Nachfolgend ein Beitrag vom 28.8.2017 von Steinhauff, jurisPR-SteuerR 35/2017 Anm. 4

Leitsatz

Eine erfolgreich bestandene Wissensprüfung führt nur dann zur Anerkennung einer freiberufsähnlichen Tätigkeit, wenn sie den Rückschluss auf den Kenntnisstand des Steuerpflichtigen in früheren Jahren zulässt; ob insoweit Zweifel bestehen, hat die Tatsacheninstanz unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.

A. Problemstellung

Der BFH nimmt zu den rechtlichen Anforderungen an die dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz obliegende Gesamtwürdigung der Wissensprüfung als ergänzendem Beweismittel zur Anerkennung einer freiberufsähnlichen Tätigkeit in Übereinstimmung mit der zitierten Rechtsprechung Stellung.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger absolvierte nach dem Realschulabschluss in den Jahren 1972 bis 1975 eine Lehre zum Industriekaufmann. In den Jahren 1979 bis 2001 arbeitete er – teilweise für Beratungsfirmen – in mehreren weltweit tätigen Konzernen in Deutschland und der Schweiz im Bereich des Controllings. Gegenstand seiner Tätigkeit waren insbesondere die Neuausrichtung des Controllings im Konzern, die Umsetzung vom kameralistischen zum kaufmännisch orientierten Rechnungswesen sowie von betriebswirtschaftlichen Konzepten des internen Rechnungswesens und des Controllings für einzelne Abteilungen, die Konzeption und Realisierung dezentraler Controllingsysteme, die Durchführung von Ausbildungs- und Trainingsmaßnahmen der Mitarbeiter in diesen Bereichen und die Weiterentwicklung der Firmenstandardsoftware im Bereich des Controllings.
Daneben war der Kläger vom 24.07.1996 bis 23.07.2000 an der staatlichen Hochschule für Berufstätige in A, später in B (X) im Studiengang Betriebswirtschaft immatrikuliert. Er reichte dort jedoch keine schriftlichen Arbeiten ein und legte auch kein Examen ab.
Das beklagte Finanzamt ging aufgrund einer Betriebsprüfung für die Jahre 1996 bis 1998 von einer gewerblichen Tätigkeit des Klägers aus und setzte Gewerbesteuermessbeträge für 1996 bis 2000 fest. Im zweiten Rechtsgang legte der Kläger zum Nachweis des streitigen Umfangs seiner theoretischen Kenntnisse eine Bescheinigung von Prof. Dr. … vom … 2005 sowie Zeugnisse und Bestätigungen für Tätigkeiten für eine Firma vor. Weiterhin wurden Projektarbeiten, ein Aufsatz im Controller Magazin aus 2002 und ein undatiertes Seminar-Script („Betriebswirtschaftslehre erfahren – Zusammenhänge erkennen“) des Klägers vorgelegt. Zu behaupteten Fortbildungsveranstaltungen wurden – trotz Aufforderung des Gerichts – keine Unterlagen vorgelegt. Das Finanzgericht erhob darüber hinaus ein Sachverständigengutachten durch Prof. Dr. Z. und ließ auf Antrag des Klägers eine Wissensprüfung durchführen.
Der vom Finanzgericht bestellte Gutachter Prof. Dr. Z. stellte im Sachverständigengutachten von 2012 und im Nachtrag fest, die vorgelegten Projektarbeiten zeigten nur die fachliche Breite des betriebswirtschaftlichen Wissens, ermöglichten aber nicht die Bestimmung seiner theoretischen Tiefe. Erst mit Beendigung der Immatrikulation des Klägers bei der X Mitte Juli 2000 könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich das theoretische Wissen habe in der Tiefe aneignen können, welches ein Absolvent der Studienrichtung Betriebswirtschaftslehre nach Ende seines Studiums besitze. Weiterhin stellte der Gutachter aufgrund der erfolgreich abgelegten Wissensprüfung fest, dass der Kläger über ausreichende Kenntnisse in sämtlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre verfüge. Dabei wies der Gutachter darauf hin, dass dies keinen zuverlässigen Rückschluss auf die Tiefe des Wissens in den Streitjahren zulasse.
