Nachfolgend wieder einmal ein sehr lesenswerter Beitrag vom 22.9.2015 von Cranshaw, jurisPR-HaGesR 9/2015 Anm. 1. Wir haben in der Praxis häufig mit derartigen Fragestellungen zu tun. Der Autor, selbst als Rechtsanwalt in Mutterstadt tätig, promovierte im Jahre 2004 mit einer Arbeit über Einflüsse des europäischen Rechts auf das Insolvenzverfahren, veröffentlicht regelmäßig gut begründete und für die tägliche Praxis hilfreiche Urteilsbesprechungen, hier zu einem Urteil des BGH vom 16. Juni 2015 – II ZR 384/13 –, juris

Leitsatz

Entsprechend § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG kann ein Unternehmensvertrag mit einer abhängigen GmbH nur zum Ende des Geschäftsjahrs oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden.

A. Problemstellung

In Konzernen ist der Abschluss eines Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages (vgl. § 291 AktG) aus steuerlichen Gründen (steuerliche Organschaft) und aus Gründen der Konzernstrategie zur Konzernsteuerung zwischen der Gruppenobergesellschaft und der abhängigen Gesellschaft üblich und verbreitet.Dabei ist die Rechtsform der beteiligten Gesellschaften weitgehend ohne Bedeutung, der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages (u.a. „Gewinnabführungsvertrag“, „Ergebnisübernahmevertrag“ oder „EAV“) steht auch anderen Rechtsträgern als der AG offen, wobei die gesetzliche Grundlage allein § 291 AktG ist und eine Entsprechung in anderen gesetzlichen Regelwerken des Gesellschaftsrechts fehlt (vgl. Henssler/Strohn-Paschos, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2014, § 291 AktG Rn. 4 bis 6 m.w.N.; zum EAV bei der GmbH vgl. BGH, Beschl. v. 24.10.1988 – II ZB 7/88 – BGHZ 105, 324). So etwa steht der EAV auch einer Anstalt des öffentlichen Rechts (z.B. einer Bank) als Obergesellschaft zur Verfügung, die ihre abhängigen Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH im Sinne eines Unternehmensvertrags gem. § 291 AktG beherrschen will.
Umgekehrt besteht ein erhebliches Interesse der Konzernobergesellschaft daran, den Vertrag möglichst umgehend zu beenden, wenn er aus strategischen Gründen nachteilig geworden ist oder zu werden droht. Das ist etwa der Fall, wenn die abhängige Gesellschaft oder wesentliche Anteile daran an einen Dritten veräußert werden, ggf. sogar, wenn die Beteiligung nur innerhalb des Konzerns auf eine Zwischenholding (zum Zwecke späterer Veräußerung) oder ein Joint Venture mit einem dritten Investor „umgehängt“ werden soll, wenn dies bereits geschehen ist, aber auch, wenn die abhängige Gesellschaft Verluste hinnehmen muss. Die beherrschte Gesellschaft, die aufgrund des Ergebnisabführungsvertrages keine Reserven aus ihrem operativen Ergebnis bilden konnte, steht bei Beendigung des Vertrages für die Zukunft plötzlich ohne Verlustausgleichsanspruch da; ein Element ihrer Bonitätsbeurteilung durch Fremdkapitalgeber ist weggebrochen.
Die immer wieder einmal ins Auge gefasste Lösung zur sofortigen Beendigung des Ergebnisabführungsvertrages aus dem Blick der Obergesellschaft ist dessen Kündigung durch diese aus wichtigem Grund oder die sofortige einvernehmliche Aufhebung des Vertrages, der eine Weisung an die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft durch deren Gesellschafterversammlung vorausgeht – die wiederum die Konzernmutter selbst darstellt – den Aufhebungsvertrag abzuschließen. Dem steht allerdings das Verbot der Aufhebung eines solchen Vertrages während des laufenden Geschäftsjahrs entgegen (§ 296 Abs. 1 AktG). Mit der Reichweite dieser Bestimmung hatte sich der BGH in einem Fall mit erheblicher wirtschaftlicher Tragweite und grenzüberschreitenden Bezügen im Rahmen eines Sekundärinsolvenzverfahrens nach Art. 3 Abs. 2, 3 EuInsVO zu befassen. Die hier besprochene Entscheidung des Gesellschaftsrechtssenats ist einer der späten Schlussakkorde im Kontext mit dem fehlgeschlagenen industriellen Engagement von BMW bei der ehemaligen traditionsreichen englischen Rover-Gruppe im Jahre 1994 bzw. der Trennung davon im Jahre 2010. Für die Unternehmenspraxis ist die Entscheidung von erheblicher praktischer Bedeutung.

