Nachfolgend ein Beitrag vom 16.11.2015 von Eversloh, jurisPR-SteuerR 46/2015 Anm. 6

Leitsatz

Wer planmäßig, wiederholt und mit erheblichem Organisationsaufwand mindestens 140 fremde Pelzmäntel über eine elektronische Handelsplattform (z.B. eBay) in eigenem Namen verkauft, wird damit unternehmerisch (wirtschaftlich) tätig.

A. Problemstellung

Gewerbetreibende und Privatleute können Waren über die Internet-Plattform „eBay“ versteigern. Hier stellt sich die Frage, was den Unternehmer vom Privatmann unterscheidet, da Verkäufe durch Privatpersonen i.d.R. umsatzsteuerlich unbeachtlich sind, auch wenn es sich um Verkäufe in ungewöhnlich großem Umfang handelt. Insofern berufen sich die Privatpersonen zur Begründung der Nichtbesteuerung mit Umsatzsteuer regelmäßig auf zwei Entscheidungen des X. Senats des BFH (BFH, Urt. v. 29.06.1987 – X R 23/82 – BStBl II 187, 744 „Briefmarkensammler“, BFH, Urt. v. 16.07.1987 – X R 48/82 – BStBl II 1987, 752 „Münzsammler“). Der BFH begründete seine Rechtsprechung damit, dass die Auflösung einer aus privater Neigung angelegten Sammlung nicht der Umsatzsteuer unterliege. Die nach und nach „privat“ erworbenen Gegenstände würden aus der Privatsphäre abgegeben. Es ist die Frage zu klären, ob es sich bei derartigen Handlungen nicht doch um ein händlerartigen Erwerb mit Wiederverkaufsabsicht handelt – jedenfalls dann, wenn der Betreffende eine große Anzahl von Gegenständen, die keine typischen Sammlerstücke darstellen, in einem Zeitraum von über einem Jahr über mehrere eBay-Konten verkauft.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin hatte in den Jahren 2004 und 2005 in einem Zeitraum von 13 Monaten insgesamt 140 Pelzmäntel über fünf eBay – Konten verkauft und dabei insgesamt ca. 168.000 Euro erlöst. Die Mäntel hatten ihrer kurz zuvor verstorbenen Schwiegermutter gehört. Diese hatte die Mäntel zwischen 1960 und 1985 nach und nach zum Privatgebrauch angeschafft. Das FG Stuttgart hatte als Erstinstanz unter Berufung auf die beiden o.a. BFH-Entscheidungen aus dem Jahr 1987 geurteilt, dass selbst wirtschaftlich bedeutende Veräußerungen des Privatvermögens unbesteuert blieben, wenn kein Händlerverhalten nachweisbar sei. Es hat daher der Klage stattgegeben (FG Stuttgart, Urt. v. 18.07.2012 – 14 K 702/10 – DStRE 2013, 1249).
Der BFH hat diese Entscheidung aufgehoben. Er sieht in der Handlungsweise der Klägerin eine wirtschaftliche Betätigung als Unternehmer i.S.d. § 2 UStG. Denn sie habe aktive Schritte zur Vermarktung der Mäntel unternommen und sich dafür ähnlicher Mittel bedient wie ein Erzeuger, Händler oder Dienstleister. Insofern komme es nicht darauf an, ob die Wiederverkaufsabsicht bereits im Zeitpunkt des Einkaufs bestanden habe (vgl. auch BFH, Urt. v. 26.04.2012 – V R 2/11 – BStBl II 2012, 634, m. Anm. Grube, jurisPR-SteuerR 27/2012 Anm. 5; Ernst, jurisPR-ITR 11/2012 Anm. 6). Der hier entschiedene Fall sei nicht mit den Fällen in den beiden BFH-Entscheidungen aus dem Jahr 1987 vergleichbar. Denn die Klägerin habe die 140 Pelzmäntel, die nicht sie selbst, sondern ihr Ehemann von seiner Mutter geschenkt erhalten haben soll und daher nicht in ihrem Eigentum standen, als fremde Sache im eigenen Namen verkauft. Eine „Verkaufsabwicklung“ der hier praktizierten Art bezeichnet der BFH als für einen Sammler „vollkommen untypisch“. Es entspreche vielmehr üblichem Händlergebaren. Außerdem seien Pelzmäntel im Gegensatz zu Briefmarken und Münzen keine typischen Sammlerstücke, sondern Gebrauchsgegenstände. Da die Mäntel außerdem in Stil und Größe voneinander abwichen, sei nicht erkennbar, welches „Sammelthema“ die Schwiegermutter der Klägerin verfolgt habe. Ferner habe die Klägerin die Verkäufe über mehrere parallel betriebene eBay – Konten abgewickelt. Sie habe damit ihre Vertriebsmaßnahmen multipliziert.
C. Kontext der Entscheidung
