Nachfolgend ein Beitrag vom 30.5.2016 von Prätzler, jurisPR-SteuerR 22/2016 Anm. 6

Leitsatz

Überträgt ein Einzelunternehmer sein Unternehmensvermögen mit Ausnahme des Anlagevermögens auf eine KG, die seine bisherige Unternehmenstätigkeit fortsetzt und das Anlagevermögen auf eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die das Anlagevermögen ihrem Gesellschaftszweck entsprechend der KG unentgeltlich zur Verfügung stellt, liegt nur im Verhältnis zur KG, nicht aber auch zur GbR eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG) vor.

A. Problemstellung

Sowohl zur nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen (§ 1 Abs. 1a UStG) als auch zur umsatzsteuerlichen Organschaft (§ 2 Abs. 2 UStG) ergingen im Laufe des letzten Jahres ungewöhnlich viele Entscheidungen des BFH. Das im Folgenden näher dargestellte Urteil betrifft beide Themenkomplexe.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger hatte ein Bauunternehmen als Einzelunternehmen betrieben, das er per 31.12.2006 in eine GbR und eine GmbH & Co. KG aufteilte. Die GmbH & Co. KG erhielt im Wege einer Einbringung sämtliche Wirtschaftsgüter mit Ausnahme des Anlagevermögens, welches in die GbR übertragen wurde. Die GmbH & Co. KG betrieb die Tätigkeit als Bauunternehmer weiter, wofür ihr die GbR unentgeltlich das Anlagevermögen zur Nutzung überließ. Beide Übertragungen behandelte der Unternehmer als nicht steuerbare Geschäftsveräußerungen im Ganzen. In einer Außenprüfung beanstandete das Finanzamt die Geschäftsveräußerungen und setzte Umsatzsteuer auf die Übertragungsvorgänge fest. Ein Rechtsbehelfsverfahren blieb erfolglos, so dass eine Klage folgte.
Das Finanzgericht kam in seinem Urteil zu dem Ergebnis, es liege eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen vor, denn hierfür sei es unschädlich, wenn der Betrieb, wie vorliegend geschehen, auf mehrere Steuerpflichtige zur gemeinsamen Fortführung übertragen werde (vgl. FG Nürnberg, Urt. v. 06.08.2013 – 2 K 1964/10 – EFG 2013, 1964). Mit der Revision trug das Finanzamt insbesondere vor, die Übertragungen seien einzeln zu beurteilen; beide seien keine Geschäftsveräußerungen. Die GbR sei kein Unternehmer gewesen und auch durch die unentgeltliche Überlassung nicht als solcher tätig geworden. Die KG habe nicht das Bauunternehmen fortgeführt, da ihr hierfür das Anlagevermögen gefehlt habe, d.h. sie habe nicht die notwendigen Betriebsgrundlagen übernommen. Der Kläger beantragte Zurückweisung der Revision, wobei er sich ergänzend auf eine umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der GbR und der KG bezog, denn beide seien eine eng verbundene Gruppe von Personen i.S.d. Art. 4 Abs.4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie.
Der BFH hob das Urteil des Finanzgerichts auf. Dabei differenziert er zwischen den beiden Übertragungsvorgängen, die seiner Auffassung nach einzeln zu würdigen waren. Bezüglich der Einbringung in die KG bejaht der BFH die nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen, denn es sei ausreichend, wenn nicht alle Wirtschaftsgüter eines Betriebs übertragen werden. Vielmehr könne auch eine Nutzungsüberlassung – wie vorliegend durch die GbR erfolgt – genügen, wobei irrelevant sei, ob diese entgeltlich oder unentgeltlich geschehe, und ebenso komme es nicht ohne weitere Prüfung auf die Vertragsdauer an, wie der EuGH bereits entschieden habe (EuGH, Urt. v10.11.2011 – C-444/10 – BStBl II 2012, 848 „Schriever“). Die KG habe vorliegend das Bauunternehmen fortgeführt, womit eine Geschäftsveräußerung anzunehmen sei.
Anders liege der Fall jedoch bezüglich der Übertragung des Anlagevermögens auf die GbR. Die GbR habe insoweit keine eigene unternehmerische Tätigkeit ausgeübt, da sie das Vermögen unentgeltlich der KG überlassen habe (vgl. EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-204/13 – MwStR 2014, 270 = UR 2014, 353 „Malburg“; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 44/2014 Anm. 4). Auch sei keine Gesamtschau mit der Übertragung auf die KG geboten, sondern eine Einzelfallbetrachtung (vgl. EuGH, Urt. v. 30.05.2013 – C-651/11 – MwStR 2013, 337 = UR 2013, 582 „X“; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 33/2013 Anm. 6).
Schließlich sei auch keine umsatzsteuerliche Organschaft anzunehmen. Zunächst fehle es für diese an der notwendigen finanziellen Eingliederung, denn keine der beiden Gesellschaften halte die erforderliche Mehrheitsbeteiligung an einer der anderen. Hieran ändere sich durch die neuere Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 16.07.2015 – C-108/14 und C-109/14 – MwStR 2015, 583 = UR 2015, 671 „Larentia+Minerva“ und „Marenave“; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 43/2015 Anm. 6) und des BFH (Urt. v. 02.12.2015 – V R 15/14 – BFH/NV 2016, 506; BFH, Urt. v. 02.12.2015 – V R 67/14 – BFH/NV 2016, 511; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 17/2016 Anm. 5; BFH, Urt. v. 02.12.2015 – V R 25/13 – BFH/NV 2016, 500) nichts, denn jedenfalls vorliegend seien bei keiner der beiden Gesellschaften nur der Organträger und weitere in diesen finanziell eingegliederte Personen Gesellschafter, und es komme auch nicht die Einbeziehung von Nichtunternehmern in Organkreise in Betracht. Eine natürliche Person als gemeinsamer Organträger sei zwar denkbar, doch müsse diese dann die einzige an der Personengesellschaft beteiligte natürliche Person sein, was nicht gegeben sei.
Abschließend verweist der BFH zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Finanzgericht zurück.