B.Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Kläger ist der Sekundärinsolvenzverwalter einer inländischen MGRD GmbH, die spätere Insolvenzschuldnerin (vgl. den Sachverhalt nach OLG München, Urt. v. 20.11.2013 – 7 U 5025/11 – ZIP 2014, 1067), deren Centre of Main Interests nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO im Vereinigten Königreich angenommen worden war. Die MGRD war eine inländische Vertriebsgesellschaft der Rover-Gruppe, über deren Muttergesellschaft und deren ausländische Vertriebsgesellschaften, u.a. die MGRD, im April 2005 ein englisches Insolvenzverfahren vom High Court in Birmingham eröffnet worden war (Beschl. v. 18.04.2005 – 2375-2382/05 u.a. – ZIP 2005, 1610). Das Sekundärinsolvenzverfahren über das Vermögen der inländischen MGRD wurde sodann am 07.11.2005 in Düsseldorf eröffnet. Die MGRD hatte mit der späteren Beklagten, einer B. GmbH, die zum Konzern der B.-AG gehörte, im Mai 1996 einen Ergebnisabführungsvertrag (EAV) mit einer Laufzeit bis zum 31.12.2000 abgeschlossen; danach sollte er sich jeweils um ein Jahr verlängern, wenn nicht eine der Parteien die Aufhebung unter Einhaltung einer Frist von zwei Monaten auf den Ablauftermin verlangte. Die B. GmbH und Anteilseignerin der MGRD war ihrerseits über einen EAV mit der B.-AG verbunden, die die Anteile an der B. GmbH hielt.
Die Strukturen sind für Konzerne mit zentraler strategischer Steuerung und Zwischenholdings charakteristisch. Kontext der Transaktionen war die Eingliederung der Rovergruppe in den Konzern der B.-AG im Jahr 1994 (OLG München, Rn. 4 ff.). Im März 2000 begann sich der B.-Konzern von Rover durch Übertragung an einen Investor zu trennen (vgl. Spiegel online, 16.03.2000, http://www.spiegel.de/wirtschaft/ausverkauf-bmw-trennt-sich-von-rover-mg-und-land-rover-a-69315.html, abgerufen am 08.09.2015). Zu dem Konzern der B.-AG gehörten als „Teilkonzern“ diverse Rover-Gruppengesellschaften im Vereinigten Königreich in der Rechtsform der „Limited“ (Ltd.), der Private Company Limited by Shares nach dem Recht von England und Wales, nämlich eine R. Group Ltd. als Eignerin einer R.O. Holdings Ltd., wobei Obergesellschaft der R. Group Ltd. wiederum eine B. (UK) Holdings Ltd. war. Am 10.04.2000 übertrug die spätere Beklagte ihre Anteile an der MGRD und späteren Insolvenzschuldnerin auf die R.O. Holdings Ltd. Am 25.04.2000 vereinbarten die Vertragsparteien des vorliegend streitbefangenen EAV, die MGRD und die B. GmbH, „auf Veranlassung“ der B. AG als Konzernobergesellschaft (aus Sicht der Praxis folgerichtig) die Aufhebung des EAV mit „sofortiger Wirkung“. Die entsprechende Eintragung im Handelsregister der MGRD in Neuss (OLG München, Rn. 7) erfolgte am 06.07.2000.
Bereits zum 31.12.1999 hatte die beherrschte Gesellschaft einen Jahresfehlbetrag in Höhe von umgerechnet ca. 39 Mio. Euro hinzunehmen. Zum 31.12.2000 wies der Abschluss der MGRD einen weiteren (von DM in Euro umgerechneten) Jahresfehlbetrag in Höhe von ca. 86,9 Mio. Euro aus. Der Kläger bezifferte diesen Verlust, bezogen auf den 28.04.2000, sogar auf ca. 128,2 Mio. Euro. In Höhe der genannten Beträge zum 31.12.1999 und zum 28.04.2000, hilfsweise in Höhe des geringeren Jahresfehlbetrages zum 31.12.2000 (jeweils nebst Zinsen), nahm er die Beklagte auf Zahlung von Verlustausgleich gem. § 302 Abs. 1 AktG (analog) in Anspruch. Das LG München hat die Beklagte auf Zahlung von ca. 39 Mio. Euro (Verlustausgleich 1999) und i.H.v. ca. 86,9 Mio. Euro (Verlustausgleich 2000) nebst Zinsen verurteilt, wobei der Zinsanspruch teilweise abgewiesen wurde. Das OLG München hat (von an dieser Stelle nicht weiter zu erörternden Zinsansprüchen abgesehen) die Berufungen beider Prozessparteien zurückgewiesen. Die Revision hat das OLG München nicht zugelassen. Der BGH hat sodann seinerseits die Revisionen beider Prozessparteien zugelassen, die sich noch mit dem Verlustausgleichsanspruch für das Jahr 2000 befassen. Das Berufungsurteil bezüglich des Anspruchs aus dem Jahr 1999 ist offenbar nicht mehr angegriffen und rechtskräftig geworden.
