Nachfolgend ein Beitrag vom 31.7.2017 von Wozniak, jurisPR-InsR 15/2017 Anm. 3
Orientierungssatz zur Anmerkung
Der isolierte Sachverständige im Insolvenzeröffnungsverfahren erhält nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 JVEG eine Entschädigung i.H.v. 80,00 Euro pro Stunde.
A. Problemstellung
Die Entschädigung des isolierten Sachverständigen gemäß § 9 Abs. 1 JVEG bildet in den letzten Monaten wiederholt den Gegenstand instanzgerichtlicher Entscheidungen. Es darf zwischenzeitlich davon ausgegangen werden, dass eine Mehrheit der Gerichte zwischenzeitlich (zu Recht!) die Bemessung mit nur 80,00 Euro für nicht mehr sachgerecht erachtet (so zuletzt etwa AG Göttingen, Beschl. v. 25.07.2016 – 71 IN 21/16, m. Anm. Wozniak, jurisPR-InsR 24/2016 Anm. 4).
Das LG Schweinfurt folgt dieser in der Rechtsprechung neueren Linie nicht und bleibt bei der überkommenen Auffassung, dass der Stundensatz mit 80,00 Euro zu bemessen sei. Es lehnt sich dabei an eine ältere Entscheidung des OLG Bamberg vom 25.01.2005 (1 W 1/05 – NJW-RR 2005, 563) an. Die Entscheidung verkürzt die Problemstellung und setzt sich argumentativ mit den sich stellenden Fragestellungen nicht hinreichend auseinander. Sie überzeugt deshalb nicht.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens des Sachverständigen wurde zunächst die Beschwerde gegen den Vergütungsbeschluss des AG Schweinfurt vom 19.09.2016 zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hält das Rechtsmittel für zulässig. Es spricht ihm allerdings die Begründetheit ab. Das Gericht führt aus, dass es mittlerweile als anerkannt gelten darf, dass die Vergütung eines Sachverständigen, der nicht zugleich vorläufiger Insolvenzverwalter ist, nach § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG bemessen wird. Zur Stundensatzhöhe wirke die Entscheidung des OLG Bamberg vom 25.01.2005 fort. Es sei nicht einzusehen, warum einem Sachverständigen, der isoliert ein Gutachten erstelle, eine höhere Vergütung zustehen solle als demjenigen, der auch vorläufiger Insolvenzverwalter sei. Die Vorbereitungen zur Erstellung des Gutachtens und deren Inhalte seien vergleichbar. Soweit die Meinung vertreten werde, der Stundensatz für den Sachverständigen könne nur deshalb als unbedenklich angesehen werden, weil er darüber hinaus eine Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter erhalte, sieht das Gericht dies nicht als durchgreifend an. Dies sei eine hinzunehmende Entscheidung des Gesetzgebers. Auch der Vergleich mit infrage kommenden Sachgebietsbezeichnungen der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG (hier die Nummern 6 und 7) sei untunlich, ohne dass dies näher begründet wird. Der tatsächliche Aufwand zur Gutachtenserstellung differiere am Einzelfall. Diesem Umstand sei durch den Ansatz der aufgewendeten bzw. abrechenbaren Stunden vergütungsmäßig Rechnung zu tragen.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des LG Schweinfurt überzeugt nicht. Schon die Ausführungen in der Entscheidung des OLG Bamberg, die nicht unwidersprochen geblieben ist (anders etwa OLG Frankfurt, Beschl. v. 03.03.2006 – 26 W 80/05), hielten eine Entschädigung auf der Basis des § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG i.H.v. (zur damaligen Zeit geltenden Rechtslage) 65,00 Euro, inzwischen 80,00 Euro für sachgerecht. Während dem OLG Bamberg in der Frage auch heute noch zuzustimmen ist, dass die maßgebliche Vergütung nicht nach § 9 Abs. 2 JVEG (dies nur im Fall der Bestellung als vorläufig starker Insolvenzverwalter), sondern nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 JVEG zu bestimmen ist, eröffnet die Ermessensentscheidung des § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG bei Fehlen einer Honorargruppe zunächst sehr weite Spielräume.
Anders als die bereits zitierte Entscheidung des AG Göttingen vom 25.07.2016 (71 IN 21/16), wiederholt gerichtlicherseits bestätigt, sieht das LG Schweinfurt jedenfalls für den Bezirk des OLG Bamberg keine Möglichkeit einer stundensatzbezogenen Erhöhung im Rahmen der Vergütungsfestsetzung. Noch in Übereinstimmung auch mit der Entscheidung des AG Göttingen gelangt das LG Schweinfurt zu der Auffassung, dass eine Festsetzung eines Stundensatzes i.H.v. 80,00 Euro auf der Grundlage des § 9 Abs. 2 JVEG schon deshalb ausscheide, da der Sachverständige weder als vorläufig starker noch als vorläufig schwacher Verwalter (in diesem Fall ebenfalls strittig, vgl. OLG Bamberg) bestellt worden sei. Die zu § 9 Abs. 1 JVEG ausgeführten 13 Honorargruppen mit einem Stundensatz von 65,00 bis 125,00 Euro kommen nicht unmittelbar zur Anwendung, da die Tätigkeit als Insolvenzsachverständiger nicht gesondert aufgeführt sei. Insofern habe eine Zuordnung nach billigem Ermessen zu erfolgen. Auch die gesetzliche Neufassung aus dem Jahr 2013 habe keine expliziten Stundensätze festgelegt, was man spätestens ab diesem Zeitpunkt als bewusste gesetzgeberische Entscheidung zu respektieren habe.
