NAchfolgend ein Beitrag vom 3.12.2018 von Meßbacher-Hönsch, jurisPR-SteuerR 48/2018 Anm. 2

Leitsätze

1. Für den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines zum Vermögen einer Gesellschaft gehörenden Grundstücks reicht der Wertansatz des Grundstücks in der Bilanz der Gesellschaft nicht aus.
2. Der Nachweis eines niedrigeren Grundstückswerts kann regelmäßig auch nicht durch Ableitung aus dem Kaufpreis für einen Gesellschaftsanteil geführt werden.

A. Problemstellung

Für Zwecke der Grunderwerbsteuer war ein Grundbesitzwert festzustellen. Streitig war, ob der Steuerpflichtige einen niedrigeren als den nach dem Ertragswertverfahren ermittelten Grundbesitzwert nachgewiesen hat, obwohl er weder ein Sachverständigengutachten vorgelegt hat noch sich auf einen zeitnah erzielten Kaufpreis berufen konnte.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger war – neben einem weiteren Gesellschafter (K) – zu je 50 v.H. am Stammkapital einer GmbH und an einer GbR beteiligt. Im Gesamthandsvermögen der GbR befand sich ein vermietetes Grundstück. Das bebaute Grundstück war in der Bilanz der GbR zum 31.12.2010 einschließlich der Betriebsvorrichtungen mit 2.810.254,90 Euro aktiviert. Die Bilanz wies weitere Aktiva und Passiva aus. Die Bilanzsumme betrug insgesamt 3.353.953,01 Euro.
Am 23.12.2010 verkaufte und übertrug K 44% der Anteile an der GbR an den Kläger und 6 v.H. an die GmbH. Als Kaufpreis war – entsprechend dem Kapitalkonto des K – ein Betrag von 100 Euro vereinbart. Gleichzeitig verpflichtete sich K, seine Anteile an der GmbH für 78.000 Euro an den Kläger zu verkaufen.
Das Finanzamt ging von einer der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vereinigung der GbR-Anteile in der Person des Klägers zum 23.12.2010 aus. In der Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts für das Grundstück beantragte der Kläger, den bilanzierten Buchwert von 2.810.254,90 Euro als nachgewiesenen niedrigeren Wert des Grundstücks anzusetzen. Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 23.12.2010 für Zwecke der Grunderwerbsteuer ermittelte das Finanzamt den Wert des Grundstücks nach dem Ertragswertverfahren und stellte ihn mit 3.493.000 Euro fest. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Der BFH hat entschieden, dass der Grundbesitzwert zutreffend festgestellt wurde. Ein niedrigerer gemeiner Grundstückswert sei durch den Bilanzansatz nicht nachgewiesen worden. Der Bilanzwert sei kein Indiz für den gemeinen Wert eines Wirtschaftsguts. Bilanzwerte gerade von Grundstücken lägen regelmäßig deutlich unter dem Verkehrswert.
Der gemeine Wert eines Grundstücks könne auch nicht aus dem Kaufpreis für die Gesellschaftsanteile abgeleitet werden. Dies gelte insbesondere, wenn das Vermögen der Gesellschaft nicht nur aus dem zu bewertenden Grundstück bestehe, sondern weitere Gegenstände (ggf. auch mit stillen Reserven) umfasse. Rechtlich und tatsächlich seien der Erwerb eines Grundstücks und der Erwerb von Anteilen einer grundbesitzenden Gesellschaft nicht gleichzusetzen. Zum Gesellschaftsvermögen gehöre regelmäßig eine Vielzahl von Wirtschaftsgütern, die nur teilweise und auch nicht zwingend mit dem gemeinen Wert bilanziert seien. Der Kaufpreis für einen Gesellschaftsanteil könne positive oder negative Erwartungen berücksichtigen, die sich (noch) nicht zu einer Bilanzierungspflicht verdichtet hätten, so etwa bei nicht entgeltlich erworbenen immateriellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (§ 5 Abs. 2 EStG) oder bei Risiken, die noch nicht der Rückstellung zugänglich seien. Eine Aufteilung des Kaufpreises für den Gesellschaftsanteil auf einzelne Wirtschaftsgüter sei in der Regel nicht möglich.