Der Kläger begehrt mit seiner Revision Zahlung der 128,2 Mio. Euro nebst 5% Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz vom 25.04.2000 bis zum 28.12.2000 und von 8% p.a. über dem Basiszinssatz seitdem; die Beklagte begehrte unverändert Klageabweisung. Die B.- AG hatte der späteren Schuldnerin ein „Kontokorrentdarlehen“ eingeräumt, das zum Zeitpunkt der Anteilsveräußerung bzw. zum 31.12.2000 noch mit 320 Mio. DM valutierte (= ca. 163,2 Mio. Euro); dieses Darlehen hatte sie aber nicht „verwertet“, sondern an die R. Group Ltd. abgetreten. Abreden anlässlich dieser Transaktion unter Beteiligung der Schuldnerin, etwa des Inhalts, diese weiter zu finanzieren und diesen Betrag zur Verlustdeckung zu verwenden, gab es nicht, ebenso wenig eine Genehmigung der Schuldnerin gem. § 415 Abs. 1 BGB (die eine entsprechende privative Schuldübernahme zugunsten der Schuldnerin des Verlustausgleichsanspruchs und zulasten der Zessionarin R. Group Ltd. bewirkt hätte). Gegenstand des Parteivortrags war auch eine „Kapitalisierungsverpflichtung“ der englischen Erwerberin des Darlehens gegenüber der Schuldnerin, die an dieser Vereinbarung aber eben nicht beteiligt war; dieser Kapitalisierungsverpflichtung war nach dem Vortrag der Beklagten die M.R.O. Holdings Ltd. im Juni 2001 durch eine Patronatserklärung und die M.R. Group Ltd. im Oktober 2002 durch einen Rangrücktritt nachgekommen. Zu dem Verlustausgleichsanspruch verhielt sich aber keine dieser Transaktionen ausdrücklich.
Das OLG München hat im Wesentlichen darauf erkannt, der EAV habe erst zum 31.12.2000 aus den Gründen des auch auf die abhängige GmbH anzuwendenden § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG aufgehoben werden können, nicht schon zum 27.04.2000. Besonderheiten des GmbH-Rechts stünden dem nicht entgegen. Unbeachtlich sei, dass die unterjährige Beendigung eines solchen Vertrages etwa bei „fristloser Kündigung“ oder Insolvenz „bewältigt“ werden könne und auch Zwischenabschlüsse erstellt werden könnten. Der Gesetzgeber habe, so das Oberlandesgericht im Ergebnis, einen unterjährigen Aufhebungsvertrag während eines Geschäftsjahrs nicht zugelassen. Eine Umdeutung in eine fristlose Kündigung scheide aus, die Veräußerung der Beteiligung sei kein wichtiger Grund. Andernfalls könne das herrschende Unternehmen einen „mittlerweile unerwünschten Unternehmensvertrag“ nach seinem Belieben beenden. Die Übertragung der Darlehensforderung der B.-AG an die M.R. Group Ltd. sei keine „Erfüllung des Verlustausgleichsanspruchs“, weil der Sachverhalt hierfür keine Anhaltspunkte biete.
Der Senat hat die Revisionen beider Parteien zurückgewiesen. Das Berufungsgericht habe zu Recht die Aufhebung des EAV zum 25.04.2000 als unwirksam betrachtet und als Beendigungsdatum den 31.12.2000 angenommen. Nach eingehender Auseinandersetzung mit dem Schrifttum betont der Senat, Unternehmensverträge mit einer abhängigen GmbH könnten in analoger Anwendung des § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG nur zum Ende des jeweiligen Geschäftsjahrs oder des vertraglich „bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden“. Der BGH wende die Normen des Aktiengesetzes über Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge auf die abhängige GmbH entsprechend an, soweit dem nicht Unterschiede der „Binnenverfassung“ der AG bzw. der GmbH entgegenstünden. Der Beendigungszeitpunkt eines Beherrschungs- bzw. Gewinnabführungsvertrags habe damit nichts zu tun, der Senat habe das Rückwirkungsverbot des § 296 Abs. 1 Satz 2 AktG entsprechend auf die GmbH angewandt. Gesetzgeberische Gründe der Norm seien Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gewesen (Hinweis des Senats auf § 285 AktG-RegE 1962 = § 296 AktG, BT-Drs. IV/171 v. 03.02.1966, S. 66, 220). Ohne Belang sei, dass die unterjährige Beendigung bei anderen Konstellationen als der Vertragsaufhebung zulässig und zur Berücksichtigung der Ansprüche von Gesellschaftern und zum Gläubigerschutz hinreichend sei.