Auch im zweiten Rechtsgang wies das Finanzgericht die Klage ab (FG München, Urt. v. 26.02.2013 – 12 K 2562/10). Die Tätigkeit des Klägers sei zwar der eines beratenden Betriebswirts vergleichbar, ihm fehlten jedoch in den Streitjahren in der Tiefe vergleichbare theoretische Kenntnisse. Die Wissensprüfung zeige zwar, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Wissensprüfung über das erforderliche Wissen verfüge; hierdurch lasse sich aber nicht die Tiefe der theoretischen Kenntnisse in den Streitjahren überprüfen. Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück. Er führte zur Begründung aus:
I. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH übe derjenige den Beruf des beratenden Betriebswirts i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aus, der nach einem entsprechenden Studium oder einem vergleichbaren Selbststudium, verbunden mit praktischer Erfahrung, mit den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaft – und nicht nur mit einzelnen Spezialgebieten – vertraut sei und diese fachliche Breite seines Wissens auch bei seinen praktischen Tätigkeiten einsetzen könne und tatsächlich einsetze. Diesem Berufsbild eines beratenden Betriebswirts entsprechend liege ein „ähnlicher Beruf“ nur dann vor, wenn er auf einer vergleichbar breiten fachlichen Vorbildung beruhe und sich die Beratungstätigkeit auf einen vergleichbar breiten betrieblichen Bereich erstrecke (BFH, Urt. v. 13.04.1988 – I R 300/83 – BStBl II 1988, 666, unter II.2.; BFH, Urt. v. 28.10.2008 – VIII R 69/06 Rn. 32 – BStBl II 2009, 642; Anm. Steinhauff, jurisPR-SteuerR 20/2009 Anm. 2; BFH, Urt. v. 18.04.2007 – XI R 34/06 – BFH/NV 2007, 1495, unter II.1.).
II. Verfüge der Steuerpflichtige nicht über einen Abschluss als Absolvent einer Hochschule (Diplom), Fachhochschule (Diplom/graduierter Betriebswirt) oder Fachschule (staatlich geprüfter Betriebswirt), müsse er eine vergleichbare Tiefe und Breite seiner Vorbildung nachweisen. Diesen Nachweis könne der Autodidakt durch Belege über eine erfolgreiche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen oder ein Selbststudium, anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Art Wissensprüfung führen (BFH, Urt. v. 26.06.2002 – IV R 56/00 – BStBl II 2002, 768, unter 1.). Das Finanzgericht habe im Wege der Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ausgeführt, es habe aufgrund des Sachverständigengutachtens mit Wissensprüfung (elf Jahre nach dem Streitzeitraum) und der vom Kläger im Streitzeitraum durchgeführten Arbeiten nicht die Überzeugung gewinnen können, dieser habe bereits im Streitzeitraum den erforderlichen (theoretischen) Ausbildungsstand einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung in der Tiefe gehabt. Diese Würdigung des Finanzgerichts sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Für den Streitzeitraum 1996 bis Juni 2000 entspreche die Würdigung des Finanzgerichts dem Sachverständigengutachten, das vor dem Ende der Einschreibung des Klägers an der X-Fachhochschule dessen theoretische Kenntnisse in vergleichbarer Tiefe verneine.
Für den Streitzeitraum ab Juli 2000 habe das Gericht keine abweichende Entscheidung treffen müssen, denn seine Würdigung, für diesen Zeitraum einen entsprechenden Wissensstand ebenfalls nicht feststellen zu können, widerspreche weder den Denkgesetzen noch allgemeinen Erfahrungssätzen.
Soweit der Gutachter für den Streitzeitraum ab Juli 2000 angenommen habe, zum Ende der Immatrikulationszeit könne von einem einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung in der Tiefe entsprechenden Kenntnisstand ausgegangen werden, weil der Kläger an der Fachhochschule die erforderlichen Kenntnisse habe erwerben „können“, zwinge dies nicht zu dem Schluss, der Kläger habe die Kenntnisse dort auch tatsächlich erlangt.
