Nachfolgend ein Beitrag vom 29.5.2017 von Schießl, jurisPR-SteuerR 22/2017 Anm. 2

Leitsatz

Kann ein Steuerpflichtiger eine in seinem Eigentum stehende Wohnung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauerhaft nicht in einen betriebsbereiten Zustand versetzen und zur Vermietung bereitstellen, ist es nicht zu beanstanden, wenn das Finanzgericht nach einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen vom Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht ausgeht.

A. Problemstellung

Die Entscheidung betrifft die in der Praxis wichtige Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die weggefallene Betriebsbereitschaft eines zuvor vermieteten Objekts zur Ablehnung der steuerlichen Anerkennung von erklärten Verlusten aus Vermietung und Verpachtung führt, obwohl – vergeblich – Bemühungen zur Herstellung der Betriebsbereitschaft und zur Vermietung unternommen wurden.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger erwarb im Jahre 1993 eine Eigentumswohnung in einer Wohnungsanlage in A. Der Kaufpreis betrug 184.668 DM. Der Kaufpreis war an die Z-Bank als Treuhänder zu zahlen. Der Veräußerer garantierte drei Jahre lang eine Kaltmiete i.H.v. 8,50 DM/qm. Mit dem Erwerb wurde der Kläger Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Wohnung hat eine Größe von 84 qm und besteht aus zwei Schlafzimmern, einem Wohnzimmer, Küche, Bad, Flur und Balkon. Das gesamte Gebäude befand sich aufgrund eines Sanierungsstaus bereits seit 1993 in einem völlig desolaten und maroden Zustand. In dem aus sechs Wohnungen bestehenden Gebäude war im Jahr 2011 nur eine Wohnung bewohnt. Die Wohnung des Klägers stand seit dem Jahr 1999 durchgängig leer.
Im Jahr 1999 hat die Eigentümergemeinschaft die Durchführung von Instandsetzungsarbeiten beschlossen. Die dazu nötige Sonderumlage wurde aber nicht von allen Eigentümern gezahlt. Zudem kam es bei der beauftragten Hausverwaltung zu einem Untreuefall, in dessen Folge die Mittel der Sonderumlage abhanden kamen. Sanierungsmaßnahmen konnten daher zunächst weder in 2000 noch in 2001 begonnen werden. Eine im Jahr 2001 einberufene Eigentümerversammlung war nicht beschlussfähig.
Im Jahr 2005 war die Sanierung zu 50% durchgeführt, insbesondere waren die Elektroheizungen ausgebaut, aber noch nicht durch die geplante Zentralheizung ersetzt worden. Aufgrund von ungeklärten Eigentümerverhältnissen, der fehlenden Bereitschaft sowohl der Z-Bank als auch der übrigen Eigentümer und aufgrund des Untreuefalls konnte die Sanierung nicht weitergeführt werden.
Der Kläger hatte im Jahr 1999 die Hausverwaltung mit der Vermietung der Wohnung beauftragt. Diese war aufgrund des Zustands der Wohneigentumsanlage aber vor Abschluss der Sanierungsarbeiten nicht vermietbar. Dies teilte die Hausverwaltung dem Kläger im Jahr 2005 mit.
Am 01.12.2008 beauftragte der Kläger einen Makler mit der Vermietung der Wohnung. Die Wohnung wurde im Dezember 2009 in einem Internetportal beworben. Der Makler teilte im April 2012 mit, dass alle Bemühungen, die Wohnung zu vermieten, aufgrund des Gesamtzustands der Anlage und der nicht abgeschlossenen Sanierung – u.a. einer fehlenden Heizungsanlage und fehlenden TV-Anschlüssen – gescheitert seien. Im Jahr 2012 stellte sich heraus, dass eine weitere Sanierung zu diesem Zeitpunkt mangels Erreichbarkeit der übrigen Eigentümer nicht möglich war. Diese waren überwiegend unbekannt verzogen oder nicht auffindbar. Eine im Juli 2014 durchgeführte Eigentümerversammlung war nicht beschlussfähig. Bei der nachfolgenden Eigentümerversammlung im August 2014 wurde im Protokoll festgestellt, dass das Objekt zur Zeit nicht vermietbar sei. Eine weitere Eigentümerversammlung im November 2014 beschloss Sanierungsmaßnahmen, die aber wiederum nicht durchgeführt werden konnten.
Der Kläger erklärte in den Streitjahren 2006 bis 2010 insgesamt negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 36.737 Euro. Diese setzten sich aus Absetzungen für Abnutzung, Schuldzinsen und sonstigen Aufwendungen zusammen.
Das Finanzamt berücksichtigte die geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse nicht. Die Einsprüche der Kläger blieben ohne Erfolg. Das FG Greifswald (Urt. v. 06.04.2016 – 3 K 44/14 – EFG 2016, 1335) hat die Klage abgewiesen.