Als Beispiele verweist der Senat auf die Insolvenz der beherrschten Gesellschaft oder die Kündigung des EAV aus wichtigem Grund. Dabei überwiege (nur) in diesen Fällen das Interesse an der unterjährigen Beendigung gegenüber den damit verbundenen Nachteilen. Der Gesetzgeber habe auch nicht unrichtig angenommen, eine unterjährige Beendigung sei nicht möglich, wie aus § 297 AktG hervorgehe. Die weiteren Fragen der Kündigung aus wichtigem Grund, die schnelle Lösungen fordere, habe er bewusst der Vertragsautonomie überlassen (BT-Drs. IV/171, S. 220, zu § 286 AktG-RegE = § 297 AktG). Die analoge Anwendung des § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG sei auch nicht sehr belastend für die Konzernobergesellschaft, denn sie könne nach der Senatsjudikatur satzungsändernd (mit Wirkung ab der Registereintragung ex nunc) ein Rumpfgeschäftsjahr einführen. Vorliegend hat der BGH den Vertrag zum 31.12.2000 enden lassen und die unwirksame Aufhebung als Aufhebungsverlangen der herrschenden Gesellschaft gewertet, das zur Beendigung nach den getroffenen Vereinbarungen führte. In der Erklärung der Beklagten im Aufhebungsvertrag hat der Senat keine Kündigung aus wichtigem Grund gesehen. Unter Auseinandersetzung mit der Literatur hat er es offengelassen, ob die Veräußerung der Beteiligung ein wichtiger Grund zur Kündigung analog § 297 Abs. 1 Satz 1 AktG durch die herrschende Gesellschaft sei. Hier sei dies jedenfalls zu verneinen, die Fortführung des Vertrages bis zum Ende des Jahres 2000 sei zumutbar gewesen. Die Erwerberin der Anteile an der MGRD habe zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung noch zum Konzern der B.-AG gehört.
Eine Erfüllungswirkung durch die weiteren Finanztransaktionen im Umfeld der Neuausrichtung zwischen dem B.-Konzern und der Rovergruppe sei bezüglich des Verlustausgleichsanspruchs der Schuldnerin nicht eingetreten. Der Senat stellt zunächst fest, werthaltige Leistungen an Erfüllungs statt seien zur Erfüllung des Anspruchs auf Verlustausgleich geeignet, verneint aber eine solche Konstellation vorliegend unter der hier nicht weiter interessierenden Abwägung des konkreten Sachverhalts. Der Gläubiger des Verlustausgleichs handele auch nicht treuwidrig, wenn er eine Leistung an Erfüllungs statt ablehne, denn zu einer entsprechenden Vereinbarung nach § 364 Abs. 1 BGB sei er nicht verpflichtet.
Ausführlich setzt sich der Senat sodann mit den geltend gemachten Zinsansprüchen auseinander, die hier aufgrund des begehrten Zinssatzes und der Dauer einen beachtlichen Prozentsatz des Hauptanspruchs ausmachten. Der Senat bejaht die vom Berufungsgericht zugesprochenen Fälligkeitszinsen ab dem Ablauf des Geschäftsjahrs, in dem der Verlustausgleichsanspruch entstanden ist. Er verneint aber den Verzugseintritt und damit Verzugszinsen schon ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit. Vielmehr bedürfe es hierfür der Aufstellung des Jahresabschlusses und der Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs durch die Geschäftsleitung der beherrschten Gesellschaft sowie der Mahnung (§ 286 BGB). Der später anzuwendende Verzugszinssatz belaufe sich auf 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Den vom Kläger geltend gemachten Zinssatz von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 288 Abs. 2 BGB (nach heutiger Fassung 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) für Entgeltforderungen hat der Senat unter Hinweis auf die Regelung zur zeitlichen Geltung dieser Norm gem. Art. 229 § 34 Satz 1 EGBGB abgelehnt. Einen Teil des Zinsanspruchs (bis 2005) hat der Senat zudem für verjährt gehalten, denn die zehnjährige Sonderverjährung des § 302 Abs. 4 AktG für den Hauptanspruch auf Verlustausgleich gelte nicht für den Zinsanspruch als Nebenforderung; er unterliegt der Regelverjährung nach BGB.

