Nachfolgend ein Beitrag vom 13.6.2016 von Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 24/2016 Anm. 3

Leitsätze

1. Wird ein Raum eines im Miteigentum stehenden Wohnhauses an einen Miteigentümer als Büro für dessen selbstständige Tätigkeit vermietet, sind die darauf entfallenden Aufwendungen vom vermietenden Miteigentümer grundsätzlich nur insoweit als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, als sie dessen ideellem Miteigentumsanteil entsprechen. Darüber hinaus sind die Aufwendungen nur dann abziehbar, wenn sie (objektiv) mit der Nutzungsüberlassung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und (subjektiv) zur Förderung dieser Nutzungsüberlassung getätigt werden.
2. Ein Poolarbeitsplatz, den sich mehrere Betriebsprüfer eines Finanzamts zur Erledigung ihrer Innendiensttätigkeiten teilen, steht nicht als anderer Arbeitsplatz i.S.v. § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG zur Verfügung, wenn nach den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gewährleistet ist, dass die Betriebsprüfer dort ihre beruflichen Tätigkeiten in dem konkret erforderlichen Umfang erledigen können.
3. Aufwendungen für die Fahrten einer Betriebsprüferin zwischen ihrer Wohnung und ihrer Dienststelle beim Finanzamt sind uneingeschränkt als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn sie ihre Arbeitsleistung nicht schwerpunktmäßig in ihrer Dienststelle erbringt.

A. Problemstellung

Zu entscheiden war insbesondere, ob ein sog. Poolarbeitsplatz einer Betriebsprüferin im Finanzamt ein anderer Arbeitsplatz i.S.d. §§ 9 Abs. 5 i.V.m. 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin war im Streitjahr 2006 als Prüferin der Groß- und Konzernbetriebsprüfstelle des Finanzamts A nichtselbstständig beschäftigt. Ihre Wohnung befand sich 127 km von der Dienststelle entfernt. Aufgrund einer Vereinbarung mit der OFD aus dem Jahr 2002 war es der Klägerin „auf freiwilliger Basis“ und ohne Rechtsanspruch erlaubt, ihre Tätigkeit teilweise in ihrem häuslichen Arbeitszimmer zu erbringen. Sie verzichtete insoweit auf Kostenersatz. Nach der Vereinbarung sollten die Fahrten zwischen häuslichem Arbeitsplatz und Dienststelle als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anzusehen sein. Die Prüfungen führte die Klägerin regelmäßig in den Unternehmen durch, die vor- und nachbereitenden Arbeiten wie Fallauswahl, Auswertung der Prüfergebnisse und Fertigen der Prüfberichte erledigte sie in ihrem häuslichen Arbeitszimmer im Souterrain des von ihr und ihrem Ehemann bewohnten Einfamilienhauses.
Der Klägerin stand im Finanzamt zwar in einem Großraumbüro ein Tisch zur gemeinsamen Nutzung mit Kollegen bereit, allerdings ohne ausreichende Möglichkeit zur Ablage von Unterlagen oder Literatur. Sie trug vor, den Arbeitsplatz im Finanzamt habe sie sich mit wahrscheinlich zwei oder drei Kollegen teilen müssen. Die Besuche im Finanzamt hätten allein der Erledigung allgemeiner Aufgaben wie Dienstbesprechungen, das Aufladen von Updates oder der Kontrolle von Posteingängen gedient. Von ihren insgesamt 178 Arbeitstagen im Streitjahr habe sie sich an 56 Tagen im Finanzamt aufgehalten, an weiteren 56 Tagen in den zu prüfenden Unternehmen und an 66 Tagen im häuslichen Arbeitszimmer.
Die Klägerin und ihr damaliger Ehemann waren im Streitjahr jeweils hälftige Miteigentümer des von ihnen selbst genutzten Einfamilienhausgrundstücks. Bis zum 30.06.2006 vermietete die Klägerin ihren ideellen Miteigentumsanteil von 50% an dem im Dachgeschoss des Wohnhauses gelegenen Büro an ihren damaligen Ehemann, der dieses für eine selbstständige Tätigkeit als Handelsvertreter nutzte. In dieser Zeit fielen für das Büro Aufwendungen in Höhe von insgesamt 2.886,53 Euro an, die nach dem Mietvertrag zur Hälfte vom Ehemann der Klägerin zu tragen waren. Da der Ehemann seiner Zahlungsverpflichtung jedoch nicht nachkam, trug die Klägerin die gesamten Kosten.
