Nachfolgend ein Beitrag vom 15.10.2018 von Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 41/2018 Anm. 3
Leitsatz
Hat der Leistende nicht die Möglichkeit, durch seine Leistung das Entstehen des Anspruchs auf die Leistung des Vertragspartners positiv zu beeinflussen, genügt die Annahme der Leistung der Gegenseite nicht, um den fehlenden besteuerungsrelevanten Veranlassungszusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung herzustellen.
A. Problemstellung
Zu entscheiden war über den wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung als Voraussetzung von Einkünften aus Leistungen i.S.v. § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger war als Gründungsgesellschafter an der Z-AG (AG) beteiligt. Die Aktien der AG waren zum Börsenhandel zugelassen. Im Jahr 2011 leiteten der Kläger und andere verkaufsbereite Aktionäre ein öffentliches Gebotsverfahren im Umfang einer Mehrheitsbeteiligung an der AG in die Wege. An dem Verfahren beteiligten sich als Bieter u.a. die B und die C. C bot zunächst 16,50 Euro pro Aktie, B einen Preis zwischen 15,50 Euro und 17,50 Euro pro Aktie. Ende 2011 stellte B ein Angebot für 19 Euro pro Aktie in Aussicht, verlangte jedoch zur Durchführung einer erweiterten Due Diligence den Abschluss eines „Exclusivity Agreement“ bei Vereinbarung einer an die Aktionäre zu zahlenden „Break Fee“ i.H.v. 2,5 Mio. Euro. Dieses Angebot lehnten die Aktionäre ab. Eine Einigung mit C stehe unmittelbar bevor. Es bestünde die Gefahr der Minderung des Verkaufspreises durch Verlagerung von Know-how auf B. Außerdem drohten erhebliche Kosten für Rechts- und Steuerberatung sowie Bindung des Managements der AG. B erhöhte daraufhin die „Break Fee“ um 1 Mio. Euro, zahlbar an die AG, und das „Exclusivity Agreement“ kam 2011 zustande.
In der Vereinbarung verpflichteten sich die Aktionäre (u.a.), während des vereinbarten Zeitraums („Exclusivity Period“) sämtliche Verhandlungen über den Verkauf der Anteile mit Dritten zu unterlassen, die Aktien weder zu veräußern noch zu übertragen, B weitere Informationen zur Verfügung zu stellen und ein innerhalb der Frist abgegebenes Gebot über mindestens 19 Euro pro Aktie anzunehmen. B verpflichtete sich im Falle eines „Break“ an die Aktionäre 2,5 Mio. Euro und an die AG 1 Mio. Euro zu zahlen zum Ausgleich für Kosten und etwaige Schäden. Darüber hinausgehende Ansprüche der Aktionäre oder der AG gegen B wurden ausgeschlossen. Ein „Break“ trat ein, wenn B innerhalb der Angebotsfrist kein öffentliches Angebot über 19 Euro pro Aktie abgab. Zur Abgabe eines solchen Angebots verpflichtete sich B jedoch nicht. B ließ die Frist verstreichen und zahlte die vereinbarten Summen. Der Kläger vereinnahmte davon 161.266,90 Euro.
Im Einspruchsverfahren nahm das Finanzamt erstmals an, die „Break Fee“ unterliege gemäß § 22 Nr. 3 EStG der Besteuerung. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Sie führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Der BFH führte aus:
I. Zur Begründung seines Urteils hat das Finanzgericht im Wesentlichen ausgeführt, für die steuerliche Einordnung der „Break Fee“ komme es auf deren Inhalt an. Hier stünden zum einen der Ersatz von Kosten, Aufwendungen und Schäden im Raum. Diese Aspekte hätten der Vereinbarung jedoch nicht das Gepräge gegeben. Schäden (z.B. durch Know-how-Verlagerung) seien eher unwahrscheinlich gewesen. Kosten und Aufwendungen seien noch nicht einmal geschätzt worden. Das wäre aber erforderlich, wenn dieser Aspekt im Vordergrund hätte stehen sollen. Prägend sei dagegen die Exklusivität gewesen. Ohne die zugesagte Exklusivität hätte B die Prüfung nicht fortgesetzt und ohne die vereinbarte „Break Fee“ hätten die Aktionäre der Exklusivität nicht zugestimmt. Es handele sich um eine „Enthaltsamkeitsvergütung“, ähnlich einem Entgelt für die Einräumung eines Vorkaufsrechts (vgl. BFH, Urt. v. 10.08.1994 – X R 42/91 – BStBl II 1995, 57).
II. Soweit das Finanzgericht mit dem Finanzamt davon ausgegangen ist, dass B die Verhandlungen ohne die zugesagte Exklusivität nicht fortgeführt hätte und dass die Aktionäre der von B verlangten Exklusivität ohne die „Break Fee“ nicht zugestimmt hätten, kommt es darauf nicht an. Zum einen sind beide Annahmen eher spekulativ und haben keine ausreichende tatsächliche Grundlage. Zum andern sind die Motive der Beteiligten, die im Einzelfall zum Abschluss des Vertrags geführt haben, für die Besteuerung im Hinblick auf § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG – Einkünfte aus Leistungen – nicht maßgeblich.