C. Kontext der Entscheidung

I. Die Grunderwerbsteuer wird u.a. in Fällen einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG nach den Grundbesitzwerten i.S.d. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 bis 3 BewG bemessen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG i.d.F. des StÄndG 2015 v. 02.11.2015 – BGBl I 2015, 1834). Die neue Regelung zur Bemessungsgrundlage ist auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.2008 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 14 Satz 1 GrEStG).
Nach § 157 Abs. 3 Satz 1 BewG sind für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens und für Betriebsgrundstücke i.S.d. § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG die Grundbesitzwerte unter Anwendung der §§ 159 BewG und 176 bis 198 BewG zu ermitteln. Ein Geschäftsgrundstück ist gemäß § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG im Ertragswertverfahren (§§ 18 bis 188 BewG) zu bewerten.
II. Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 182 bis 196 BewG ermittelte Wert, so ist gemäß § 198 Satz 1 BewG dieser Wert anzusetzen. Nach § 198 Satz 2 BewG gelten für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts grundsätzlich die aufgrund des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften. § 198 BewG regelt nicht, wie der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts zum maßgeblichen Bewertungsstichtag zu führen ist.
1. Nach der Begründung zur Einführung der Bedarfsbewertung (BT-Drs. 13/4839, S. 38, 61) sollte der Nachweis eines niedrigeren tatsächlichen Grundstückswerts regelmäßig durch ein Gutachten eines vereidigten Bausachverständigen oder eines Gutachterausschusses erbracht werden können. Auch ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr kurz vor dem Besteuerungszeitpunkt zustande gekommener Kaufvertrag sollte als Nachweis dienen können. Eine Glaubhaftmachung reichte dagegen nicht aus. Dem ist sowohl die Rechtsprechung (BFH, Urt. v. 10.11.2004 – II R 69/01 – BStBl II 2005, 259) als auch die Finanzverwaltung (R B 198 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 der Hinweise zum ErbStG 2013) gefolgt.
2. Der Steuerpflichtige kann den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks durch Sachverständigengutachten regelmäßig nur durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken führen (BFH, Urt. v. 11.09.2013 – II R 61/11 – BStBl II 2014, 363, Rz 31, zu § 146 Abs. 7 BewG a.F.). Bei dem Sachverständigen muss es sich um einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen handeln. Ein Sachverständigengutachten ist regelmäßig zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines Grundstücks geeignet, wenn es unter Beachtung der maßgebenden Vorschriften (insbesondere den §§ 194 ff. BauGB) ordnungsgemäß erstellt wurde. Ob ein Sachverständigengutachten den geforderten Nachweis erbringt, unterliegt der freien Beweiswürdigung des Finanzgerichts. Der Nachweis ist erbracht, wenn dem Gutachten ohne Einschaltung bzw. Bestellung weiterer Sachverständiger gefolgt werden kann.
3. Ein niedrigerer gemeiner Wert kann auch durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah zum maßgeblichen Besteuerungsstichtag erzielten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück nachgewiesen werden (BFH, Urt. v. 15.03.2017 – II R 10/15 – BFH/NV 2017, 1153). Als gewöhnlicher Geschäftsverkehr ist der Handel nach den wirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage zu verstehen, bei dem die Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not, sondern in Wahrung ihrer eigenen Interessen handeln.

D. Auswirkungen für die Praxis

Ein Sachverständigengutachten und ein zeitnah erzielter Kaufpreis führen dazu, dass dem Finanzamt und dem Finanzgericht weitere Ermittlungen und insbesondere Beweisaufnahmen zur Feststellung des gemeinen Werts eines Grundstücks erspart bleiben. Letztlich soll ein eindeutiges Bewertungsergebnis bei vertretbarem Verwaltungsaufwand erzielt werden. Andere Beweismittel müssen diesen Vorgaben ebenfalls gerecht werden. Noch nicht endgültig geklärt ist, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen auch andere als die bisher anerkannten Nachweise, also z.B. das Gutachten eines nicht öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen, berücksichtigt werden können.
Ebenfalls noch nicht entschieden ist, ob eine Ableitung eines niedrigeren Grundstückswerts aus dem Kaufpreis der Gesellschaftsanteile möglich ist, wenn das Grundstück den einzigen Bilanzposten darstellt und eindeutig feststeht, dass die Gesellschaft über keine weiteren Wirtschaftsgüter verfügt. In diesem Fall dürfte jedoch insbesondere der Nachweis schwierig sein, dass ein selbst geschaffener Geschäftswert nicht vorhanden ist.

Kein Nachweis eines niedrigeren Grundstückswerts durch den Bilanzansatz oder durch Ableitung aus dem Kaufpreis für einen Gesellschaftsanteil
Carsten OehlmannRechtsanwalt
  • Fachanwalt für Steuerrecht
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Fachanwalt für Erbrecht und Zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)
Kein Nachweis eines niedrigeren Grundstückswerts durch den Bilanzansatz oder durch Ableitung aus dem Kaufpreis für einen Gesellschaftsanteil
Silvia SlubikSteuerberater
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