Das Finanzgericht habe hierzu ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze ausgeführt, der Umstand, dass der Kläger in diesem Zeitraum für ein Fernstudium der Betriebswirtschaftslehre eingeschrieben gewesen sei, ermögliche nach den Umständen des Streitfalls keinen Rückschluss auf die vorhandenen Kenntnisse. Denn der Kläger habe weder nach Ablauf der Regelstudienzeit noch eines daran anknüpfenden Betreuungszeitraums eine der erforderlichen Klausuren geschrieben noch die Abschlussprüfung abgelegt.
Gleiches gelte für die Würdigung des Finanzgerichts zu der vom Kläger behaupteten Teilnahme an anderen Fortbildungsveranstaltungen, zu denen er keine Nachweise vorgelegt habe, und das anhand einer Literaturliste geltend gemachte Selbststudium.
Die Würdigung des Finanzgerichts, es könne auch aus dem Tätigkeitsnachweis für die Streitjahre nicht auf den Kenntnisstand des Klägers im Streitzeitraum schließen, sei revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.
III. Auch praktische Arbeiten könnten einen Rückschluss auf den erforderlichen Kenntnisstand zulassen (BFH, Beschl. v. 26.05.2010 – VIII B 224/09 Rn. 8 – BFH/NV 2010, 1650). Im Streitfall ließen aber die konkret ausgeübten Tätigkeiten schon nach dem Sachverständigengutachten nicht den Schluss auf einen Ausbildungsstand des Klägers in der ganzen Tiefe eines betriebswirtschaftlichen Studiums zu, wie das Finanzgericht ohne Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze festgestellt habe.
Der Würdigung des Finanzgerichts stehe auch nicht die erfolgreich abgelegte Wissensprüfung entgegen. Die Wissensprüfung beziehe sich auf die Feststellung der erforderlichen Kenntnisse im jeweiligen Streitzeitraum und bedürfe für den Rückbezug eines Anknüpfungspunktes in oder vor den Streitjahren. Es bleibe der nach Durchführung einer solchen Wissensprüfung vorzunehmenden Beweiswürdigung vorbehalten festzustellen, ob im Einzelfall ein Rückschluss von den Ergebnissen der Prüfung auf den Kenntnisstand des Steuerpflichtigen in früheren Jahren aufgrund besonderer Umstände in Zweifel zu ziehen sei (BFH, Urt. v. 16.12.2008 – VIII R 27/07 – HFR 2009, 898), ohne dass damit gegen das Gebot einer ordnungsgemäßen Sachaufklärung durch das Gericht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen werde.
Das Finanzgericht habe auch die weiteren vom Kläger angeführten Beweismittel daraufhin geprüft, ob diese auf Grundlage der erfolgreichen Wissensprüfung des Jahres 2012 einen Rückschluss auf den Kenntnisstand in den Streitjahren zuließen und dies jeweils in nicht zu beanstandender Weise verneint.

C. Kontext der Entscheidung

I. Für die Annahme eines ähnlichen Berufs i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genügt es nicht schon, dass der Steuerpflichtige eine Tätigkeit ausübt, die auch von Angehörigen des Vergleichsberufs, z.B. eines beratenden Betriebswirts, ausgeübt wird. Denn die Ähnlichkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zu einem der Katalogberufe der Vorschrift kann nur angenommen werden, wenn der ähnliche Beruf mit einem bestimmten Katalogberuf nicht nur hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit vergleichbar ist, sondern auch hinsichtlich der Ausbildung (BFH, Urt. v. 09.02.2006 – IV R 27/05 – BFH/NV 2006, 1270 m.w.N.).
