mit 0 Euro zu bewerten wäre. Auch dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21.09.2009 (GrS 1/06, m. Anm. Dötsch, jurisPR-SteuerR 10/2010 Anm. 1; vgl. auch P. Fischer, NWB 2010, 412) ist dazu nichts zu entnehmen. In dieser Entscheidung hatte sich der BFH mit der Aufteilung von Aufwendungen für eine gemischt veranlasste Reise eines Angestellten nach Las Vegas zu befassen. Er hat entschieden, dass die Aufwendungen für die Hin- und Rückreise in abziehbare Werbungskosten und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung nach Maßgabe der beruflich und privat veranlassten Zeitanteile der Reise aufgeteilt werden können, sofern die berufliche oder private Veranlassung nicht von völlig untergeordneter Bedeutung ist (unter C.III.4. der Gründe). In diesem Zusammenhang hat er ausgeführt, dass eine unbedeutende private Mitveranlassung dem vollständigen Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht entgegenstehe und dass umgekehrt eine unbedeutende berufliche Mitveranlassung von Aufwendungen für die Lebensführung keinen Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug eröffne.
IV. Daran anknüpfend hat das FG Stuttgart zutreffend entschieden, dass eine Geringfügigkeitsgrenze bei der Entnahme durch die private Nutzung eines zum Betriebsvermögen gehörenden Kfz nicht besteht. Ist das Verhältnis der Privatfahrten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen, ist dem Gewinn die nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG zu bewertende Nutzungsentnahme hinzuzurechnen, auch wenn die private Nutzung des Kfz gemessen an den insgesamt gefahrenen Kilometern „unbedeutend“ ist.

D. Auswirkungen für die Praxis

I. Die Entscheidung hat nicht nur Bedeutung für die Nutzungsentnahme bei einem Kfz. Sie gilt gleichermaßen für andere Nutzungsentnahmen (z.B. private Nutzung betrieblicher Kommunikationseinrichtungen; Nutzung einer betrieblichen Räumlichkeit zu privaten Zwecken) und für Leistungsentnahmen (z.B. Einsatz betrieblicher Arbeitnehmer für private Arbeiten des Unternehmers).
II. Die Finanzverwaltung spricht von einer untergeordneten privaten Mitveranlassung wenn sie weniger als 10% beträgt, misst ihr aber – wie der Große Senat des BFH – nur Bedeutung für den Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug bei gemischt veranlassten Aufwendungen zu und nicht für den Ansatz von Entnahmen (BMF, Schreiben v. 06.07.2010 – IV C 3-S 2227/07/10003:002 – BStBl I 2010, 614, unter 3.a). Dies gilt ebenso für den Betriebsausgabenabzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, bei dem eine untergeordnete private Mitbenutzung (< 10%) unschädlich ist (BMF, Schreiben v. 02.03.2011 – IV C 6-S 2145/07/10002 – BStBl I 2011, 195, unter III.). Der vollständige Betriebsausgabenabzug bei einem häuslichen Arbeitszimmer, das nur in unbedeutendem Maße zu privaten Zwecken genutzt wird (vgl. dazu BFH, Beschl. v. 27.07.2015 – GrS 1/14 – BStBl II 2016, 265, m. Anm. Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 18/2016 Anm. 1) und das somit zum Betriebsvermögen gehört, besagt nicht, dass in Höhe der privaten Nutzung keine Entnahme anzusetzen ist.