1. Umsätze aus einer Garantiezusage anlässlich des Verkaufs von Kfz an Käufer (erweiterte Gebrauchtwagengarantie gegen gesondert berechnetes Entgelt) sind umsatzsteuerpflichtig.
  2. Bei einem Umsatz, der ein Leistungsbündel darstellt, ist i.d.R. davon auszugehen, dass jede Leistung als eine selbstständige Leistung anzusehen ist.
  3. Eine einheitliche Leistung liegt nur vor, wenn zwei oder mehr Handlungen oder einzelne Leistungen so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden.
  4. Nach diesen Maßstäben ist die Garantiezusage eines Händlers beim Gebrauchtwagenkauf als einheitliche untrennbare Leistung aufzufassen (sog. Kombinationsmodell beim Gebrauchtwagenkauf).

Tatbestand:

Die Klägerin betreibt ein Autohaus, das beim Verkauf von Kraftfahrzeugen den Käufern anbietet, eine erweiterte Gebrauchtwagengarantie gegen gesondert berechnetes Entgelt abzuschließen. Diese Garantiezusage ist rückversichert über die Mapfre Asistencia S.A., Niederlassung Deutschland. Die Garantiezusage erfolgt als Vertrag zwischen der Klägerin als Autohaus (Garantiegeber) und dem Käufer des Pkw (Garantienehmer) über die erweiterte Garantie „MW Topline“. Sofern der Garantiefall eintritt, muss entweder der Händler oder Mapfre Warranty benachrichtigt werden. Der Garantienehmer kann wählen, ob er die Reparatur durch seinen Händler ausführen lässt (Reparaturanspruch) oder den durch den Händler darüber hinaus verschafften Versicherungsschutz in Anspruch nimmt und die Reparatur durch eine andere Werkstatt vornehmen lässt (Reparaturkostenersatzanspruch). Sowohl das Garantiezertifikat als auch die Garantievereinbarung weisen die Klägerin als Garantiegeberin aus und enthalten folgende Erklärung:

„Dem Käufer ist bekannt, dass der Vertrag über die Garantiezusage zwischen ihm dem Verkäufer/Garantiegeber zustande kommt. Die Mapfre Warranty ist vom Garantiegeber mit der Abwicklung der Garantie gegenüber dem Kunden beauftragt und bevollmächtigt.“

Nach dem von der Klägerin mit der Mapfre Asistencia S.A. abgeschlossenen Händlerrahmenvertrag für die die Garantieversicherung von Kraftfahrzeugen handelt es sich bei der Mapfre Asistencia S.A. um den Versicherer, wobei Mapfre Warranty eine Marke der Mapfre Asistencia ist. Die Klägerin als der Versicherungsnehmer stellt gegenüber ihren Käufern als Garantienehmern über die Zusatzgarantie eine Rechnung aus, die von diesen ihr gegenüber beglichen wird. Die Rückvergütungen aus dem Vertrag über die Rückversicherung mit der Mapfre Aistencia S.A. werden sodann an die Klägerin ausgezahlt.

