Nachfolgend ein Beitrag vom 6.2.2017 von Dötsch, jurisPR-SteuerR 6/2017 Anm. 4

Leitsätze

1. Der Übergang von einem Gewerbebetrieb zur einkommensteuerlich unbeachtlichen Liebhaberei ist keine Betriebsaufgabe (ständige BFH-Rechtsprechung).
2. Die Veräußerung oder Aufgabe eines Liebhabereibetriebs ist eine Betriebsveräußerung oder -aufgabe nach § 16 Abs. 1, Abs. 3 EStG.
3. Der Veräußerungs- oder Aufgabegewinn hieraus ist steuerpflichtig, soweit er auf die einkommensteuerlich relevante Phase des Betriebs entfällt.
4. Der steuerpflichtige Teil des Gewinns ist im Jahr der Veräußerung oder Aufgabe zu versteuern.
5. Er entspricht der Höhe nach im Grundsatz den nach § 8 der VO zu § 180 Abs. 2 AO auf den Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei gesondert festgestellten stillen Reserven.
6. Eine negative Wertentwicklung während der Liebhabereiphase berührt die Steuerpflicht des auf die einkommensteuerlich relevante Phase entfallenden Gewinnanteils nicht. Die Veräußerung eines Liebhabereibetriebs kann daher auch dann zu einem steuerpflichtigen Gewinn führen, wenn der erzielte Erlös die festgestellten stillen Reserven nicht erreicht.