Die von der Klägerin als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit geltend gemachten Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer in Höhe von 1.258,20 Euro ließ das beklagte Finanzamt unberücksichtigt. Die Kosten für die Fahrten der Klägerin zwischen ihrer Wohnung und ihrer Dienststelle am Finanzamt berücksichtigte es lediglich mit 2.133,60 Euro in Höhe der Entfernungspauschale. Auch die von der Klägerin für das Büro aufgewendeten Kosten ließ das Finanzamt entsprechend ihres ideellen Miteigentumsanteils nur zur Hälfte als Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (VuV) zum Abzug zu. Die hiergegen gerichtete Klage blieb in den hier streitigen Punkten ohne Erfolg (FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 17.06.2014 – K 6241/12 – EFG 2014, 2125).
Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das Finanzamt sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Aufwendungen für das Büro nur in Höhe von 50% als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus VuV zu berücksichtigen seien. Es habe jedoch zu Unrecht den Abzug von Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer versagt und den Werbungskostenabzug hinsichtlich der Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle auf die Entfernungspauschale beschränkt. Der BFH führte zur Begründung aus:
I. Das Finanzgericht hat zutreffend auf der Grundlage von § 12 Nr. 1 EStG sowie des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 21.09.2009 (GrS 1/06 – BStBl II 2010, 672; Anm. Dötsch, jurisPR-SteuerR 10/2010 Anm. 1) die Aufwendungen für das vermietete Büro nur insoweit zum Werbungskostenabzug bei den Einkünften aus VuV zugelassen, als sie auf den vermieteten Miteigentumsanteil der Klägerin entfallen sind. Nach der Entscheidung des Finanzgerichts sei auslösendes Moment für die Übernahme der weiteren Aufwendungen in erster Linie die private Entscheidung der Klägerin gewesen, die Versorgung ihrer Privatwohnung nicht zu gefährden, und nicht aber die weitere Vermietung des Büros. Darin habe das Finanzgericht zutreffend eine private Veranlassung gesehen.
II. Die Feststellungen des Finanzgerichts zum Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer als Werbungskosten trügen sein Urteil nicht.
Zwar sei das Finanzgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die betriebliche und berufliche Nutzung des Arbeitszimmers nicht mehr als 50% der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit betragen habe. Indes sei seine Schlussfolgerung nicht gerechtfertigt, der Klägerin habe in ihrer Dienststelle in dem für deren Innendiensttätigkeit erforderlichen Umfang ein anderer Arbeitsplatz i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 Alt. 2 EStG zur Verfügung gestanden. Das Finanzgericht habe keine Feststellungen zur Beschaffenheit (wie Größe und Ausstattung des Tisches im Großraumbüro; Möglichkeiten für den Zugang zum internen Netzwerk und zu externen Recherchemöglichkeiten; Vorhandensein von Ablage- und Aufbewahrungsmöglichkeiten in abschließbaren Schränken oder Rollcontainern etc.) und zur Verfügbarkeit des Arbeitsplatzes getroffen. Das Finanzgericht habe nicht ermittelt, ob nach den tatsächlichen Gegebenheiten eine ausreichende Anzahl an Poolarbeitsplätzen zur Verfügung gestanden habe, um die gesamten Innendiensttätigkeiten zu erledigen. Zu Unrecht habe es offengelassen, wie viele Arbeitsplätze in dem dienstlichen Arbeitszimmer vorhanden gewesen seien und wie viele Nutzer sich diese jeweils teilen mussten.
