Nachfolgend ein Beitrag vom 28.5.2018 von Halaczinsky, jurisPR-SteuerR 21/2018 Anm. 1

Leitsätze

1. Die satzungsmäßigen Voraussetzungen zur Feststellung der Gemeinnützigkeit sind nicht erfüllt, wenn sich aus der Satzung keine ausschließliche Förderung des steuerbegünstigten Zweckes ergibt.
2. Die Regelungen über die Vermögensbindung müssen in der Satzung selbst getroffen werden; daran fehlt es, wenn die Satzung nicht bestimmt, dass das Vermögen bei einer Auflösung des Vereins „unmittelbar und ausschließlich“ für steuerbegünstigte Zwecke zu verwenden ist.

A. Problemstellung

Es geht im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde in der Sache um die Gemeinnützigkeit eines Vereins, konkret darum, ob

• die Formulierung in der Satzung unter der Überschrift „Gemeinnützigkeit“, nach der der Verein „unmittelbar Zwecke des Hochwasserschutzes und des Küstenschutzes fördere“, den gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderung einer ausschließlichen Förderung genügt, und
• es an der formellen Satzungsmäßigkeit fehlt, wenn „gem. § 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AO der Bundesrepublik Deutschland oder einem ihrer Länder das restliche Vereinsvermögen für unbenannte steuerbegünstigte Zwecke übertragen wird“, ohne hierbei eine unmittelbare und ausschließliche Verwendung dieser Zweckmittel zu fordern.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

I. Das Finanzamt hat die Anerkennung eines Vereins zur Förderung des Hochwasserschutzes und des Küstenschutzes als gemeinnützig versagt, weil in der Formulierung der Zweckförderung die ausdrückliche Erwähnung der „ausschließlichen“ Zweckförderung – konkret das Wort „ausschließlich“ – und bei der Benennung des Anfallberechtigten des Vereinsvermögens im Fall der Auflösung und dergleichen die Auflage einer unmittelbaren und ausschließlichen Verwendung der Zweckmittel für steuerbegünstigte Zwecke fehlte. Das Finanzgericht hat die Entscheidung des Finanzamts bestätigt.
II. Der BFH hat im Rahmen der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde in der Sache die Entscheidungen des Finanzamts und der Finanzgerichts bestätigt.
Er führt aus: Die satzungsmäßigen Voraussetzungen zur Feststellung der Gemeinnützigkeit seien nicht erfüllt, wenn sich aus der Satzung keine ausschließliche Förderung des steuerbegünstigten Zweckes ergebe. Die Regelungen über die Vermögensbindung müssten in der Satzung selbst getroffen werden. Daran fehle es, wenn die Satzung nicht bestimme, dass das Vermögen bei einer Auflösung des Vereins „unmittelbar und ausschließlich“ für steuerbegünstigte Zwecke zu verwenden sei. Zusätzlich entzieht der BFH dem Argument, dass die strenge Satzungsmäßigkeit der Gemeinnützigkeit möglicherweise die Belange die Satzungsautonomie von Körperschaften im Hinblick auf Art. 9 Abs. 1 GG unzulässig einschränke, den Boden. Durch die steuerlichen Regelungen zur Gemeinnützigkeit werde nicht in die Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG eingegriffen.