C. Kontext der Entscheidung

I. Analoge Anwendung des § 296 Abs. 1 Satz 1 AktG auf andere „Untergesellschaften“ als die Aktiengesellschaft

1. Der analogen Anwendung des § 296 Abs. 1 AktG auf die GmbH durch den BGH ist zuzustimmen. Es handelt sich um eine erfreuliche Klarstellung, die der Möglichkeit von Unternehmensverträgen in Gestalt des Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages unter Beteiligung von Gesellschaften, die weder Aktiengesellschaft noch KGaA oder Societas Europaea (SE) sind, angemessen Rechnung trägt (vgl. den Überblick bei Henssler/Strohn-Paschos, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2014, § 296 AktG Rn. 5, 6, m.w.N.). Es ist nicht erkennbar, dass die „Binnenverfassung“ der GmbH, wie der BGH das nennt (Besprechungsentscheidung Rn. 14), dem entgegenstünde. Aus dem Blick der beherrschten Gesellschaft und dem Blick der Gläubiger ist die Verlustausgleichspflicht u.a. Teil der Kapitalerhaltung (dazu Henssler/Strohn-Paschos, Gesellschaftsrecht, § 302 AktG Rn. 2; BGH, Urt. v. 14.12.1987 – II ZR 170/87 – BGHZ 103, 1 ff./10). Der Anspruch der Gläubiger auf Sicherheitsleistung nach § 303 Abs. 1 AktG reicht nach BGHZ 103, 1 ff./10 nicht aus. Man darf dabei nicht verkennen, dass die herrschende Gesellschaft während der Dauer des EAV die Jahresüberschüsse der beherrschten Gesellschaft bei bilanzieller Betrachtung „automatisch“ abschöpft. Ein Jahresüberschuss ist nicht auszuweisen, dieser ist vielmehr als Anspruch der herrschenden Gesellschaft und damit bei der beherrschten Gesellschaft als Verbindlichkeit in derselben Höhe zu passivieren. In zentral geleiteten Konzernen ist es sicherlich auch nicht selten so, dass nach Feststellung des Jahresabschlusses die Ansprüche auf Gewinnabführung im Einzelfall ggf. „automatisch“ liquiditätsmäßig zugunsten der herrschenden Gesellschaft aufgrund entsprechend geschaffener Auftrags- und Zahlungsverkehrsstrukturen (SEPA-Lastschrift usw.) zentral umgebucht werden. Lässt die Rechtsordnung im GmbH-Konzern zu Recht einen EAV nach Maßgabe der §§ 291 ff. AktG (analog) zu, sind die entsprechenden Regelungen über die Aufhebung des Vertrags und die Kündigung ohne Zweifel analog anzuwenden, da Unterschiede zwischen der GmbH und dem Recht der dem AktG unterstellten Gesellschaften insoweit nicht erkennbar sind.