C. Kontext der Entscheidung

Das Urteil erging nicht unerwartet, nachdem bereits der XI. Senat bei einer Geschäftsübertragung an mehrere Erwerber eine kombinierte Betrachtungsweise verworfen hatte (vgl. BFH, Urt. v. 04.02.2015 – XI R 14/14 – BStBl II 2015, 908; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 33/2015 Anm. 6). Ebenso war nach dem EuGH-Urteil „Malburg“ und dessen Nachfolgeentscheidung (vgl. BFH, Urt. v. 26.08.2014 – XI R 26/10 – BFH/NV 2015, 121 = MwStR 2015, 93; Anm. Grube, jurisPR-SteuerR 9/2015 Anm. 6) damit zu rechnen, dass die unentgeltliche Nutzungsüberlassung durch die GbR sich als umsatzsteuerlich kritisch erweisen würde.
Die Rechtsfolgen für den Kläger dürften bezüglich des Übergangs in die GbR erheblich sein, denn die entsprechende Umsatzsteuerbelastung wird mangels Vorsteuerabzugsrecht der GbR final werden. Dabei kann an dieser Stelle offenbleiben, ob der Vorgang als entgeltliche Übertragung (Gegenleistung: Gewährung von Gesellschaftsrechten) oder als unentgeltliche Übertragung und damit steuerbare unentgeltliche Wertabgabe (§ 3 Abs. 1b UStG) anzusehen war.
Der Versuch des Klägers, seine Rechtsposition durch eine Organschaft zu retten (grundsätzlich richtig und sinnvoll), konnte nach der Umsetzung der EuGH-Urteil vom 16.07.2015 durch den BFH nicht mehr zum Erfolg führen, obgleich noch zahlreiche Unklarheiten zu der Frage bestehen, unter welchen Kriterien welche Personengesellschaften ggf. doch umsatzsteuerliche Organgesellschaften sein könnten.
Ergänzend sei erwähnt, dass der BFH in einem jüngeren Urteil (BFH, Urt. v. 25. 11.2015 – V R 66/14 -BFH/NV 2016, 497; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 16/2016 Anm. 6) ausdrücklich anerkannt hat, dass eine sog. Kettenübertragung, d.h. Verfügungsmacht eines Erwerbers im Extremfall nur für eine logische Sekunde, unschädlich für die Geschäftsveräußerung im Ganzen ist, solange der Nacherwerber die Tätigkeit fortführt und dafür die ausreichenden Betriebsgrundlagen besitzt. Die denkbare sehr enge Auslegung des gesetzlich weder im UStG noch in der MwStSystRL explizit enthaltenen Fortführungserfordernisses (begründet im Wesentlichen durch EuGH, Urt. v. 27.11.2003 – C-497/01 – EuGHE I-2003, 14393 „Zita Modes“) wurde damit vom BFH nicht umgesetzt, obwohl dies nach älteren Urteilen zu sog. Bauträgern (beispielhaft BFH, Urt. v. 24.02.2005 – V R 45/02 – BStBl II 2007, 61) teilweise erwartet worden war.

D. Auswirkungen für die Praxis

Es zeigt sich abermals, dass Vermögensübertragungen nicht nur ertragsteuerlich, sondern auch umsatzsteuerlich sorgsam geprüft und gestaltet werden sollten, um nachteilige Rechtsfolgen zu vermeiden. Dabei bestätigt der BFH abermals, nach der Nachfolgeentscheidung zu EuGH „Malburg“, dass unentgeltliche Nutzungsüberlassungen umsatzsteuerlich in der Regel keine unternehmerische Tätigkeit begründen. Dieses mitunter aus anderen Gründen gewählte Modell ist somit umsatzsteuerlich sehr kritisch zu sehen.
Gleiches gilt für die Übertragung ohne Geldleistung oder Gewährung von Gesellschaftsrechten, denn falls dies nicht – wie vorliegend für die KG – als Geschäftsveräußerung im Ganzen qualifiziert, kommt es entweder zu einer finalen Umsatzsteuerbelastung als unentgeltliche Wertabgabe oder zu Vorsteuerrückzahlungen nach § 15a UStG.