II. Auch praktische Arbeiten können einen Rückschluss auf den erforderlichen Kenntnisstand zulassen (BFH, Beschl. v. 26.05.2010 – VIII B 224/09 Rn. 8 – BFH/NV 2010, 1650). Denn unter bestimmten Umständen kann bereits aus der Art der Tätigkeit auf das Vorhandensein der entsprechenden Kenntnisse geschlossen werden (BFH, Beschl. v. 07.03.2013 – III B 134/12 Rn. 13 – BFH/NV 2013, 930; BFH, Beschl. v. 22.04.2010 – VIII B 264/09 Rn. 3 – BFH/NV 2010, 1300). Diese Vergleichbarkeit der Ausbildung mit der für einen Katalogberuf, der ein Hochschulstudium oder ein Fachhochschulstudium voraussetzt, kann durch praktische Arbeiten nur nachgewiesen werden, wenn diese ihrer Art nach auf eine dem Katalogberuf vergleichbare Tiefe und Breite auf allen Hauptgebieten dieses Studiums schließen lassen (BFH, Urt. v. 06.09. 2006 – XI R 3/06 – BStBl II 2007, 118 – die Tätigkeit als Wirtschaftsingenieur grundsätzlich freiberuflich; ebenso zur autodidaktischen Ausbildung auf dem Gebiet der Betriebswirtschaftslehre BFH, Urt. v. 18.04.2007 – XI R 29/06 – BStBl II 2007, 781; Anm. Grube, jurisPR-SteuerR 40/2007 Anm. 3; BFH, Urt. v. 18.04.2007 – XI R 34/06 – BFH/NV 2007, 1495; BFH, Beschl. v. 27.03.2009 – VIII B 197/08).
III. Nur wenn in diesem Umfang der Erwerb der für einen Katalogberuf erforderlichen theoretischen Kenntnisse durch das Selbststudium oder durch die praktischen Arbeiten in dem gebotenen Umfang nachgewiesen wird, reicht es im Allgemeinen aus, dass sich die Betätigung des Steuerpflichtigen wenigstens auf einen Hauptbereich des jeweiligen Katalogberufs bezieht (st. Rspr., vgl. z.B. BFH, Urt. v. 28.08.2003 – IV R 21/02 – BStBl II 2003, 919).
IV. Voraussetzung für die Annahme eines ähnlichen Berufs ist allerdings auch dann, dass die beruflichen Arbeiten einen dem Katalogberuf vergleichbaren Schwierigkeitsgrad aufweisen (BFH, Urt. v. 21.03.1996 – XI R 82/94 – BStBl II 1996, 518) und die derart qualifizierten Arbeiten den Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen bilden (BFH, Urt. v. 25.04.2002 – IV R 4/01 – BStBl II 2002, 475; BFH, Urt. v. 04.05.2004 – XI R 9/03 – BStBl II 2004, 989, m.w.N., dazu Thiede, jurisPR-SteuerR 30/2004 Anm. 4, und Anm. Kempermann, FR 2004, 1290).
Die Rechtsprechung lässt es zu Recht nicht ausreichen, dass ein Steuerpflichtiger lediglich Kenntnisse in Teilbereichen der Betriebswirtschaft aufweist; denn dies führte zu einer Ungleichbehandlung derjenigen Personen, die aufgrund der Ausbildungsgänge zum Diplom-Kaufmann, zum Diplom-Betriebswirt (FH) oder zum staatlich geprüften Betriebswirt sich ein Wissen über sämtliche Hauptbereiche der Betriebswirtschaftslehre angeeignet haben. Auch wenn sich zum Beispiel ein Diplom-Kaufmann in eine bestimmte Fachrichtung mit speziellen Fach- bzw. Fortbildungskursen weiterentwickelt, muss er in seinem Grundstudium ein zumindest ausreichendes Wissen in allen Hauptbereichen der Betriebswirtschaft erworben haben (BFH, Urt. v. 19.09.2002 – IV R 74/00 Rn. 40 – BStBl II 2003, 27).
Den Nachweis seiner Kenntnisse kann der Autodidakt durch Belege über eine erfolgreiche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Art Wissensprüfung führen (BFH, Urt. v. 19.09.2002 – IV R 74/00 Rn. 44, 45 – BStBl II 2003, 27 m.w.N.). Letztere kann im Wege eines Sachverständigengutachtens vorgenommen werden, indem der Gutachter den Steuerpflichtigen gewissermaßen examiniert (BFH, Urt. v. 26.06.2002 – IV R 56/00 Rn. 19 ff. – BStBl II 2002, 768 m.w.N.).