Bei der Klägerin fand für die Jahre 2012 und 2013 eine Betriebsprüfung statt. Der Betriebsprüfer vertrat dabei die Ansicht, die Garantiezusage stelle eine unselbständige Nebenleistung zum Gebrauchtwagenkauf dar. Auch seien die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8g UStG oder § 4 Nr. 10b UStG nicht gegeben. Der Beklagte, das Finanzamt (FA), schloss sich dieser Beurteilung an und erließ am 5. Januar 2016 entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre. Die Einsprüche hiergegen wies das FA mit Bescheid vom 2. Mai 2016 als unbegründet zurück. Die Klägerin gewähre ihren Kunden beim Autoverkauf eine zusätzliche Gebrauchtwagengarantie gegen Entgelt, die dem Begünstigten ein Wahlrecht auf einen Reparaturanspruch oder einen Reparaturkostenersatzanspruch gewähre. In einem solchen Fall stelle die Garantiezusage des Händlers eine einheitliche sonstige Leistung eigener Art im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG dar. Eine Aufteilung der Leistung – in eine solche nach § 4 Nr. 8g UStG und nach § 4 Nr. 10b UStG – sei entgegen der früheren Rechtsprechung des BFH nicht zulässig. Diese einheitliche sonstige Leistung sei aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers nicht durch die nach § 4 Nr. 10b UStG steuerfreie Verschaffung von Versicherungsschutz, sondern durch das Versprechen der Einstandspflicht des Händlers geprägt.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, bei der Garantiezusage handele es sich um zwei getrennt zu beurteilende Leistungen, wobei die Versicherungsleistung als eigenständige sonstige Leistung von der Umsatzsteuer befreit sei. Die Gewährleistungspflicht sei Bestandteil des Kaufvertrags über ein Kfz. Das FA löse unzulässig die Gewährleistungspflicht aus dem Kaufvertrag und fasse diese mit der gesonderten Versicherungsleistung zu einem fiktiven neuen „Leistungsbündel“ zusammen. Außerdem beruft die Klägerin sich auf das Urteil des EuGH in Sachen Mapfre warranty vom 16. Juli 2015 C-584/13. Hier habe der EuGH in einem vergleichbaren Fall zum Ausdruck gebracht, dass er in der Gewährleistungspflicht und der Garantiezusage zwei selbständige Leistungen sehe. Dabei habe er es für nicht entscheidend angesehen, ob der Vertrag direkt mit dem Versicherer zu Stande komme oder indirekt über den Autohändler. Eine Aufspaltung in 2 Leistungen sei auch unter dem Gesichtspunkt geboten, dass in einer Vielzahl von Fällen Käufer Gebrauchtwagen ganz ohne eine erweiterte Versicherung kauften. Die Versicherung gewähre dem Käufer einen zusätzlichen Garantieanspruch, der auch zusätzlich bezahlt werden müsse. Dieser Anspruch sei nicht Bestandteil des Kaufvertrags.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer für die Streitjahre unter Abänderung der Umsatzsteuerbescheide vom 5. Januar 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2016 für 2012 auf -40.629,15 € und für 2013 auf -74.125,26 € festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin könne nicht in eigener Person als Versicherer handeln, da Versicherer in einem Fall wie dem vorliegenden ein vom Gebrauchtwagenhändler unabhängiger Wirtschaftsteilnehmer sei müsse.

Gründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Umsätze aus den Garantiezusagen der Klägerin sind umsatzsteuerpflichtig.

Das FA hat zu Recht angenommen, dass es sich bei der von der Klägerin gewährten Garantie um unselbständige Nebenleistungen zum Gebrauchtwagenkauf handele.

  1. Bei einem Umsatz, der ein Leistungsbündel darstellt, ist in der Regel davon auszugehen, dass jede Leistung als eine selbständige Leistung anzusehen ist. Eine einheitliche Leistung liegt allerdings dann vor, wenn zwei oder mehr Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Dabei ist der dominierende Bestandteil auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers zu bestimmen (EuGH-Urteil vom 21. Februar 2013 C-18/12, Stadt Zamberk/Senftenberg, Umsatzsteuerrundschau -UR- 2013, 338, Tz. 28-30; BFH-Urteil vom 21. Februar 2013 V R 10/12, BFH/NV 2013, 1635).

    Eine einheitliche Leistung ist auch dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers so eng miteinander verknüpft sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. EuGH-Urteile vom 27. Oktober 2005 Rs. C-41/04 –Levob Verzekeringen und OV Bank–, Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38, Randnr. 22; vom 29. März 2007 Rs. C-111/05 –Aktiebolaget NN–, Slg. 2007, I-2697, UR 2007, 420, Randnr. 23; vom 21. Februar 2008 Rs. C-425/06 –Part Service Srl.–, Slg. 2008, I-897, UR 2008, 461, Randnr. 53; vom 11. Juni 2009 Rs. C-572/07 –RLRE Tellmer Property sro–, BFH/NV 2009, 1368, Randnr. 19).