Im Spielzeugpuppenfall (BFH, Urt. v. 26.04.2012 – V R 2/11) hatte ein Ehepaar über einen vom Ehemann eingerichteten und von beiden Ehegatten verwendeten Privatzugang bei eBay mehr als 1.200 Verkäufe in einem Zeitraum von dreieinhalb Jahren vorgenommen und daraus mehr als 20.000 Euro erlöst. Ob eine für die Annahme der Unternehmereigenschaft erforderliche nachhaltige Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG) vorliege, sei nicht daran zu messen, ob die Wiederverkaufsabsicht bereits im Zeitpunkt des Erwerbs der Gegenstände bestanden habe. Vielmehr müsse dieses Tatbestandsmerkmal anhand verschiedener Kriterien geprüft werden, so u.a. im Hinblick auf die Dauer und die Intensität des Tätigwerdens, die Höhe der Entgelte, die Beteiligung am Markt, die Zahl der ausgeführten Umsätze, das planmäßige Tätigwerden und das Unterhalten eines Geschäftslokals.
Hinzuweisen ist ferner auf den Beschluss des BFH vom 09.04.2014 (XI B 6/14 – BFH/NV 2014, 1230). In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall war der Kläger beim Auktionshaus eBay als „seller“ registriert. Er hatte Schmuckstücke oder Pfandscheine über Schmuckgegenstände zum Verkauf angeboten. Dabei reichten die in den Anzeigen angegebenen Werte der Verkaufsgegenstände von 990 Euro bis 22.500 Euro. Finanzamt und Finanzgericht hatten den Kläger als umsatzsteuerrechtlichen Unternehmer eingestuft. Der BFH hat im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ausgeführt: Habe das Finanzgericht bei der gebotenen und revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Prüfung aller Umstände des Einzelfalls bei Verkäufen von Schmuckstücken im eBay – Handel die Unternehmereigenschaft des Verkäufers bejaht, liege keine die Revisionszulassung rechtfertigende Divergenz zum BFH-Urteil in BStBl II 2012, 634 vor.
Zum Handel mit Bierdeckeln, gebrauchtem Spielzeug und Bildkarten als Gewerbebetrieb vgl. auch FG Köln, Urt. v. 04.03.2015 – 14 K 188/13 – EFG 2015, 1103, m. Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 31/2015 Anm. 3).
D. Auswirkungen für die Praxis
Das Besprechungsurteil hat geklärt, dass es zur Annahme der Unternehmereigenschaft immer auf die Betrachtung der Gesamtumstände ankommt. Dauer der Verkaufstätigkeit und Anzahl der Verkaufsvorgänge allein reichen dafür nicht aus. Auch steht die Veräußerung geerbten Privatvermögens der Annahme der Unternehmereigenschaft nicht entgegen. Es gibt dem BFH zufolge insofern auch keinen privilegierten Sonderstatus einer Privatsammlung (a.A. Roth/Loose, UR 2014, 169, 175; Stadie in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 2 Rn. 371). Die Zuordnung zum Privatvermögen der veräußerten Gegenstände steht der Umsatzsteuerbarkeit nicht entgegen. Beim eigenhändigen Verkauf und länger andauernder Selbstvermarktung von Gegenständen, die nicht nur einen Liebhaberwert haben, über eBay wird nicht davon ausgegangen werden können, dass der Erwerb nur aus privatem Interesse erfolgt ist. Vielmehr ist dann von einem einem Erzeuger, Händler oder Dienstleister vergleichbaren Handeln auszugehen.
Zweifel an der Sammlereigenschaft gehen zulasten des Steuerpflichtigen. Als Nachweis für die Nachhaltigkeit der Verkäufe reicht nicht der Nachweis der bereits im Erwerbszeitpunkt vorhandenen Wiederverkaufsabsicht aus (BFH, Urt. v. 26.04.2012 – V R 2/11). Nicht zuletzt weist der BFH im Besprechungsfall in diesem Zusammenhang mehrfach auf die Rechtsprechung des EuGH hin. Danach reicht schon das Ergreifen aktiver Schritte (Durchführung bewährter Vertriebsmaßnahmen) zur Annahme einer händlerartigen wirtschaftlichen Tätigkeit aus (EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – C-263/11 – UR 2012, 790 = HFR 2012, 1020 „Redlihs“: Der Verkauf von Holz aus einem Privatforst ist als „Nutzung“ dieses Gegenstands i.S.v. Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2006/138 geänderten Fassung anzusehen). Daher ist zumindest bei Überschreiten der Kleinunternehmerschwelle in § 19 Abs. 1 UStG (17.500 Euro p.a.) bei eBay-Verkäufen eine unternehmerische Tätigkeit zu unterstellen. Davon auszunehmen sind allenfalls Verkäufe von Liebhaberobjekten (d.h. solchen ohne oder nur mit geringem Gebrauchswert), die „en bloc“ verkauft werden.
Offengelassen hat der BFH die Frage, ob eine Abfärbewirkung von unstreitig unternehmerischen Tätigkeiten ausgehen kann. Dieser Hinweis des BFH war deshalb interessant, weil die Klägerin im Besprechungsfall hauptberuflich als Finanzdienstleistende tätig war. In einschlägigen Fällen sollte daher eine Klärung im Klageverfahren herbeigeführt werden.