„Die EU-Standard-Mehrwertsteuererklärung spart Unternehmen jährlich bis zu 15 Milliarden Euro !“, teilte die Europäische Kommission verheißungsvoll mit, als das Europäische Parlament dem Kommissionsvorschlag mit großer Mehrheit im Februar dieses Jahres zustimmte. Der am 23.10.2013 auf den Weg gebrachte Kommissionsvorschlag (COM (2013) 721 final) soll allen Beteiligten nur Vorteile bringen: Die Unternehmerschaft profitiere von einem vereinfachten Verfahren, niedrigeren Kosten und weniger Bürokratie. Und die Regierungen der Mitgliedstaaten erhielten ein neues Instrument, um die Einhaltung der Mehrwertsteuervorschriften zu erleichtern. Dies dürfte zudem die sog. MwSt-Lücke weiter schließen und Mehreinnahmen generieren.

Was beinhaltet der Kommissionsvorschlag?

Nach der von der Europäischen Kommission zu diesem Vorhaben veröffentlichten Folgenabschätzung (SWD (2013) 426 final) reichen EU-weit jährlich etwa 30 Millionen Unternehmen nahezu 150 Millionen Mehrwertsteuererklärungen bei ihren Finanzämtern ein. Die vorangegangenen Konsultationen haben ergeben, dass die höchst unterschiedlich ausgestalteten Mehrwertsteuererklärungen der 27 Mitgliedstaaten zu finanziellen und organisatorischen Belastungen bei grenzüberschreitender Wirtschaftstätigkeit führen. Um dem Wunsch der Unternehmer nach Vereinfachungen in diesem Bereich Rechnung zu tragen, soll das neue Formular die Mehrwertsteuererklärungen der Mitgliedstaaten vollständig ersetzen und damit die bisherige verfahrensrechtliche Komplexität entschärfen.

Der Kommissionsvorschlag sieht insbesondere folgende Neuerungen vor, die ab 01.01.2017 gelten sollen:

  • Die EU-Standard-Mehrwertsteuererklärung gilt in allen Mitgliedstaaten verbindlich, womit die bisherigen nationalen Mehrwertsteuererklärungen entfallen.
  • Das Formular enthält fünf auszufüllende Pflichtfelder, die allerdings auf nationaler Ebene um 21 weitere Felder ergänzt werden können.
  • Die Formulare sind weiterhin in der jeweiligen Landessprache abzugeben.
  • Zusätzliche Angaben, wie beispielsweise bei der Lieferung bzw. dem Erwerb neuer Fahrzeuge, sollen mittels separater Erklärungen erhoben werden.
  • Als einheitlicher Besteuerungszeitraum ist ein Monat vorgesehen, wobei die Bestimmung eines längeren Zeitraums von bis zu einem Jahr möglich sein soll.
  • Die Abgabefristen sollen vereinheitlicht werden. Die Abgabe der Mehrwertsteuererklärungen soll mindestens einen Monat und höchstens zwei Monate nach Ablauf des jeweiligen Besteuerungszeitraums erfolgen.
  • Für Kleinstunternehmen mit einem Jahresumsatz von weniger als zwei Millionen Euro ist eine quartalsweise Abgabe geplant.
  • Die Abgabe einer zusammenfassenden Jahressteuererklärung würde künftig entfallen. Berichtigungen sollen in die EU-Standard-Mehrwertsteuererklärung aufgenommen werden.
  • Die EU-Standard-Mehrwertsteuererklärung soll auf elektronischem Wege EU-weit unter Verwendung einer elektronischen Signatur abgegeben werden können.

Bundesrat segelt gegen den Wind

Der Kommissionsvorschlag hat bereits unmittelbar nach seiner Veröffentlichung den Bundesrat auf den Plan gerufen. Mit seiner an die Europäische Kommission gerichteten Subsidiaritätsrüge vom 29.11.2013 (BR-Drucksache 735/13) moniert der Bundesrat aus guten Gründen, dass die EU keine Kompetenz für entsprechende verfahrensrechtliche Regelungsbereiche zusteht. Die primärrechtliche Kompetenzzuweisung beschränke sich nur auf die Regelungen zum materiellen Mehrwertsteuerrecht und solle allein eine harmonisierte Bestimmung der steuerlichen Bemessungsgrundlage im Binnenmarkt ermöglichen.