    Die letztgenannten Voraussetzungen einer untrennbaren wirtschaftlichen Leistung sind im Streitfall bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Garantiezusage erfüllt. Wie der BFH zutreffend in einem vergleichbaren Fall entschieden hat, steht dem nicht entgegen, dass nach den Garantiebedingungen dem Gläubiger ein Wahlrecht zwischen Reparaturanspruch oder Reparaturkostenersatzanspruch eingeräumt wird. Die Garantiezusage hat für den Gläubiger den wirtschaftlichen Zweck, dass ein evtl. künftiger Schaden an seinem Fahrzeug in dem garantierten Umfang beseitigt wird, ohne dass er für die Kosten aufkommen muss. Die nach der Wahl des Kunden zu erbringende Leistung entweder des Händlers oder der Versicherung dient diesem einheitlichen wirtschaftlichen Zweck, sodass die Verpflichtung zur Eigenreparatur und die Verschaffung des Versicherungsschutzes so eng miteinander verbunden sind, dass ihre Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Die Garantiezusage stellt sich damit aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers als eine einheitliche untrennbare Leistung dar, für die er auch einen einheitlichen Preis zu zahlen hat (vgl. BFH-Urteil vom 10. Februar 2010 XI R 49/07, BStBl II 2010, 1109).

  2. Bei der danach vorliegenden einheitlichen Leistung handelt es sich um eine sonstige Leistung eigener Art i.S. des § 3 Abs. 9 UStG, die aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers nicht durch die –gemäß § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG steuerfreie– Verschaffung von Versicherungsschutz, sondern durch das Versprechen der Einstandspflicht des Händlers geprägt ist.

    Die umsatzsteuerrechtliche Qualifizierung einer einheitlichen Leistung verlangt nach der Rechtsprechung des EuGH eine Bestimmung ihrer dominierenden (vgl. Urteil Levob Verzekeringen und OV Bank in Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38, Randnr. 27) oder wesentlichen (Urteil Aktiebolaget NN in Slg. 2007, I-2697, UR 2007, 420, Randnr. 27) Bestandteile. Die umfassende Einstandspflicht des Händlers, bei dem das Kfz gekauft wurde, macht aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers das Wesen und die Bedeutung der Garantiezusage aus, weil zu diesem Händler ein Vertrauensverhältnis besteht, das eine unkomplizierte Abwicklung des evtl. Schadensfalls verspricht (vgl. BFH-Urteil vom 10. Februar 2010 XI R 49/07, BStBl II 2010, 1109).

  3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch nichts anderes aus dem Urteil des EuGH vom 16. Juli 2015 Mapfre asistencia und Mapfre warranty C-584/13, UR 2015, 714 ff. Zwar ist der Begriff der Versicherungsumsätze nach Art. 13 Teil B Buchst. a der Sechsten Richtlinie wie der EuGH in der zitierten Entscheidung in der Randziffer 30 ausführt, weit genug ist, um die Gewährung von Versicherungsschutz durch einen Steuerpflichtigen zu umfassen, der nicht Versicherer ist, aber im Rahmen einer Gruppenversicherung seinen Kunden einen solchen Schutz durch Inanspruchnahme der Leistungen eines Versicherers verschafft, der das versicherte Risiko übernimmt. Eine Leistung unterliegt, auch wenn sie als Versicherungsumsatz einzustufen ist, jedoch gleichwohl der Mehrwertsteuer, wenn sie untrennbar mit dem Verkauf des Gebrauchtfahrzeugs verbunden ist und deswegen die gleiche steuerliche Behandlung erfahren muss wie dieser (vgl. hierzu Randziffern 48 ff. der zitierten EuGH-Entscheidung). Dies ist wie oben ausgeführt vorliegend der Fall. Die in Rede stehenden Garantiezusagen wurden von der Klägerin als Autohaus selbst und damit nicht von einem vom Verkäufer unabhängigen Wirtschaftsteilnehmer gewährt.
  4. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO im Hinblick auf die neuere EuGH-Rechtsprechung zugelassen.
  5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.