Zur Aufklärung des Sachverhalts wäre beispielsweise eine Befragung der für die Organisation der Telearbeitsplätze zuständigen Mitarbeiter der Dienststelle der Klägerin durch das Finanzgericht in Betracht zu ziehen gewesen. Zudem hätte das Finanzgericht die Klägerin darauf hinweisen können und müssen, dass ihm der Vortrag der Klägerin nicht ausreichte, und sie selbst auffordern können, ihre Angaben weiter zu substantiieren (vgl. BFH, Beschl. v. 26.02.2004 – IX B 125/03 – BFH/NV 2004, 973) und gegebenenfalls durch Benennung von Zeugen oder soweit möglich durch Einreichung weiterer schriftlicher Unterlagen zu belegen.
III. Die Dienststelle im Finanzamt erfülle für die Klägerin nicht die Voraussetzungen einer regelmäßigen Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Hierfür genüge nicht, dass die Klägerin ihre Dienststelle regelmäßig und mit einer gewissen Nachhaltigkeit aufsuche. Entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin dort typischerweise nicht ihre Arbeitsleistung im Schwerpunkt erbracht hat und auch nicht zu erbringen hatte. Das Finanzgericht habe zutreffend angenommen, dass der inhaltliche Schwerpunkt ihrer Prüfungstätigkeit in den zu prüfenden Unternehmen gelegen habe (vgl. § 200 Abs. 2 AO). Für die Qualifizierung der Dienststelle als regelmäßige Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG komme es nur darauf an, ob der Arbeitnehmer die Dienststelle fortlaufend und immer wieder aufsucht und sich dort der inhaltliche Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit befindet.
IV. Das Finanzgericht werde im zweiten Rechtsgang Feststellungen zur Beschaffenheit und zur Verfügbarkeit des im dienstlichen Arbeitszimmer vorhandenen Arbeitsplatzes zu treffen haben. Würde festgestellt, dass der Klägerin in ihrer Dienststelle für die Erledigung ihrer Innendiensttätigkeiten ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe, scheide ein Abzug von Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer bereits dem Grunde nach aus. Komme das Finanzgericht zu dem Ergebnis, dass kein anderer Arbeitsplatz i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG zur Verfügung gestanden hat, könnten die Aufwendungen für das Arbeitszimmer im Streitjahr lediglich in Höhe von bis zu 1.250 Euro abgezogen werden.

C. Kontext der Entscheidung

I. Für die Entscheidung, ob ein den Abzug von Werbungkosten begründender wirtschaftlicher Zusammenhang mit der auf VuV gerichteten Tätigkeit besteht und (subjektiv) die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden (st.Rspr., z.B. BFH, Urt. v. 11.02.2014 – IX R 22/13 – BFH/NV 2014, 1195), ist maßgeblich, ob bei wertender Beurteilung das auslösende Moment für das Entstehen der getätigten Aufwendungen der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre zuzuordnen ist (vgl. BFH, Großer Senat, Beschl. v. 21.09.2009 – GrS 1/06, unter C.III.1.a; BFH, Urt. v. 20.06.2012 – IX R 67/10 – BStBl II 2013, 275; Anm. Jachmann, jurisPR-SteuerR 41/2012 Anm. 3). Ist auslösendes Moment für das Entstehen der Aufwendungen hingegen in erster Linie eine auf privaten Gründen beruhende Entscheidung des Steuerpflichtigen, so sind sie nicht abziehbar.
II. 1. Für die Beurteilung, ob i.S.d. §§ 9 Abs. 5 i.V.m. 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG die betriebliche oder berufliche Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers mehr als 50 v.H. der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit beträgt, kommt es allein auf den zeitlichen Umfang aller einkunftsrelevanten Tätigkeiten im häuslichen Arbeitszimmer an. Maßgeblich ist dabei das Verhältnis der arbeitszeitlichen Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers zur gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Den Steuerpflichtigen trifft insoweit die Feststellungslast. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang dagegen, wo sich der inhaltliche Schwerpunkt der beruflichen oder betrieblichen Betätigung des Steuerpflichtigen befindet (BFH, Urt. v. 16.07.2014 – X R 49/11 – BFH/NV 2015, 177, zum unterschiedlichen Regelungsgehalt der Mittelpunktsregelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG und der 50 v.H.-Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG).