2. Hier wie dort geht es um den Schutz der beherrschten Gesellschaft und deren Gläubiger. Aus rechtstatsächlichem Blick darf darauf hingewiesen werden, dass die beherrschte Gesellschaft am Markt aufgrund der kaum möglichen Eigenkapitalbildung aus eigener Kraft als Folge der Gewinnabführung meist auf die Bonitätsleihe der Obergesellschaft angewiesen ist und dass sie zugleich, solange der EAV besteht und die herrschende Gesellschaft entsprechend bonitätsstark ist, kaum ein Überschuldungsrisiko hat; dem Fehlbetrag steht ein gleich großer Verlustausgleichsanspruch gegenüber (§ 302 Abs. 1 AktG). Zahlungsunfähig kann sie gleichwohl werden. Der Verlustausgleichsanspruch des abgelaufenen Geschäftsjahrs ist am 01.01. des Folgejahrs zwar bereits entstanden, fällig und zu verzinsen; die beherrschte Gesellschaft kann daher auch Abschlagszahlungen verlangen (Henssler/Strohn-Paschos, Gesellschaftsrecht, § 302 AktG Rn. 15; Folge aus BGH, Urt. v. 11.10.1999 – II ZR 120/98 – BGHZ 142, 382 ff./386, Ermittlung des Anspruchs aus einer Zwischenbilanz). Entstehen aber auch im laufenden Geschäftsjahr Fehlbeträge, wie so oft bzw. regelmäßig in der insolvenznahen Krise, wie das auch im Fall der Besprechungsentscheidung so war, besteht kein Anspruch auf Bevorschussung gegen die herrschende Gesellschaft (Henssler/Strohn-Paschos, Gesellschaftsrecht, § 302 AktG Rn. 15; BGH, Urt. v. 19.09.1988 – II ZR 255/87 „Hamburger Stahlwerke“ Rn. 37 – BGHZ 105, 168). Daher kann die abhängige Gesellschaft illiquide und insolvent werden (§ 17 InsO); ein Insolvenzantrag kommt auch wegen drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) in Frage, wenn die Konzernobergesellschaft Abschlagszahlungen auf im laufenden Jahr bereits entstandene Verluste ablehnt.
3. Im vorliegenden Fall hätte es freilich dem Interesse des Insolvenzverwalters entsprochen, wenn eine unterjährige Beendigung möglich gewesen wäre, da die Verluste der Gesellschaft sich offenbar vom April 2000 bis zum Jahresende 2000 reduzierten.

II. Änderung des Geschäftsjahrs anstelle unterjähriger Aufhebung des Ergebnisübernahmevertrages?

Der BGH hat der herrschenden Gesellschaft den Ausweg der satzungsändernden Änderung des Geschäftsjahrs gewiesen. Allerdings bewahrt diese Lösung die verpflichtete Konzernobergesellschaft nicht vor dem Ausgleich der bis zur Eintragung bereits entstandenen Verluste, die sich während des laufenden Geschäftsjahrs wie hier auch noch reduzieren können.