Es ist auch hier zu bedenken, dass die maßgeblichen Leistungen ausschließlich durch Gerichte in Auftrag gegeben werden und aus diesem Grund außergerichtliche bzw. außerbehördliche Stundensätze nicht existieren.
Allerdings lässt die Entscheidung des LG Schweinfurt den Gedanken außer Betracht, dass der Gesetzgeber einen Stundensatz von 80,00 Euro im Jahr 2013 nur noch dann als gerechtfertigt angesehen habe, wenn daneben die Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter zur Verfügung stehe. Dieses Argument wird eher beiläufig abgetan. Wenn der Gesetzgeber schon einen Stundensatz i.H.v. 80,00 Euro für angemessen erachtet, wenn der Sachverständige zugleich vorläufiger Insolvenzverwalter ist, insofern für seine gesondert als vorläufiger Insolvenzverwalter zu vergütende Tätigkeit die Synergien etwa der Vermögenserfassung auch als Gutachter nutzen kann und dennoch einen Stundensatz in Höhe von mindestens 80,00 Euro erhält, ist nicht einzusehen, weshalb dieser Stundensatz auch bei einer Bestellung als bloß gutachterlich tätiger Sachverständiger in jedem Fall im Rahmen der Ermessensentscheidung angemessen erscheinen soll. Dem Gesetzgeber waren die Synergien der vorläufigen Insolvenzverwaltung sehr wohl bewusst (offensichtlich anders als dem LG Schweinfurt).
Auch die Argumentation des LG Schweinfurt, wonach eine Regulierung über die Stundensatzanzahl erfolgen könne, ist – vorsichtig gesagt – extra legem. Einerseits gehen die Gerichte (zu Recht!) dazu über, minutengenaue Abrechnungen des Sachverständigen einschließlich eines expliziten Tätigkeitsnachweises zu verlangen. Bereits die Fragestellung, welcher Zeitaufwand im Rahmen der Gutachtenserstellung explizit der gutachterlichen Tätigkeit und welcher der vorläufigen Verwaltertätigkeit zuzuordnen ist, lässt sich bei gleichzeitiger Bestellung als vorläufiger Verwalter regelmäßig schwer abgrenzen. In dieser Fallgestaltung dürfte es gelebte Praxis der meisten Verwalterbüros sein, die Stundenanzahl für die Gutachtenserstellung stark nach unten abzurunden, da auch die Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter zur Verfügung steht. Dies vermeidet umfangreiche Diskussionen, ob bestimmte Ermittlungstätigkeiten nun explizit der Tätigkeit als vorläufiger Verwalter und/oder der Tätigkeit als gerichtlicher Gutachter zuzuordnen sind.
Dass hierbei das LG Schweinfurt ohne Ansehung der konkreten Problemstellungen von einem Stundensatz von 80,00 Euro ausgeht, dürfte der Sache im Ergebnis nicht förderlich sein.
Der Sachverständige ist nur berechtigt, tatsächlich aufgewandte Stunden in Ansatz zu bringen. Folgt man dieser Auffassung des Gerichts, würde der besonders qualifizierte gerichtliche Sachverständige, etwa der über langjährige Erfahrung im Bereich der Unternehmenssanierungen verfügt, ggf. deutlich weniger Aufwand in eine gutachterliche Tätigkeit stecken müssen als ein unerfahrener Kollege, der regelmäßig nur Verbrauchinsolvenzverfahren betreut. Beide würden jedoch auf der Basis des fixen Stundensatzes i.H.v. 80,00 Euro abrechnen und ihre nachweislich erfolgten Tätigkeiten nach Stundensatz in Ansatz bringen. Dies kann nicht richtig sein.
Es läge daher wesentlich näher, auch die Stundensatzhöhe flexibel in die Vergütungsbemessung einfließen zu lassen. Dass dies für das jeweils erkennende Gericht mit etwas mehr Aufwand verbunden ist, als die abgerechneten Stunden zusammenzuzählen, nämlich sich zusätzlich mit der Fragestellung zu befassen, in welcher Höhe eine Stundensatzvergütung des Sachverständigen im Rahmen von 80,00 bis 125,00 Euro angemessen ist, sollte ernsthafterweise kein Hindernis darstellen.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung des LG Schweinfurt überzeugt weder inhaltlich noch argumentativ. Der vermeintliche Ausweg für den isolierten Sachverständigen, „möglichst viele Stunden aufzuschreiben“, ist weder rechtlich zulässig noch belohnt er den versierten und qualitätsvoll handelnden Sachverständigen. Je besser dieser sein Büro organisiert hat, je effizienter die Erstattung eines Gutachtens vonstatten geht, umso geringer fällt die Vergütung des Sachverständigen aus, wenn man die Entscheidung des LG Schweinfurt zum Maßstab erhebt. Es ist misslich, dass der Gesetzgeber sich vor einer konkreten Entscheidung „gedrückt“ hat. Gleichwohl sollte man eine feste Stundensatzhöhe dann auch nicht durch die richterliche Hintertür einführen.
Das Gesetz zeichnet klar vor, dass eine einzelfallbezogene Ermessensentscheidung zu treffen ist. Diese mag im hier konkret entschiedenen Fall auch dazu geführt haben, dass ein Stundensatz i.H.v. 80,00 Euro gerechtfertigt erscheint. Dies jedoch zur Maßgabe jeder Vergütung zu erheben, frei nach dem Argument „in dieser Höhe ist es unstreitig, da kann einem niemand etwas“ lässt an einen Ermessensausfall denken.
Es steht zu hoffen, dass weitere instanzgerichtliche Entscheidungen sich nicht der Auffassung des LG Schweinfurt anschließen.