2. Ein „anderer Arbeitsplatz“ i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, sofern er zu Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist (BFH, Urt. v. 26.02.2014 – VI R 11/12 – BStBl II 2014, 674; Anm. Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 34/2014 Anm. 1). So kann auch ein Raum, den sich der Steuerpflichtige mit weiteren Personen teilt, ein anderer Arbeitsplatz in diesem Sinne sein. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitsplatz in einem Großraumbüro dem Steuerpflichtigen nicht individuell zugeordnet ist (BFH, Urt v. 07.08.2003 – VI R 17/01 – BStBl II 2004, 78). Entsprechendes gilt für einen Poolarbeitsplatz (BFH, Urt. v. 26.02.2014 – VI R 37/13 – BStBl II 2014, 570; Anm. Dürr, jurisPR-SteuerR 29/2014 Anm. 2; Weber-Grellet, jurisPR-ArbR 29/2014 Anm. 6).
Der andere Arbeitsplatz muss aber so beschaffen sein, dass der Steuerpflichtige auf das häusliche Arbeitszimmer nicht angewiesen ist (BFH, Urt. v. 26.02.2014 – VI R 40/12 – BStBl II 2014, 568; Anm. Dürr, jurisPR-SteuerR 30/2014 Anm. 4; Weber-Grellet, jurisPR-ArbR 29/2014 Anm. 5). Deshalb steht der andere Arbeitsplatz nur dann „für die betriebliche und berufliche Tätigkeit … zur Verfügung“, wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann. Ist die Nutzung des anderen Arbeitsplatzes hingegen eingeschränkt, so dass der Steuerpflichtige in seinem häuslichen Arbeitszimmer einen nicht unerheblichen Teil seiner beruflichen Tätigkeit verrichten muss, kommt das Abzugsverbot der §§ 9 Abs. 5 i.V.m. 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG nach seinem Sinn und Zweck nicht zum Tragen (BFH, Urt. v. 26.02.2014 – VI R 37/13).
Allerdings ist eine „jederzeitige Zugriffsmöglichkeit“ auf den anderen Arbeitsplatz nicht zwingend erforderlich. Ein Poolarbeitsplatz kann daher als ein anderer Arbeitsplatz i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG zu Verfügung stehen, wenn bei diesem nach den tatsächlichen Gegebenheiten insbesondere durch eine ausreichende Anzahl an Poolarbeitsplätzen gegebenenfalls ergänzt durch arbeitgeberseitig organisierte, dienstliche Nutzungseinteilungen gewährleistet ist, dass der Arbeitnehmer seine beruflichen Tätigkeiten in dem konkret erforderlichen Umfang dort erledigen kann (BFH, Urt. v. 26.02.2014 – VI R 37/13).
Die Feststellung, ob ein Steuerpflichtiger seinen anderen Arbeitsplatz in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise nutzen kann, hat das Finanzgericht im Rahmen einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände des Einzelfalls zu treffen Anhaltspunkte können sich sowohl aus der Beschaffenheit des Arbeitsplatzes selbst (Größe, Lage, Ausstattung u.a.) als auch aus den Rahmenbedingungen der Nutzung (Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses, Verfügbarkeit des Arbeitsplatzes bzw. Zugang zu dem betreffenden Gebäude u.a.) ergeben (BFH, Urt v. 07.08.2003 – VI R 17/01).
3. Ob das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen bildet, bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen (st. Rspr., z.B. BFH, Urt. v. 13.11.2002 – VI R 28/02 – BStBl II 2004, 59; BFH, Urt. v. 08.12.2011 – VI R 13/11 – BStBl II 2012, 236; Anm. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 11/2012 Anm. 2). Wo dieser Schwerpunkt liegt, ist im Wege einer wertenden Beurteilung der Gesamttätigkeit festzustellen. Dem zeitlichen Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers kommt insoweit nur eine indizielle Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr, wo der Steuerpflichtige die für seinen Beruf wesentlichen Leistungen erbringt (BFH, Urt. v. 13.11.2002 – VI R 28/02). Maßgebend ist danach, ob – unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung – das qualitativ für eine bestimmte steuerbare Tätigkeit Typische im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt wird (BFH, Urt. v. 08.12.2011 – VI R 13/11).
III. Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen und gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen. Allerdings dürfen die Aufwendungen eines Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG nur nach Maßgabe einer Entfernungspauschale als Werbungskosten in Abzug gebracht werden.
