Pressemitteilung vom 13.1.2016
Mit Urteil vom 19. November 2015 (Az. 8 K 3664/11 F) hat das Finanzgericht Düsseldorf die sog. Entstrickungsklausel in § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 des Einkommensteuergesetzes für europarechtlich und verfassungsrechtlich unbedenklich befunden.
Hintergrund des Rechtsstreits ist die langjährige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wonach die Überführung von Einzelwirtschaftsgütern aus einem inländischen Stammhaus in eine ausländische Freistellungs-Betriebsstätte zu einer gewinnverwirklichenden Entnahme führt. Diese sog. Theorie der finalen Entnahme hat der Gesetzgeber durch Schaffung eines Entstrickungstatbestands mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2006 erstmals gesetzlich geregelt. Im Jahr 2008 hat der Bundesfinanzhof seine Rechtsprechung aufgegeben. Daraufhin hat der Gesetzgeber die Entstrickungsklausel im Jahr 2010 – mit Rückwirkung – nachgebessert.
Klägerin des Verfahrens ist eine in Deutschland ansässige Personengesellschaft mit niederländischen Gesellschaftern. Im Jahr 2005 übertrug sie Patent-, Marken- und Gebrauchsmusterrechte auf ihre niederländische Betriebsstätte. Die Betriebsprüfung war der Ansicht, dass die Überführung der Rechte in Anwendung der sog. Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze zum Fremdvergleichswert und damit unter Aufdeckung der stillen Reserven von rund 4,7 Mio. € erfolgen müsse; allerdings könne aus Billigkeitsgründen ein korrespondierender Ausgleichsposten gebildet und über zehn Jahre gewinnerhöhend aufgelöst werden. Hiergegen wendet sich das Unternehmen mit seiner Klage.
Das Finanzgericht Düsseldorf hatte die Frage der Europarechtskonformität der Entstrickungsklausel dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dieser hat die Regelung mit Urteil vom 21. Mai 2015 (Rs. C-257/13) im Ergebnis gebilligt.
Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Klage nunmehr unter Zugrundelegung dieser Vorabentscheidung abgewiesen. Die Überführung der Rechte in die niederländische Betriebsstätte der Klägerin stelle eine (der Höhe nach unstreitige) Entnahme im Sinne der auch im Streitjahr 2005 geltenden Entstrickungsklausel dar. Dem Entnahmegewinn stehe ein diesen neutralisierender Merkposten gegenüber, der linear über zehn Jahre gewinnerhöhend aufzulösen sei.
Die Anwendung der Entstrickungsklausel im Streitjahr 2005 verstoße nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Zwar handele es sich um eine konstitutive Änderung des Gesetzes, deren Anwendungsregelung – grundsätzlich unzulässige – echte Rückwirkung entfalte. Diese sei indes – ausnahmsweise – zulässig, da mit dem Entstrickungstatbestand nur eine frühere höchstrichterliche Rechtsprechung nach Änderung der Rechtsanwendungspraxis festgeschrieben worden sei.
Schließlich liege – wie der Gerichtshof der Europäischen Union festgestellt habe – kein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit vor.
Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.