A. Problemstellung

Im Streitfall hatte der BFH zum Ansatz und zur Berechnung des Gewinns aus der Veräußerung eines durch Struktur- bzw. Beurteilungswandel zur Liebhaberei aus einem früheren Erwerbsbetrieb hervorgegangenen Liebhabereibetriebs Stellung zu nehmen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin und ihr im Streitjahr (2008) verstorbener Ehemann (E) betrieben seit 1983 ein Hotel in der Rechtsform einer GbR, an der die Ehegatten zu je 50% beteiligt waren. Die Klägerin hat ihren verstorbenen Ehemann alleine beerbt. Die GbR erwirtschaftete von 1983 bis 1999 einen Gesamtverlust i.H.v. rund 14 Mio. DM.
Aufgrund einer tatsächlichen Verständigung einigten sich die Klägerin und E mit dem Finanzamt dahin, dass der Hotelbetrieb ab dem 01.01.1994 als Liebhabereibetrieb zu qualifizieren war. Mit Bescheid gemäß § 8 der VO zu § 180 Abs. 2 AO stellte das Finanzamt – der tatsächlichen Verständigung entsprechend – die stillen Reserven für die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zum 31.12.1993 insgesamt auf 2,93 Mio. DM fest. Davon entfielen auf das Grundstück nebst Gebäude und Außenanlagen 2,92 Mio. DM und der Rest auf GWG.
Zum 01.08. des Streitjahres 2008 veräußerte die Klägerin das Hotel für 1,85 Mio. Euro.
In ihrer Einkommensteuererklärung 2008 machte die Klägerin einen Veräußerungsverlust i.H.v. 911.311 Euro geltend. Die Buchwerte zum 31.12.2007 hatten insgesamt 2.316.363 Euro betragen. Zur Berechnung des Veräußerungsverlusts ordnete die Klägerin den Veräußerungserlös zu einem Teilbetrag von 912.050 Euro der Altsubstanz zu und zog die dem Feststellungsbescheid zum 31.12.1993 zugrundeliegenden Buchwerte von 1.830.900 Euro (= 3.580.929 DM) sowie stille Reserven von 7.539 EUR für GWG ab.
Das Finanzamt korrigierte diesen Betrag durch Addition der festgestellten stillen Reserven i.H.v. 1.492.497 Euro und gelangte so zu einem gewerblichen Veräußerungsgewinn von 581.186 Euro.
Mit der gegen den entsprechenden Einkommensteuerbescheid 2008 gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH, Urt. v. 29.10.1981 – IV R 138/78 – BStBl II 1982, 381) seien die festgestellten stillen Reserven nur zu versteuern, wenn es tatsächlich zu einer Gewinnrealisierung komme, wenn also der Kaufpreis höher als der damalige Buchwert gewesen wäre. Daran habe es hier gefehlt. Es widerspreche dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und dem Übermaßverbot, wenn der Steuerpflichtige einen Gewinn versteuern müsse, den er nicht erzielt habe.
Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet ab. Richtigerweise wäre ein Veräußerungsgewinn von 1.500.036 Euro (= 2.933.815 DM) zu versteuern gewesen, der den zum 31.12.1993 festgestellten stillen Reserven entspreche. Die Höhe des tatsächlich erzielten Veräußerungspreises sei unerheblich. Aufgrund des Verböserungsverbots bleibe es allerdings bei der tatsächlichen Einkommensteuerfestsetzung.
Mit der Revision verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter und beantragte, bei der Einkommensteuerfestsetzung 2008 negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 911.311 Euro zu berücksichtigen.
Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück und begründete dies im Wesentlichen wie folgt:
Die auf den 31.12.1993 beim Übergang vom Gewerbebetrieb zur Liebhaberei festgestellten stillen Reserven seien vorbehaltlich der Veräußerungskosten im Streitjahr 2008 als Veräußerungsgewinn i.S.v. § 16 Abs. 1 EStG zu versteuern. Da das Finanzamt einen geringeren Gewinn der Besteuerung zugrunde gelegt habe, habe das Finanzgericht im Ergebnis zu Recht in Anwendung des Verböserungsverbots die Klage abgewiesen.