1. Regelmäßige Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist der ortsgebundene Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers und damit der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine aufgrund des Dienstverhältnisses geschuldete Leistung zu erbringen hat (BFH, Urt. v. 26.02.2014 – VI R 54/13 – BFH/NV 2014, 1199, regelmäßige Arbeitsstätte einer Kabinenchefin; BFH, Urt. v. 06.11.2014 – VI R 21/14 – BStBl II 2015, 338). Dies ist im Regelfall der Betrieb oder die Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern fortdauernd und immer wieder aufsucht (BFH, Urt. v. 19.01.2012 – VI R 36/11 – BStBl II 2012, 503, Mehraufwendungen für die Verpflegung eines Rettungsassistenten). Dabei ist aber erforderlich, dass der Arbeitnehmer dort typischerweise seine Arbeitsleistung im Schwerpunkt zu erbringen hat (BFH, Urt. v. 26.02.2014 – VI R 54/13). Der Betriebssitz des Arbeitgebers, den der Arbeitnehmer lediglich regelmäßig zu Kontrollzwecken aufsucht, ist nicht die regelmäßige Arbeitsstätte (BFH, Urt. v. 09.06.2011 – VI R 58/09 – BStBl II 2012, 34). Der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers bestimmt sich nach qualitativen Merkmalen der Arbeitsleistung, die der Arbeitnehmer an dieser Arbeitsstätte im Einzelnen wahrnimmt oder wahrzunehmen hat, sowie nach dem konkreten Gewicht dieser dort verrichteten Tätigkeit (BFH, Urt. v. 09.06.2011 – VI R 58/09; BFH, Urt. v. 19.01.2012 – VI R 36/11).
2. Ist der Arbeitnehmer nicht an einer solchen dauerhaften betrieblichen Einrichtung tätig, liegt regelmäßig eine Auswärtstätigkeit vor, weil der Arbeitnehmer entweder vorübergehend von seiner Wohnung und dem ortsgebundenen Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt tätig wird oder weil er schon über keinen dauerhaft angelegten Bezugspunkt für seine berufliche Tätigkeit verfügt, sondern nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder auf einem Fahrzeug eingesetzt wird (BFH, Urt. v. 06.11.2014 – VI R 21/14). Folge einer solchen Auswärtstätigkeit ist, dass die Kosten für beruflich veranlasste Fahrten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG uneingeschränkt zum Abzug zuzulassen sind.

D. Auswirkungen für die Praxis

Der Streitfall betrifft insoweit eine Sondersituation, als die Klägerin 127 km entfernt von ihrer Dienststelle (Finanzamt) wohnte und dem die Art ihrer Aufgabenerledigung anpasste. Dem galt es bei der Prüfung der Verfügbarkeit eines anderen Arbeitsplatzes beim Finanzamt i.S.d. §§ 9 Abs. 5 i.V.m. 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG Rechnung zu tragen. Insoweit gab der Streitfall Anlass, die Voraussetzungen der Abziehbarkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer explizit aufzuarbeiten. Dabei obliegt die Feststellung, ob ein Steuerpflichtiger seinen anderen Arbeitsplatz in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise nutzen kann, dem Finanzgericht im Rahmen einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände des Einzelfalls. Anhaltspunkte können sich sowohl aus der Beschaffenheit des Arbeitsplatzes selbst (Größe, Lage, Ausstattung u.a.) als auch aus den Rahmenbedingungen der Nutzung (Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses, Verfügbarkeit des Arbeitsplatzes bzw. Zugang zu dem betreffenden Gebäude u.a.) ergeben.
Entsprechendes gilt für die Prüfung der Voraussetzungen für den Ansatz der Entfernungspauschale im Hinblick auf die Frage, ob die Arbeitsleistung schwerpunktmäßig in der Dienststelle erbracht wird. Festzuhalten ist, dass bei Betriebsprüfern einer Groß- und Konzernbetriebsprüfung der prägende Tätigkeitsschwerpunkt (i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG) in der Unternehmensprüfung liegt, die entsprechend § 200 Abs. 2 AO vorrangig in den zu prüfenden Unternehmen stattfindet.