V. Ein Erkenntnismittel kann auch die Vornahme einer Wissensprüfung sein, wenn sich bereits aus den vorgetragenen Tatsachen zum Erwerb und Einsatz der Kenntnisse erkennen lässt, dass der Kläger über hinreichende Kenntnisse verfügen könnte und ein Nachweis anhand praktischer Arbeiten nicht zu führen ist (BFH, Urt. v. 16.12.2008 – VIII R 27/07 Rn. 25 ff. – HFR 2009, 898; BFH, Beschl. v. 07.03.2013 – III B 134/12 Rn. 14 – BFH/NV 2013, 930).
Die Wissensprüfung kann allerdings nur als ergänzendes Beweismittel in Betracht kommen. Nämlich nur dann, wenn sich aus den vorgetragenen Tatsachen zum Erwerb und Einsatz der Kenntnisse bereits erkennen lässt, dass der Kläger über hinreichende Kenntnisse verfügen könnte (BFH, Urt. v. 04.05.2000 – IV R 51/99 Rn. 15 – BStBl II 2000, 616; BFH, Urt. v. 19.09.2002 – IV R 74/00 Rn. 44, 45 – BStBl II 2003, 27, und BFH, Urt. v. 26.06.2002 – IV R 56/00 – BStBl II 2002, 768, unter 1.). Im Hinblick darauf, dass ein Misserfolg bei der Wissensprüfung weitreichende Folgen über den Prozessverlust hinaus haben kann, ist das Gericht nicht verpflichtet, diesen Beweis ohne entsprechenden Antrag des Klägers zu erheben (BFH, Urt. v. 26.06.2002 – IV R 56/00 – BStBl II 2002, 768). Bei feststehenden Defiziten bedarf es keiner Wissensprüfung (BFH, Urt. 19.01.2017 – III R 3/14 Rn. 21 – BFH/NV 2017, 732; BFH, Urt. v. 16.09.2014 – VIII R 8/12 Rn. 20 – BFH/NV 2016, 1275), ebenso wenig, wenn bereits feststeht, dass es an der Vergleichbarkeit fehlt (BFH, Urt. v. 18.04.2007 – XI R 34/06 – BFH/NV 2007, 1495 m.w.N.).
VI. Diese Rechtsprechung, wonach in der Ausbildung für den Regelfall ein zulässiges und sachlich einleuchtendes Differenzierungskriterium für die Zuordnung zu einem Katalogberuf gesehen werden kann, ist auch vom BVerfG mehrfach bestätigt worden (BVerfG, Beschl. v. 04.01.2000 – 1 BvR 1916/99; Kammerbeschluss ohne Begründung).

D. Auswirkungen für die Praxis

Stehen die Tatsachen (Kenntnisse und vergleichbare Tätigkeiten) nicht bereits zur Überzeugung des Gerichts fest, muss das Finanzgericht aufgrund seiner Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) den vom Kläger gestellten Anträgen zur Erhebung von Beweisen grundsätzlich entsprechen, die geeignet erscheinen, den erforderlichen Nachweis der Kenntnisse zu erbringen (BFH, Urt. v. 16.12.2008 – VIII R 27/07 – HFR 2009, 898).
Dazu kann auch die Vornahme einer Wissensprüfung gehören, wenn sich aus den vorgetragenen Tatsachen zum Erwerb und Einsatz der Kenntnisse bereits erkennen lässt, dass der Kläger über hinreichende Kenntnisse verfügen könnte und ein Nachweis anhand praktischer Arbeiten nicht zu führen ist (BFH, Beschl. v. 07.03.2013 – III B 134/12 – BFH/NV 2013, 930 m.w.N.). Erfüllt ein auf die Durchführung einer Wissensprüfung gestellter Antrag des Steuerpflichtigen diese Voraussetzungen, dann muss das Finanzgericht ihm nachgehen und kann ihn nur ablehnen, wenn es auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht ankommt, das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsachen zugunsten der betreffenden Partei unterstellt oder das Beweismittel nicht erreichbar ist (BFH, Urt. v. 16.12.2008 – VIII R 27/07 – HFR 2009, 898 m.w.N.; Güroff in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 18 Rn. 137a m.w.N.).