C. Kontext der Entscheidung

I. Verfahrensrechtlich zeigt sich wieder einmal, wie schwierig es ist, erfolgreich eine fachgerechte Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtssache durchzusetzen. In den Beschlussgründen werden die wesentlichen Grundsätze dafür kurz und knapp dargestellt. Absolutes „Muss“ sind die exakte Formulierung der klärungsbedürftigen Rechtsfragen und substantiierte Ausführungen dazu, weshalb diese Fragen im allgemeinen Interesse zu klären sind. An diesen Voraussetzungen fehlte es im Streitfall.
II. Gemeinnützigkeitsrechtlich unumstritten ist, dass gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 8 AO Küsten- und Hochwasserschutz förderungswürdige Zwecke sind. Viele lokale und überregionale Vereine mit derartigen Förderungszwecken sind auch als gemeinnützig anerkannt.
III. Die Anerkennung als gemeinnützig setzt voraus, dass der steuerbegünstigte Zweck, die Selbstlosigkeit, die Ausschließlichkeit aus der Satzung direkt hervorgehen (§ 59 AO). Gemäß § 60 AO werden an die Satzung strenge Anforderungen gestellt („formelle Satzungsmäßigkeit“).
1. In diesem Zusammenhang wird in den Beschlussgründen auf die Bedeutung der Mustersatzung der Finanzverwaltung eingegangen (Anlage 1 zu § 60 Abs. 1 Satz 2 AO). Der BFH konzediert, dass Satzungen nicht dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck bzw. Muster voll inhaltlich entsprechen müssen. Satzungen genügen schon dann den Anforderungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 AO, wenn sie unabhängig vom Aufbau und vom genauen Wortlaut der Mustersatzung die bezeichneten Festlegungen, nämlich die Verpflichtung zur ausschließlichen und unmittelbaren Verfolgung förderungswürdiger Zwecke sowie die Verwendung des Begriffs „selbstlos“ enthalten. In der Satzung kann auch auf die einschlägigen Vorschriften der Abgabenordnung und die Festlegungen der Mustersatzung (Anlage 1 zu § 60 Abs. 1 Satz 2 AO) verwiesen werden. Solche Verweise ersetzen aber nicht die nach § 60 AO zwingend erforderlichen Formulierungen. Die Finanzverwaltung akzeptiert Abweichungen vom Aufbau, der Reihenfolge der Bestimmungen und vom Wortlaut mit Einschränkungen (AEAO zu § 60 Tz. 2).
2. Auf die ausdrückliche Festlegung der „ausschließlichen“ Zweckverwirklichung in der Satzung kann nicht verzichtet werden. Die Formulierung, dass „die Verwendung der Vereinsmittel ausschließlich an diesen Zweck bindet“, reicht zur Auslegung der ausschließlichen Zweckverfolgung nicht aus. Es scheint ein gewisser Widerspruch zur Rechtsprechung des I. BFH-Senats zu bestehen. Dieser entschied in der Rechtssache „Staufer“ (BFH, Urt. v. 20.12.2006 – I R 94/02 – BStBl II 2010, 331): Die formelle Satzungsmäßigkeit nach § 59 AO erfordert hinsichtlich der steuerbegünstigten Zweckverfolgung nicht die ausdrückliche Verwendung der Begriffe „ausschließlich“ und „unmittelbar“. Dazu ist aber anzumerken, dass § 60 Abs. 1 Satz 2 AO i.d.F. des JStG 2009 vom 08.12.2010 (BGBl I 2008, 2794), wonach die Satzung die Festlegungen der Mustersatzung (Anlage 1 zu § 60) zwingend enthalten muss, welche u.a. die Begriffe „ausschließlich“ und „unmittelbar“ aufführt. § 60 AO i.d.F. des JStG 2009 ist gemäß Art. 97 § 1f Abs. 2 des EGAO auf Körperschaften anzuwenden, die nach dem 31.12.2008 gegründet werden bzw. worden sind. Soweit eine Satzung – wie im Streitfall – nicht zweifelsfrei erkennen lässt, dass der Steuerpflichtige ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolgt, gehen etwaige Unklarheiten zulasten dessen, der sich auf die Steuervergünstigung beruft (so schon BFH, Urt. v. 26.02.1992 – I R 47/89 – BFH/NV 1992, 695).
3. Dem Grundsatz der Vermögensbindung nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AO ist nicht genüge getan, wenn lediglich bestimmt wird, dass das Vermögen einer bestimmten juristischen Person des öffentlichen Rechts (Bundesrepublik Deutschland) zur Verwendung für steuerbegünstigte Zwecke übertragen wird. Die bloße Benennung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts als Destinatär genügt den satzungsmäßigen Anforderungen nicht (BFH, Urt. v. 12.01.2011 – I R 91/09 – BFH/NV 2011, 1111). In derartigen Fällen muss zwingend dazukommen, dass in der Satzung selbst geregelt wird, dass das Vermögen bei einer Auflösung des Vereins „unmittelbar und ausschließlich“ für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden soll (BFH, Urt. v. 23.07.2009 – V R 20/08 – BStBl II 2010, 719, dazu Fischer, jurisPR-SteuerR 44/2009 Anm. 6).

D. Auswirkungen für die Praxis

Die präzise Definition des Vereinszwecks und der Zweckverwirklichung sind von entscheidender Bedeutung für die Anerkennung durch das Finanzamt und durch das Registergericht. Bei Aufstellen/Formulierung neuer Satzungen ist die wörtliche Übernahme der Formulierungen in der Mustersatzung die „sichere Option“. Im Übrigen ist auf den neuen § 60a AO und dazu auf AEAO zu § 60a hinzuweisen. Ab 2013 ist die formelle Satzungsmäßigkeit in einem gesonderten Verfahren vom Finanzamt festzustellen. Im Zuge des Feststellungsverfahrens kann noch auf Hinweise des Finanzamts reagiert werden; die Satzungsformulierungen können entsprechend angepasst werden.
Soweit vorhandene Satzungen rechtliche Mängel enthalten, entfällt die Gemeinnützigkeit im entsprechenden Veranlagungsjahr. Gemeinnützigkeitsschädliche Satzungsformulierungen können nicht mit gemeinnützigkeitsrechtlicher Rückwirkung geändert werden (Wallenhorst in Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger und öffentlich-rechtlicher Körperschaften, 2017, S. 201). Würde aber, etwa bei anderen Vereinen zur Förderung des Hochwasser- und Küstenschutzes, ein vergleichbarer Satzungsmangel wie im Streitfall festgestellt und wurde der Verein gleichwohl als gemeinnützig angesehen, dürfen die zuständigen Finanzämter rückwirkend daraus keine steuerlich nachteiligen Folgen ziehen (AEAO zu § 59 Tz. 4). Bzgl. der Abzugsfähigkeit von Spenden gilt Vertrauensschutz für Spender; beim Verein kann ggf. die Spendenhaftung (§ 10b Abs. 4 EStG) greifen.
Steuerbegünstigte Körperschaften sollten generell ihre (älteren) Satzungen dahingehend überprüfen, ob die nach den §§ 60, 61 AO erforderlichen Formulierungen der aktuellen Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung entsprechen und diese – etwa bei anstehenden Satzungsänderungen – anpassen.

Satzungsmäßige Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit
Carsten OehlmannRechtsanwalt
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Silvia SlubikSteuerberater
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