Der Übergang vom Gewerbebetrieb zur Liebhaberei zum Jahreswechsel 1993/1994 habe noch keinen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn ausgelöst. Der Übergang zur Liebhaberei stelle für sich genommen auch keine Betriebsaufgabe dar und führe deshalb auch nicht zu einem steuerpflichtigen Aufgabegewinn (vgl. z.B. BFH, Urt. v. 29.10.1981 – IV R 138/78 – BStBl II 1982, 381). Der Betrieb bestehe fort, solange er nicht ausdrücklich aufgegeben oder veräußert werde. Die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens blieben sog. „eingefrorenes Betriebsvermögen“. Folglich habe erst die Veräußerung des Hotelbetriebs im Streitjahr 2008 zu einem steuerpflichtigen Betriebsveräußerungsgewinn geführt. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sei in einem weiteren Sinne dahin zu verstehen, dass die Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebs auch die Veräußerung eines zum Liebhabereibetrieb gewandelten vormaligen Gewerbebetriebs umfasse.
Der Senat folge dem Finanzgericht nicht, in der Veräußerungshandlung im Jahr 2008 lediglich die für steuerliche Zwecke seit 1993 hinausgeschobene Betriebseinstellung zu erblicken, so dass quasi eine Betriebsaufgabe vorliege, bei der nur die steuerliche Erfassung des bereits 1993 angelegten Aufgabegewinns verschoben werde. Die Rechtsprechung des BFH sei vielmehr stets davon ausgegangen, dass die Besteuerung nicht, auch nicht nachträglich, im Jahr des Übergangs zur Liebhaberei, sondern erst im Jahr eines späteren Realisierungstatbestands ansetze.
Der Veräußerungsgewinn des Streitjahres 2008 sei der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens übersteige (§ 16 Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Wert des Betriebsvermögens sei für den Zeitpunkt der Veräußerung nach den §§ 4 Abs. 1 oder 5 EStG zu ermitteln (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EStG). Der steuerpflichtige Teil des Veräußerungsgewinns entspreche den auf den 31.12.1993 festgestellten stillen Reserven.
Beziehe sich der Veräußerungsgewinn auf einen Betrieb, der im Laufe seiner zeitlichen Existenz teilweise ein einkommensteuerlich relevanter Betrieb, teilweise hingegen ein einkommensteuerlich irrelevanter Liebhabereibetrieb gewesen sei, so sei der Gewinn nach dem Rechtsgedanken des § 4 Abs. 4 EStG in einen betrieblich veranlassten und in einen privat veranlassten Teil aufzuteilen. Diese Aufteilung sei durch die gesonderte Feststellung der stillen Reserven auf den Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei vorbehaltlich der Behandlung der Veräußerungskosten bereits zusammengefasst vorgenommen worden. Der aus der Substanz des Betriebs erzielte Gesamtgewinn setze sich zusammen aus dessen Wertentwicklung vor und nach diesem Stichtag. Die Feststellung der stillen Reserven auf den Stichtag nach § 8 der VO zu § 180 Abs. 2 AO fixiere den auf die betriebliche Phase entfallenden und damit steuerverhafteten Gewinn. Der verbleibende Gewinn sei der auf die Liebhabereiphase entfallende Gewinn, der – da einkommensteuerlich irrelevant – keiner konkreten Ermittlung und Feststellung bedürfe. Dies gelte unabhängig davon, ob die betreffenden Gewinnanteile positiv oder negativ seien. Es sei daher möglich, dass sich der tatsächliche Veräußerungsgewinn aus einem steuerverhafteten (positiven) Gewinn und einem nicht steuerverhafteten, nämlich privaten Verlust zusammensetze. Es sei konsequent, ersteren der Besteuerung zu unterwerfen und letzteren unberücksichtigt zu lassen, weil die der privaten Sphäre zuzuordnenden Wertentwicklungen steuerlich nicht relevant seien. Umgekehrt wäre dies im Übrigen ebenso möglich.
Der Senat lasse dahingestellt, ob die Veräußerungskosten, was das Finanzamt und das Finanzgericht nicht getan hätten, ebenfalls auf die beiden zeitlichen Phasen aufzuteilen seien. Da der tatsächlich der Besteuerung unterworfene Gewinn deutlich niedriger sei als der richtigerweise zu besteuernde Veräußerungsgewinn gewesen wäre, komme es hierauf im Streitfall nicht an.