III. Zwar haben der Kläger und die anderen verkaufsbereiten Aktionäre aufgrund des „Exclusivity Agreements“ Leistungen erbracht, die Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein können. Diese Leistungen haben aber die Gegenleistung nicht ausgelöst; sie sind nicht „um der Gegenleistung willen“ erbracht worden. Anders als die Teilnehmer einer Fernsehshow konnten der Kläger und die anderen verkaufsbereiten Aktionäre durch ihr Verhalten nicht positiv beeinflussen, ob sich die B für oder gegen die Abgabe eines öffentlichen Angebots entscheiden würde. Für beide denkbaren Ausgänge des Verfahrens war die Erfüllung der im „Exclusivity Agreement“ von den Aktionären eingegangenen Verpflichtungen gleichermaßen Voraussetzung. Unabhängig davon, aus welchen Gründen B letztlich ein Angebot nicht abgegeben hat, haben die Aktionäre und der Kläger die „Break Fee“ nicht durch ihre Leistungen ausgelöst. Es handelt sich deshalb nicht um eine von Finanzgericht und Finanzamt angenommene „Enthaltsamkeitsvergütung“. Dass der Kläger und die anderen Aktionäre das „Exclusivity Agreement“ erfüllen mussten, um die „Break Fee“ zu erhalten (conditio sine qua non), begründet den erforderlichen Zusammenhang nicht. Es genügt insofern auch nicht, dass der Kläger die „Break Fee“ entgegengenommen hat. Hat der Leistende nicht die Möglichkeit, durch seine Leistung das Entstehen des Anspruchs auf die Leistung des Vertragspartners positiv zu beeinflussen, genügt die Annahme der Leistung der Gegenseite nicht, um den fehlenden besteuerungsrelevanten Veranlassungszusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung herzustellen.
C. Kontext der Entscheidung
Gemäß § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften i.S.v. § 22 Nr. 1, 1a, 2 oder 4 EStG gehören, z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung beweglicher Gegenstände. Eine (sonstige) Leistung i.S.v. § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und eine Gegenleistung auslöst (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH, Urt. v. 14.04.2015 – IX R 35/13 – BStBl II 2015, 795 m. Anm. Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 35/2015 Anm. 4; BFH, Beschl. v. 23.03.2016 – IX B 22/16 – BFH/NV 2016, 1013 – Steuerbarkeit einer Prämie für „Whistleblowing“ als sonstige Leistung).
Ein synallagmatisches Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Sinne eines wechselseitigen Austauschvertrags ist nicht erforderlich. Entscheidend ist vielmehr, ob die Gegenleistung durch das Verhalten des Steuerpflichtigen (Leistung) wirtschaftlich veranlasst ist. Insofern ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige bei Erbringung seiner Leistung eine Gegenleistung schon erwarten müsste. Ausreichend ist vielmehr, dass er eine im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seinem Verhalten gewährte Gegenleistung als solche annimmt. Auf diese Weise ordnet er sein Verhalten der erwerbswirtschaftlichen und damit auch steuerrechtlich bedeutsamen Sphäre zu (zum Ganzen: BFH, Urt. v. 24.04.2012 – IX R 6/10 – BStBl II 2012, 581, zur Steuerbarkeit des „Big Brother“-Preisgeldes; Anm. Dötsch, jurisPR-SteuerR 30/2012 Anm. 4).
Hinsichtlich der wirtschaftlichen Veranlassung der Gegenleistung durch die Leistung stellt der BFH in erster Linie auf die (objektivierte) Perspektive des Leistenden ab. Dies kommt z.B. in der Formulierung zum Ausdruck, wonach es sich um eine Leistung handeln muss, die „um des Entgelts willen“ erbracht wird (BFH, Urt. v. 16.06.2015 – IX R 26/14 – BStBl II 2015, 1019 – Bestechungsgeld; Anm. Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 50/2015 Anm. 4; Anm. N. Schneider, jurisPR-Compl 4/2015 Anm. 4). Preisgelder, Aufwandspauschalen sowie während des Aufenthalts in den Produktionsräumen gezahlte Verpflichtungsgelder für die Teilnahme an einer Fernsehshow stellen sich danach als Gegenleistung für die Teilnahme an der Show dar, auch wenn die Aussicht auf den Erhalt der Gegenleistung ex ante ungewiss ist (BFH, Urt. v. 28.11.2007 – IX R 39/06 – BStBl II 2008, 469 – Anm. Jachmann, jurisPR-SteuerR 19/2008 Anm. 5; BFH, Urt. in BStBl II 2012, 581; BFH, Beschl. v. 16.06.2014- IX B 22/14 – BFH/NV 2014, 1540 – Preisgeld aus der Teilnahme an einer Fernsehshow). Grundsätzlich unerheblich ist dagegen die private Motivation im konkreten Einzelfall. Es kommt folglich nicht darauf an, aus welchen Gründen der Vertrag tatsächlich zustande gekommen ist und ohne welche Inhalte er mutmaßlich nicht zustande gekommen wäre (conditio sine qua non). Erforderlich ist eine objektivierende, wertende Betrachtung des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung, wonach die Leistung die Gegenleistung „ausgelöst“ haben muss.
D. Auswirkungen für die Praxis
Der BFH konkretisiert am Beispiel einer „Break Fee“ die Anforderungen an den Veranlassungszusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung, der eine Steuerbarkeit gemäß § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG – Einkünfte aus Leistungen – begründet. Die Motive der Beteiligten, die im Einzelfall zum Abschluss des Vertrags geführt haben, sind für die Besteuerung nicht maßgeblich.
Für das Vorliegen von Einkünften aus Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG ist erforderlich, dass eine objektivierende, wertende Betrachtung des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung ergibt, dass die Leistung die Gegenleistung „ausgelöst“ hat. Dies hat der BFH für eine „Break Fee“ verneint, die nach Abbruch einer exklusiven Verkaufsverhandlung über die Mehrheitsbeteiligung an einer Aktiengesellschaft vom bisherigen Kaufinteressent an die verkaufsbereiten Aktionäre gezahlt wurde.
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