III. Verteidigungslinien der herrschenden Gesellschaft

1. Das Berufungsurteil des OLG München insbesondere zeigt die möglichen Verteidigungslinien der herrschenden Gesellschaft auf, die Ansprüche auf Verlustausgleich vermeiden oder dahingehende Risiken reduzieren will. Alle zulässigen Strategien zur sofortigen Beendigung eines EAV haben den Vorteil, dass die Eintragung der Beendigung (§ 298 AktG) im Handelsregister zwar erforderlich, aber anders als dessen Abschluss nicht konstitutiv ist (vgl. BT-Drs. IV/171 v. 03.02.1962, Begründung zu § 287 AktG-RegE = § 298 AktG).
2. Zum einen geht es um die in § 297 AktG vorgesehene Kündigung aus wichtigem Grund, eine Norm, die analog auf andere Rechtsträger wie etwa die GmbH anzuwenden ist. Der BGH hat die Veräußerung einer Beteiligung als wichtigen Grund offengelassen und hier aus den besonderen Gründen des Sachverhalts (Übertragung der Beteiligung an eine noch konzernzugehörige Gesellschaft) abgelehnt. Da nicht anzunehmen ist, dass die Veräußerung als solche dazu führt, dass die Gesellschaft ihre Pflichten nicht erfüllen wird (§ 297 Abs. 1 Satz 2 AktG), steht die Veräußerung der Beteiligung dieser Sachverhaltskonstellation nicht gleich. Auch das berechtigte Interesse des Erwerbers, seine Gewinnaussichten nicht geschmälert zu sehen, ist kein wichtiger Grund. Es liegt allein in der Hand der Parteien des Übertragungsvertrags der Beteiligung, hier geeignete Stichtags- und Schnittstellenregelungen zu treffen, wie dies auch üblich und bei sachgerechter Gestaltung der Vertragsdokumentation unerlässlich ist. Die Fortführung des EAV bis zur Vertragsaufhebung zum Ende des laufenden Geschäftsjahrs bzw. die Einführung eines Rumpfgeschäftsjahrs bieten hier genügend Flexibilität, zumal die Gesellschafterversammlung der GmbH die Geschäftsführung anweisen kann, einen Aufhebungsvertrag nach Maßgabe des Gesetzes zu schließen. Der BGH hätte daher die Frage nicht dahinstehen lassen müssen, ein obiter dictum wäre zu begrüßen gewesen.
Das OLG München weist im Berufungsurteil die Veräußerung der Beteiligung zu Recht der Sphäre der Obergesellschaft zu und betont, diese hätte es, ließe man die Kündigung aus wichtigem Grund wegen der Veräußerung der Beteiligung zu, in der Hand, sich von einem „mittlerweile unerwünschten Vertrag“ zu lösen (OLG München, Urt. v. 20.11.2013 – 7 U 5025/11 Rn. 57). Das OLG München hat in einer früheren Entscheidung im Rahmen einer Registerbeschwerde auch die Liquidation einer GmbH durch den Alleingesellschafter zutreffend nicht als wichtigen Grund für die Kündigung eines EAV betrachtet (OLG München, Beschl. v. 20.06.2011 – 31 Wx 163/11 Rn. 11 – ZIP 2011, 1912; zustimmend Cranshaw, jurisPR-HaGesR 1/2012 Anm. 4).
3. Von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage kann bei Veräußerung ebenfalls nicht die Rede sein. Man kann allerdings die Beendigung der Beteiligung als Kündigungsgrund des EAV vereinbaren; dann geht es freilich um eine ordentliche Kündigung (vgl. § 297 Abs. 2 AktG; so im Ergebnis zur Vereinbarung von Kündigungsgründen im EAV Henssler/Strohn-Paschos, Gesellschaftsrecht, § 297 AktG Rn. 6 f., m.w.N.).
4. Die herrschende Gesellschaft hat ferner die Möglichkeit, eigene Ansprüche gegen den Verlustausgleichsanspruch zu verrechnen bzw. aufzurechnen oder entsprechende Abreden zu treffen, wenn nur die betroffene beherrschte Gesellschaft eingebunden wird und zustimmt. Dann ist auch die Leistung an Erfüllung statt gem. § 364 Abs. 1 BGB zulässig und hinreichend (Besprechungsurteil Rn. 21 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 10.07.2006 – II ZR 238/04 – BGHZ 168, 285 Rn. 7). In der Krise bzw. Insolvenznähe der beherrschten Gesellschaft ist aber der Nachrangcharakter der Forderungen der herrschenden Gesellschaft nach § 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4, 5 InsO in der Insolvenz ebenso zu bedenken wie die etwaige Anfechtbarkeit gem. § 135 InsO und die insolvenzrechtliche Unwirksamkeit der Aufrechnung gem. § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO.