C. Kontext der Entscheidung

Dem Besprechungsurteil ist beizupflichten.

I. Es liegt auf der Linie der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. z.B. schon BFH, Urt. v. 29.10.1981 – IV R 138/78 – BStBl II 1982, 381). Danach erfüllt der Strukturwandel (und ebenso der bloße Beurteilungswandel) eines Erwerbsbetriebs zur Liebhaberei nicht den Tatbestand der Betriebsaufgabe (aus jüngster Zeit vgl. auch BFH, Urt. v. 11.05.2016 – X R 61/14 – BFHE 253, 407 = BFH/NV 2016, 1371). Nach einer in der Literatur vereinzelt vertretenen Gegenauffassung (vgl. Job, Die steuerrechtliche Liebhaberei, S. 96; Stoll in: Ruppe, Gewinnrealisierung im Steuerrecht, S. 207, 235 mit Anm. 66) soll ein solcher Strukturwandel dagegen zur Betriebsaufgabe führen mit der Folge, dass dann die im Zeitpunkt des Übergangs vom Erwerbsbetrieb zur Liebhaberei (hier am 31.12.1993) vorhandenen stillen Reserven nicht nur festgestellt (vgl. § 8 der VO zu § 180 Abs. 2 AO), sondern auch sofort (bereits 1993) gemäß den §§ 16 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2, 34 EStG zu versteuern gewesen wären.
Der BFH, der Verordnungsgeber, die Finanzverwaltung und die ganz h.L. folgen der letztgenannten Ansicht m.E. zu Recht nicht. Zutreffend hat der Große Senat des BFH bereits in seiner Entscheidung vom 07.10.1974 (GrS 1/73 – BStBl II 1975, 168) ausgeführt, das auf den Strukturwandel ausgerichtete Handeln des Steuerpflichtigen stelle sich als ein Bündel von Einzelmaßnahmen dar, bei dem weder die Gesamtheit der Maßnahmen noch eine mit Sicherheit festzustellende Einzelmaßnahme auf eine „Herauslösung“ der aktiven Wirtschaftsgüter (dort: Grund und Boden) „aus dem Betrieb gerichtet (sei)“.
Solchen, auf den Betrieb als Ganzen bezogenen unternehmenspolitischen Maßnahmen fehlt die für eine (Total-)Entnahmehandlung erforderliche Objektbezogenheit. Erst recht muss eine Betriebsaufgabe in den Fällen verneint werden, in denen der Wechsel vom Erwerbs- zum Liebhabereibetrieb nicht einmal auf strukturellen Veränderungen des Betriebs, sondern lediglich auf einem (reinen) Beurteilungswandel beruht.
II. Um trotz fehlender Betriebsaufgabe die im Zeitpunkt des Wechsels vom Erwerbsbetrieb zur Liebhaberei vorhandenen stillen Reserven bei der späteren Verwirklichung von Gesamt- oder Einzelrealisationstatbeständen (vgl. dazu näher BFH, Urt. v. 11.05.2016 – X R 61/14 – BFHE 253, 407 = BFH/NV 2016, 1371) erfassen zu können, hat die Rechtsprechung des BFH – mit Mut zur Kreativität – eine Figur wiederbelebt, die der Große Senat des BFH (vgl. BFH, Urt. v. 13.11.1963 – GrS 1/63 S – BStBl III 1964, 124) zuvor – in anderem Zusammenhang, namentlich bei der Betriebsverpachtung im Ganzen – mit dem Verdikt, dem Gesetz fremd zu sein, „beerdigt“ hatte: das „eingefrorene Betriebsvermögen“ (zur Kritik an dieser „Reinkarnation“ vgl. Knobbe-Keuk, DStR 1985, 494, 498 f.; ferner Dötsch, Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe, S. 100 ff.).
III. Die logische Konsequenz dieser von der Rechtsprechung und Verwaltung zur Versteuerung der stillen Reserven herangezogenen Rechtsfigur des „eingefrorenen Betriebsvermögens“ ist die, dass die im Zeitpunkt des Struktur- oder Beurteilungswandels zur Liebhaberei vorhandenen und gemäß § 8 der VO zu § 180 Abs. 2 AO festgestellten stillen Reserven später – während des Bestehens des Liebhabereibetriebs – zu denjenigen Zeitpunkten mit Wirkung ex nunc nachversteuert werden, in denen der Steuerpflichtige den Liebhabereibetrieb im Ganzen veräußert oder aufgegeben hat (= Gesamtrealisationstatbestände) oder in denen Einzelrealisationsakte (= Veräußerungen oder „Entnahmen“ einzelner, bereits im Zeitpunkt des Struktur- oder Beurteilungswandels vorhandener Wirtschaftsgüter) stattgefunden haben. Dabei werden die ursprünglich – im Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei – vorhandenen („eingefrorenen“) stillen Reserven ohne Rücksicht auf deren spätere – während des Bestehens des Liebhabereibetriebs eingetretenen – Wertveränderungen (Werterhöhungen oder -verminderungen) mit den seinerzeit festgestellten Werten erfasst (arg. § 4 Abs. 4 EStG). Diese letztgenannte essentielle Konsequenz des Konstrukts vom „eingefrorenen Betriebsvermögen“ hatte die Klägerin offenbar nicht begriffen oder nicht begreifen wollen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die (auch) im Besprechungsurteil befürwortete Sichtweise vom „eingefrorenen Betriebsvermögen“ hat zur Folge, dass die Finanzbehörden in den Fällen des Struktur- bzw. Beurteilungswandels zur Liebhaberei ständig – Jahr für Jahr – nicht nur überwachen müssen, ob der Steuerpflichtige den Liebhabereibetrieb im Ganzen veräußert oder aufgegeben hat, sondern darüber hinaus auch prüfen müssen, ob in den einzelnen Jahren Einzelrealisationsakte in Bezug auf bereits im Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei vorhandene Wirtschaftsgüter, und zwar nicht nur des Anlagevermögens, sondern auch des Umlaufvermögens (zu letzterem vgl. BFH, Urt. v. 11.05.2016 – X R 61/14 – BFHE 253, 407 = BFH/NV 2016, 1371), stattgefunden haben.