Mit ihrer Revision trugen die Kläger vor: Der Kläger habe geplant, die Wohnung zu vermieten, so dass die Einkünfteerzielungsabsicht vorgelegen habe. Das Objekt sei bis 1999 vermietet gewesen. Dies habe Indizwirkung. Die Einkünfteerzielungsabsicht sei auch nicht aufgrund des langen Leerstands und der zeitlich unüberschaubar gewordenen Sanierungsbemühungen entfallen. Denn die Sanierungsplanung und -durchführung sei lediglich von außergewöhnlichen und unvorhergesehenen und nicht in seinem Verantwortungsbereich liegenden Umständen verhindert worden. Dies gelte zum einen für die Veruntreuung der Sanierungsumlage durch die Hausverwaltung, zum anderen für den Umstand, dass zeitweise gar keine handlungsfähige Hausverwaltung existiert habe. Dies zeige sich auch daran, dass er sich den Sonderumlagen für die Sanierung nicht verweigert, sondern diese auch gezahlt habe. Er sei nicht untätig gewesen, sondern habe stets die Vermietbarkeit herstellen wollen. Das Finanzgericht habe verkannt, dass es Sache des Steuerpflichtigen sei, ob und inwieweit Sanierungsmaßnahmen aus Zeit- oder Geldgründen langsamer oder schneller oder durch Fremd- oder Eigenleistungen durchgeführt werden. Das Finanzgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass er bereits 50.000 DM in die Sanierung der Immobilie investiert habe, die veruntreut worden seien. Seine Bemühungen, die Vermietbarkeit herzustellen, dauerten auch weiter an. Die Wohnung werde daher in naher Zukunft wieder vermietbar sein. Private Gründe stünden einer Vermietung jedenfalls nicht entgegen.
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Die Entscheidung des Finanzgerichts sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Maßstäbe, die der BFH zur Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht bei langjährigem Leerstand von Wohnungen entwickelt habe, seien in Fällen, in denen wie im Besprechungsfall die Betriebsbereitschaft des Objekts nach vorangegangener Vermietung in der Zeit des Leerstandes wegfällt, entsprechend anzuwenden. Der BFH führte zur Begründung aus:
I. Nach den bindenden Feststellungen des Finanzgerichts habe sich die Wohnung in den Streitjahren nicht mehr in einem vermietbaren Zustand befunden. Der Kläger habe selbst eingeräumt, eine Vermietung wäre erst nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen möglich gewesen, deren Durchführung in den Streitjahren jedoch nicht möglich gewesen sei. Der Zustand der fehlenden Betriebsbereitschaft sei kein vorübergehender gewesen, sondern habe seit mehr als 17 Jahren und damit besonders lang angedauert. Das Ende dieses Zustands habe auch nicht konkret abgeschätzt werden können.
Das Finanzgericht habe dabei zutreffend in seine Würdigung einbezogen, dass der Kläger sich um eine Fertigstellung der Wohnung auch in den Streitjahren – durchaus intensiv und auch durch Beteiligung an den beschlossenen (Sonder-)Umlagen – bemüht habe. Es habe aber ebenfalls darauf abgestellt, dass der Kläger offenbar nicht in der Lage gewesen ist, eine Vermietung des Objekts zu erreichen. Denn zum Erreichen dieses Ziels sei er auf die anderen Miteigentümer angewiesen gewesen, deren tatsächliche und finanzielle Mitwirkung in den Streitjahren nicht vorgelegen habe. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass für die Durchführung der Sanierungsmaßnahmen sowohl in der Wohnung des Klägers als auch im Bereich des Gemeinschaftseigentums die Zustimmung in den Eigentümerversammlungen und finanzielle Beteiligung der übrigen Wohnungseigentümer der Anlage notwendig gewesen seien, deren Einholung mehrfach gescheitert und auch zukünftig (mehr als) unsicher und auch zeitlich nicht absehbar gewesen sei.
II. Ausgehend von diesen Umständen sei der Schluss des Finanzgerichts, der Kläger habe die Einkünfteerzielungsabsicht für die streitige Wohnung bereits vor Beginn des Streitzeitraums aufgegeben und bis zum Ende des Streitzeitraums nicht wieder aufgenommen, nach dem eingeschränkten Maßstab revisionsrechtlicher Kontrolle nicht zu beanstanden. Nach der vom Finanzgericht vorgenommenen Gesamtwürdigung stehe fest, dass es dem Kläger spätestens seit dem Jahr 2005 nicht möglich gewesen sei, die Vermietbarkeit der Wohnung herzustellen. Denn der Kläger habe wegen der fehlenden Mitwirkung der übrigen Mitglieder der Eigentümergemeinschaft nicht die Macht (d.h. die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit) gehabt, die Betriebsbereitschaft des Objekts herzustellen und damit eine Vermietung der Immobilie zu erreichen. Es komme hinzu, dass die über Hausverwaltungen und Makler vorgenommenen Vermietungsbemühungen in den Streitjahren nicht ernsthaft und nachhaltig gemeint gewesen seien. Sie hätten aufgrund des Zustands der Anlage nur ins Leere laufen können und hätten lediglich der Prüfung gedient, ob überhaupt Mietinteressenten vorhanden seien. Die Würdigung des Finanzgerichts sei gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend.