IV. Zinsansprüche

Die Ausführungen des BGH zum Fälligkeitszins und zur Frage des Verzugs erscheinen zwingend; dem ist nichts hinzuzufügen. Die Frage des erhöhten Zinses für Entgelte hat er aber offengelassen. Das OLG München hat den Charakter als Entgeltzins gem. § 288 Abs. 2 BGB verneint und sich dazu mit der Richtlinie 2000/35/EG (Nachfolgeregelung ist die RL 2011/7/EU v. 16.02.2011, ABl. EU L 48 v. 23.02.2011, S. 1 ff.), die Hintergrund des § 288 Abs. 2 BGB ist, sowie der Judikatur des EuGH zum „Entgeltbegriff“ im Unionsrecht auseinandergesetzt. Eine „Entgeltforderung“ in diesem Sinne sei eine Gegenleistung für eine Leistung des Gläubigers. Hierbei handele es sich aber beim Verlustausgleichsanspruch nicht, dieser sei vielmehr garantieähnlich ohne Gegenleistung. Die Pflicht zum Verlustausgleich kompensiert die „Lockerung der Vermögensbindung“ (Henssler/Strohn-Paschos, Gesellschaftsrecht, § 302 AktG Rn. 2, m.w.N.; vgl. auch § 30 Abs. 1 GmbHG). Sie kann daher nicht als Entgelt für eine auch weit verstandene „Dienstleistung“ nach dem zitierten europäischen Richtlinienrecht betrachtet werden, deren Nichtvergütung zu einem erhöhten Entgeltverzugszins führt. Eine Vorlage an den EuGH hat das OLG München daher folgerichtig abgelehnt, da es nicht um das Verständnis einer Norm des Unionsrechts, sondern des nationalen Rechts geht, nämlich des § 302 AktG (hier in analoger Anwendung).

V. Bezüge zum internationalen Gesellschaftsrecht

Das Besprechungsurteil zeigt ferner als Nebeneffekt, ohne dass dies thematisiert worden wäre, dass die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens über das Vermögen einer inländischen Gesellschaft im europäischen Ausland nach Art. 3 EuInsVO in keiner Weise das inländische Gesellschaftsrecht beeinträchtigt. Unter Beachtung der ständigen Rechtsprechung des EuGH zu den „Scheinauslandsgesellschaften“ (u.a. Urt. v. 30.09.2003 – Rs. C-167/01, Slg. I-2003, 10195 ff. „Inspire Art“) führt die dort zugrunde gelegte Gründungtheorie dazu, dass alle gesellschaftsrechtlichen Vorgänge nach dem Recht des Gründungsstaats abzuwickeln sind. Hätte es kein Sekundärverfahren gegeben, hätten die englischen Verwalter des Hauptverfahrens daher den Anspruch aus § 302 AktG verfolgen können.

D. Auswirkungen für die Praxis

I. Vorgehen beim Abschluss eines Ergebnisübernahmevertrages

Die Beteiligten werden bei der Formulierung eines Beherrschungs- und Ergebnisübernahmevertrages in Konsequenz der Besprechungsentscheidung ihr Augenmerk auf eine sorgfältige Fassung der Beendigungsklauseln richten. Einzelfallabhängig kann es sinnvoll sein, wichtige Gründe für eine außerordentliche Kündigung, aber auch eine ordentliche Kündigung zu formulieren. Ob es strategisch klug ist, die Übertragung der Beteiligung auf einen Dritten als Beendigungsgrund zu definieren, ist eine andere Frage.

II. Durchsetzung des Anspruchs auf Verlustausgleich

Die Anspruchsteller, in der Praxis vielfach die Insolvenzverwalter einer fallierten Konzerngesellschaft nach Beendigung des Ergebnisabführungsvertrages, werden die Kriterien des vorliegenden Urteils des Gesellschaftsrechtssenats zusammen mit dem Berufungsurteil des OLG München als Maßstab ihres Vorgehens heranziehen können.