Über dies führt der Bundesrat in seiner Rüge an, dass die angestrebten Ziele wie die Verkleinerung der Mehrwertsteuerlücke und die Vereinfachung des Verfahrens für alle Beteiligten durch den Vorschlag verfehlt werden. Die Abweichungen in den Mitgliedstaaten blieben durch die Möglichkeit zur Nutzung von insgesamt 21 optionalen Angaben weiterhin sehr groß. Auch sei die Behauptung der Kommission, die Kontrolle der Erklärungen durch die Mitgliedstaaten würde verbessert, nicht nachvollziehbar. Für diejenigen Mitgliedstaaten, die wie Deutschland bereits über ein funktionierendes IT-Verfahren zur elektronischen Erklärungsabgabe mit entsprechenden Prüfungsroutinen und über jahrelang gewachsene IT-Strukturen verfügen, bedeute die Umsetzung der beabsichtigten Änderungen keinen Mehrgewinn. Zumal die Frist zur Implementierung neuer Prüfungsroutinen zu knapp bemessen sei. Schließlich verletze der Kommissionsvorschlag auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den der Gewaltenteilung.

Wie ist der aktuelle Sachstand?

In ihrer Stellungnahme vom 26.03.2014 (BR-Drucksache 735/13 (B)) zeigte die Europäische Kommission deutlich auf, dass sie den Ausführungen des Bundesrats überwiegend nicht folgt. In regelmäßigen Abständen tagt inzwischen ein Vorbereitungsgremium des Rats der Europäischen Union, um die Beratungen zu diesem Thema zum Abschluss zu bringen. Dem Vernehmen nach hat Anfang November die Debatte um die EU-Standard-Mehrwertsteuererklärung im ECOFIN (Rat Wirtschaft und Finanzen) begonnen. Dieser für die Themen „Wirtschaft und Finanzen“ zuständigen Formation des Rats gehören die Wirtschafts- und Finanzminister aller Mitgliedstaaten an. Auch die zuständigen Mitglieder der Europäischen Kommission nehmen an den Tagungen teil.

Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat jüngst in seiner Sitzung vom 07.11.2014 beschlossen, dass der Vorschlag für eine EU-Standard-Mehrwertsteuererklärung auch nach dem derzeitigen Stand der Beratungen im Rat der Europäischen Union nicht zustimmungsfähig ist (BR-Drucksache 504/14 (B)). Der Bundesrat hält an seiner Bitte an die Bundesregierung fest, die Einwände gegen das Vorhaben maßgeblich zu berücksichtigen und dem Vorschlag der Kommission im Rat der Europäischen Union nicht zuzustimmen (BR-Drucksache 735/13 (B)(2)).

Mit Blick auf das Erfordernis einer einstimmigen Entscheidung des Rats der Europäischen Union bleibt mit Spannung abzuwarten, wie die Bundesregierung sich in naher Zukunft verhält.

DStV sieht Pläne zur Abschaffung der Jahressteuererklärung kritisch

Die im Kommissionsvorschlag vorgesehene Abschaffung der Jahressteuererklärung hätte für die Praxis höchst kritische Wechselwirkungen zu den derzeitig geplanten Verschärfungen der Selbstanzeige. Entfiele die Umsatzsteuer-Jahressteuerklärung und käme es erneut für die Mehrheit der Unternehmen zu einer monatlichen Abschnittsbesteuerung, bestünde wieder die Gefahr der Kriminalisierung redlicher Steuerpflichtiger. Die außerordentlich zu begrüßenden, im Entwurf der Bundesregierung zur Änderung der Abgabenordnung enthaltenen, gesetzlichen Ausnahmen im Bereich der Steueranmeldungen bei der Umsatz- sowie Lohnsteuer wären hinfällig. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) regt daher an, die Implikationen eingehend zu prüfen und an der Umsatzsteuer-Jahreserklärung auf EU-Ebene festzuhalten.