C. Kontext der Entscheidung

I. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen; sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Fallen Aufwendungen (z.B. Schuldzinsen, Absetzungen für Abnutzung, Reparaturkosten) mit der im Zusammenhang beabsichtigten Vermietung einer (leerstehenden) Wohnung an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Die Berücksichtigung von Aufwand als – vorab entstandene – Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige sich endgültig entschlossen hat, aus dem Objekt durch das Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung nicht aufgegeben hat.
II. Danach sind Aufwendungen für Wohnungen, die nach vorheriger (auf Dauer angelegter) Vermietung leerstehen, auch während der Zeit des Leerstands als Werbungskosten abziehbar, solange der Steuerpflichtige den ursprünglichen Entschluss zur Einkünfteerzielung im Zusammenhang mit dem Leerstand der jeweiligen Wohnung nicht endgültig aufgegeben hat (vgl. hierzu und zu weiteren Einzelheiten BFH, Urt. v. 11.12.2012 – IX R 14/12 – BStBl II 2013, 279; Anm. Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 13/2013 Anm. 5; BFH, Urt. v. 13.01.2015 – IX R 46/13 – BFH/NV 2015, 668; Anm. Jachmann, jurisPR-SteuerR 23/2015 Anm. 1; Anm. Schießl, HFR 2015, 337). Die Einzelfallumstände, aus denen sich der endgültige Entschluss zu vermieten ergibt, sind in erster Linie ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen des Steuerpflichtigen. Für die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Vermietungsbemühungen als Voraussetzungen einer (fort)bestehenden Einkünfteerzielungsabsicht, deren Feststellung und Würdigung im Wesentlichen dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz obliegt, trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast. Das Finanzgericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, ob im Einzelfall eine Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt; es ist bei seiner tatrichterlichen Würdigung nicht an starre Regeln für das Gewichten einzelner Umstände gebunden.
III. Ein besonders lang andauernder, strukturell bedingter Leerstand einer Wohnimmobilie kann – auch nach vorheriger, auf Dauer angelegter Vermietung – dazu führen, dass die vom Steuerpflichtigen aufgenommene Einkünfteerzielungsabsicht ohne sein Zutun oder Verschulden wegfällt (BFH, Urt. v. 09.07.2013 – IX R 48/12 – BStBl II 2013, 693; Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 38/2013 Anm. 3). Das ist z.B. der Fall, wenn das leerstehende Gebäude zur Erreichung der Vermietbarkeit grundlegend saniert werden müsste, dies jedoch aufgrund des aus dem Überangebot von Immobilien resultierenden niedrigen Mietpreisniveaus als unwirtschaftlich einzuschätzen ist, so dass eine Vermietung in absehbarer Zeit objektiv nicht möglich sein wird.

D. Auswirkungen für die Praxis

I. Der Steuerpflichtige muss die Absicht haben, Einkünfte zu erzielen, um Aufwendungen als Werbungskosten abziehen zu können. In Fällen, in denen die Betriebsbereitschaft des Objekts nach vorangegangener Vermietung in der Leerstandszeit wegfällt, sind die unter C. dargestellten Maßstäbe, die der BFH zur Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht bei langjährigem Leerstand von Wohnungen entwickelt hat, entsprechend anzuwenden. Aufgrund dieser Aussage des BFH hat das Besprechungsurteil über den entschiedenen Fall hinaus Bedeutung.
II. Ebenfalls neu ist die Aussage des Urteils, dass der Steuerpflichtige die Macht – d.h. die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit – haben muss, die Betriebsbereitschaft des Objekts herzustellen und damit eine Vermietung der Immobilie zu erreichen. Kann ein Steuerpflichtiger eine in seinem Eigentum stehende Wohnung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauerhaft nicht in einen betriebsbereiten Zustand versetzen und zur Vermietung bereitstellen, ist bei einem langjährigen Leerstand der Wohnung regelmäßig vom Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen.