Nachfolgend ein Beitrag vom 4.3.2019 von Reddig, jurisPR-SteuerR 9/2019 Anm. 4
Leitsätze
1. Eine – die Annahme einer Zwangsbetriebsaufgabe vermeidende – Betriebsunterbrechung liegt vor, solange die Fortsetzung der gewerblichen Tätigkeit objektiv möglich ist, der Steuerpflichtige keine Aufgabeerklärung abgibt und die wesentlichen Betriebsgrundlagen zurückbehalten und nicht wesentlich umgestaltet werden. Ein freies Wahlrecht auf Fortführung „ewigen Betriebsvermögens“ besteht allerdings nicht.
2. Übt der Steuerpflichtige im Rahmen seines Betriebs zwei verschiedene Betätigungen aus, kommt es für die Annahme einer Betriebsunterbrechung nicht darauf an, dass beide Betätigungen nach der Unterbrechung wieder aufgenommen werden können; vielmehr reicht die Aufnahme einer der beiden Betätigungen aus.
3. Bei der Würdigung, ob zwei Betätigungen als Teilbetriebe anzusehen sind, tritt die Bedeutung des Merkmals des organisatorischen Zusammenhangs zwischen den Betätigungen im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung deutlich hinter die der anderen Merkmale zurück, wenn der Organisationsbedarf für eine der Betätigungen im konkreten Fall eher gering ist.
A. Problemstellung
Der X. Senat des BFH hatte über die Abgrenzung zwischen einer bloßen – nicht zur Aufdeckung stiller Reserven führenden – Betriebsunterbrechung und einer (zwangsweisen) Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 EStG zu entscheiden.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger gründete im Jahr 2003 ein Bauträgerunternehmen und kurze Zeit später als Alleingesellschafter eine GmbH, die ein Bauunternehmen betreibt. Seit dem Jahr 2005 verpachtete der Kläger das gesamte Anlagevermögen seines Einzelunternehmens an die GmbH. Neben den Pachterträgen erzielte er mit seinem Einzelunternehmen in schwankender Höhe auch Umsätze aus Bauträgertätigkeiten. Die GmbH-Beteiligung bilanzierte er erstmals zum 31.12.2007. Am 31.12.2008 veräußerte der Kläger das gesamte Anlagevermögen an die GmbH. Zu späterer Zeit stellte er den Geschäftsbetrieb seines verbliebenen Einzelunternehmens (Bauträgertätigkeit) ein. Unklar war allerdings, ob es sich hierbei um eine endgültige Betriebsaufgabe handelte.
Das Finanzamt ging davon aus, durch die Veräußerung des Anlagevermögens sei eine vormals bestandene Betriebsaufspaltung zwischen dem Einzelunternehmen (Besitzunternehmen) und der GmbH (Betriebsunternehmen) beendet worden, so dass das Einzelunternehmen Ende des Jahres 2008 zwangsweise aufgegeben worden sei. Die Klage gegen die Einkommensteuerfestsetzung des Jahres 2008 hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht vertrat die Ansicht, der Kläger habe ein einheitliches Unternehmen mit zwei unselbstständigen Tätigkeitsfeldern (Bauträgertätigkeit und Verpachtung) geführt. Eine bloße Betriebsunterbrechung liege nicht vor, da der Kläger durch die Veräußerung des Anlagevermögens an die GmbH den Betrieb jedenfalls nicht mehr in Gänze identitätswahrend hätte aufnehmen können.
Der X. Senat des BFH hat auf die Revision des Klägers das Urteil aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückgewiesen. Grund hierfür war insbesondere der Umstand, dass das Finanzgericht keine Feststellungen dazu getroffen hatte, ob der Kläger seine Bauträgertätigkeit auch noch über den 31.12.2008 hinaus fortgesetzt hatte. Hierbei ging der BFH von folgenden – im Wesentlichen bereits geklärten – Grundsätzen aus:
I. Eine Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 EStG liege vor, wenn der Steuerpflichtige den Entschluss gefasst hat, seine betriebliche Tätigkeit einzustellen und seinen Betrieb als selbstständigen Organismus des Wirtschaftslebens aufzulösen, und in Ausführung dieses Entschlusses alle wesentlichen Betriebsgrundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit an verschiedene Abnehmer veräußert oder in das Privatvermögen überführt (BFH, Urt. v. 03.04.2014 – IV R 12/10 – BStBl II 2014, 1000). Die Betriebsaufgabe stelle allerdings einen tatsächlichen Vorgang dar. Daher könne sie nicht durch eine bloße Aufgabeerklärung und die Behauptung eines Aufgabewillens herbeigeführt werden, wenn sich aus den tatsächlichen Umständen ergibt, dass es sich um eine lediglich vorübergehende Betriebseinstellung handelt (BFH, Beschl. v. 29.07.2003 – X B 12/03 – BFH/NV 2003, 1575). Ebenso sei umgekehrt der Wille des Steuerpflichtigen, eine Betriebsaufgabe zu vermeiden und Wirtschaftsgüter weiterhin als Betriebsvermögen zu behandeln, unbeachtlich, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass diese Wirtschaftsgüter in absehbarer Zeit nicht mehr betrieblich genutzt oder verwertet werden (BFH, Urt. v. 27.10.1983 – IV R 217/81 – BStBl II 1984, 364). In einem solchen Fall würden die noch vorhandenen Wirtschaftsgüter zwingend Privatvermögen, sobald die anderen wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert worden sind und die betriebliche Tätigkeit endgültig eingestellt wird (BFH, Urt. v. 26.03.1991 – VIII R 73/87 – BFH/NV 1992, 227). Eine ausdrückliche Betriebsaufgabeerklärung sei dann nicht erforderlich (BFH, Urt. v. 15.11.2006 – XI R 6/06 – BFH/NV 2007, 436).
An einer (gewinnrealisierenden) Betriebsaufgabe fehle es indes noch, solange der Betrieb lediglich unterbrochen ist. Eine derartige Betriebsunterbrechung sei ursprünglich angenommen worden, wenn bei Einstellung der werbenden Tätigkeit die Absicht besteht und die Verwirklichung dieser Absicht nach den äußerlich erkennbaren Umständen wahrscheinlich ist, den Betrieb innerhalb eines überschaubaren Zeitraums in gleichartiger oder ähnlicher Weise wieder aufzunehmen, so dass der stillgelegte und der wiedereröffnete Betrieb als identisch anzusehen sind (BFH, Urt. v. 26.02.1997 – X R 31/95 – BStBl II 1997, 561). Die neuere Rechtsprechung nehme demgegenüber eine stärker objektivierende Betrachtung vor und unterstelle die Wiederaufnahmeabsicht, solange die Fortsetzung der gewerblichen Tätigkeit objektiv möglich ist und der Steuerpflichtige keine eindeutige Aufgabeerklärung abgibt (BFH, Urt. v. 08.02.2007 – IV R 65/01 – BStBl II 2009, 699; BFH, Urt. v. 12.05.2011 – IV R 36/09 – BFH/NV 2011, 2092). Die objektive Möglichkeit zur Betriebsfortführung setze wiederum voraus, dass die wesentlichen Betriebsgrundlagen zurückbehalten und nicht entscheidend umgestaltet werden (BFH, Urt. v. 14.03.2006 – VIII R 80/03 – BStBl II 2006, 591). Allerdings komme es nicht in Betracht, dem Steuerpflichtigen ein freies Wahlrecht auf Fortführung „ewigen Betriebsvermögens“ zuzugestehen (BFH, Urt. v. 28.09.1995 – IV R 39/94 – BStBl II 1996, 276; BFH, Urt. v. 09.11.2017 – IV R 37/14 – BStBl II 2018, 227 Anm. jurisPR-SteuerR 12/2018 Anm. 2).
II. Im Streitfall fehlten die erforderlichen Feststellungen des Finanzgerichts dazu, ob der Kläger sein Einzelunternehmen mit Blick auf das Jahresende 2008 (Streitjahr) tatsächlich über einen längeren Zeitraum eingestellt hatte. Zu berücksichtigen war hierbei der Umstand, dass der Kläger die GmbH-Beteiligung über den 31.12.2008 weiterhin bilanziert hatte und sein Vorbringen, diese Beteiligung sei notwendiges – zumindest aber gewillkürtes Betriebsvermögen – im Bauträgergeschäft, angesichts der entscheidenden Bedeutung der GmbH als Auftragnehmerin für die Ausführung der Bauleistungen dem BFH jedenfalls nachvollziehbar erschien. Daher würde die Annahme eines fortbestehenden Bauträgerbetriebs im Streitfall – anders als das Finanzgericht annahm – nicht am Fehlen jeglichen Betriebsvermögens scheitern. Vielmehr kam es in erster Linie darauf an, ob die Wiederaufnahme der (zunächst eingestellten) Tätigkeit objektiv möglich war.
III. Unbeachtlich war für den BFH, ob zwischen dem Einzelunternehmen des Klägers und der GmbH eine Betriebsaufspaltung vorlag und diese zum 31.12.2008 durch die Veräußerung des zuvor verpachteten Anlagevermögens geendet hätte. Selbst wenn dies so gewesen wäre – d.h. es sich bei den verpachteten Wirtschaftsgüter um wesentliche Betriebsgrundlagen gehandelt hätte –, müsse berücksichtigt werden, dass das Einzelunternehmen des Klägers jedenfalls bis zum 31.12.2008 nicht nur mit der Überlassung von Wirtschaftsgütern an die GmbH, sondern auch mit dem Bauträgergeschäft gewerblich tätig war. Eine künftige Wiederaufnahme der gewerblichen Tätigkeit setze keine volle Identität zwischen der künftigen Tätigkeit und beiden vom Kläger bis Ende 2008 ausgeübten gewerblichen Betätigungen (Bauträgergeschäft und Verpachtung) voraus. Für die Annahme einer Betriebsunterbrechung komme es in Fällen, in denen der Steuerpflichtige im Rahmen seines Betriebs zwei verschiedene Betätigungen entfaltet, nicht darauf an, dass beide Betätigungen nach der Unterbrechung wieder aufgenommen werden; vielmehr reiche die Aufnahme einer der beiden Betätigungen aus (vgl. BFH, Urt. v. 09.11.2017 – IV R 37/14 – BStBl II 2018, 227). Es müsse nur eine funktionsfähige Sachgesamtheit verbleiben (vgl. Wendt, FR 2018, 513, 514).
C. Kontext der Entscheidung
Die bislang vom Finanzamt und Finanzgericht angenommene (Zwangs-)Betriebsaufgabe seines Einzelunternehmens zum 31.12.2008 kam dem Kläger teuer zu stehen. In Anbetracht des offenkundigen Geschäftserfolgs der GmbH war der gemeine Wert der Geschäftsanteile an der GmbH gegenüber den seinerzeitigen Anschaffungskosten (Stammkapital: 25.000 Euro) erheblich gestiegen, so dass das Finanzamt einen – der Höhe nach unstreitigen und nach Maßgabe des Teileinkünfteverfahrens berechneten – Betriebsaufgabegewinn von ca. 365.000 Euro der Besteuerung zugrunde legte.
Für die nachzuholenden tatsächlichen Feststellungen gab der BFH dem Finanzgericht noch folgende „Segelanweisungen“ mit:
I. Die Annahme einer Betriebsunterbrechung setzt voraus, dass die Einstellung der bisherigen Tätigkeit zeitlich begrenzt ist. Hinsichtlich der maximalen Länge des Unterbrechungszeitraums kann keine feste zeitliche Grenze festgelegt werden; abzustellen ist insoweit auf die Umstände des Einzelfalls (vgl. BFH, Urt. v. 09.11.2017 – IV R 37/14 – BStBl II 2018, 227). Die Möglichkeit der Überprüfung der insoweit dem Finanzgericht obliegenden Würdigung setzt entsprechende Feststellungen und der Begründung dienende Ausführungen im Urteil voraus.
II. Das Finanzgericht muss im zweiten Rechtsgang zudem Feststellungen zu Art und Umfang der im (Folge-)Jahr 2009 im Bauträgergeschäft entfalteten Tätigkeit treffen. Diese Feststellungen können schon für das Streitjahr 2008 in zweierlei Hinsicht von Bedeutung sein:
Zum einen ist zu prüfen, ob der Umfang der im Jahr 2009 ausgeübten Tätigkeiten noch einen derartigen Umfang hatte, dass eine Zwangsbetriebsaufgabe jedenfalls zum 31.12.2008 noch nicht angenommen werden kann. In diesem Fall wäre im Streitjahr 2008 zunächst lediglich ein Gewinn aus der Veräußerung des Sachanlagevermögens, nicht aber aus der Überführung der GmbH-Anteile ins Privatvermögen realisiert. Die GmbH-Anteile wären nur dann bereits im Jahr 2008 zu notwendigem Privatvermögen geworden, wenn das Finanzgericht der Würdigung des Klägers, die Anteile seien wegen der entscheidenden Bedeutung der GmbH für die Ausführung der Bauleistungen zumindest gewillkürtes Betriebsvermögen des Bauträgergeschäfts, nicht folgen sollte. Zum anderen wäre auch bei Annahme einer Zwangsbetriebsaufgabe zum 31.12.2008 jedenfalls denkbar, dass der von den Klägern für das Folgejahr 2009 behauptete Abwicklungsverlust – z.B. durch Bildung entsprechender Rückstellungen oder in anderer Weise – bereits den Aufgabegewinn des Jahres 2008 gemindert hat (vgl. hierzu BFH, Urt. v. 19.05.2005 – IV R 17/02 – BStBl II 2005, 637).
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Vorschrift des § 16 Abs. 3b Satz 1 EStG, wonach bei einer Betriebsunterbrechung eine Betriebsaufgabe nur dann angenommen wird, wenn der Steuerpflichtige entweder eine ausdrückliche Aufgabeerklärung gegenüber dem Finanzamt abgibt oder dem Finanzamt alle Tatsachen für das Vorliegen einer Betriebsaufgabe bekannt werden, war im Streitfall noch nicht anwendbar. Sie gilt erstmals für Betriebsaufgaben nach dem 04.11.2011 (§ 52 Abs. 34 Satz 9 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 v. 01.11.2011, BGBl I 2011, 2131).
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Die Entscheidung des BFH wäre nicht anders ausgefallen, sofern die beiden Tätigkeitsbereiche des Klägers steuerlich als Teilbetriebe zu qualifizieren gewesen wären. Der BFH tendierte zwar dazu, Teilbetriebe anzunehmen, ließ dies allerdings offen.
Unter einem Teilbetrieb ist ein organisatorisch geschlossener, mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestatteter Teil eines Gesamtbetriebs zu verstehen, der – für sich betrachtet – alle Merkmale eines Betriebs i.S.d. EStG aufweist und als solcher lebensfähig ist. Ob ein Betriebsteil die für die Annahme eines Teilbetriebs erforderliche Selbstständigkeit besitzt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse – beim Veräußerer – zu entscheiden. Als Abgrenzungsmerkmale können z.B. die räumliche Trennung vom Hauptbetrieb, eine gesonderte Buchführung, eigenes Personal, eine eigene Verwaltung und selbstständige Organisation, eigenes Anlagevermögen sowie die Ungleichartigkeit der jeweiligen betrieblichen Tätigkeiten oder des Kundenstamms herangezogen werden. Diesen Kriterien kommt im Einzelfall unterschiedliches Gewicht zu. Eine vollkommen selbstständige Organisation ist nicht erforderlich, da dann bereits zwei eigenständige Gewerbebetriebe – und nicht lediglich zwei Teilbetriebe eines einzigen Gewerbebetriebs – bestehen (vgl. BFH, Urt. v. 04.07.2007 – X R 49/06 – BStBl II 2007, 772; Anm. Schuster, jurisPR-SteuerR 46/2007 Anm. 4). Die Bedeutung des Merkmals des organisatorischen Zusammenhangs der Betätigungen tritt im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung allerdings deutlich hinter die der anderen Merkmale zurück, wenn der Organisationsbedarf für einen Betriebsteil eher gering ist (BFH, Urt. v. 20.03.2013 – X R 38/11 – BFH/NV 2013, 1125).
Im Streitfall erforderte die laufende Verpachtung des Anlagevermögens nur äußerst wenige organisatorische Handlungen des Klägers. Maßgeblich für die Frage, ob zwei Teilbetriebe vorlagen, waren daher die Kriterien der (Un-)Gleichartigkeit der jeweiligen betrieblichen Tätigkeiten und des Kundenstamms. Gerade in diesen Punkten unterschieden sich die beiden bis 2008 im Einzelunternehmen ausgeübten Betätigungen erheblich voneinander, so dass die Annahme von zwei Teilbetrieben durchaus nahelag.
Allerdings: Wären die beiden Tätigkeitsbereiche des Klägers als Teilbetriebe einzustufen, hätte dies zunächst lediglich zur Folge gehabt, dass der Teilbetrieb „Verpachtung“ durch die Veräußerung des Sachanlagevermögens zum 31.12.2008 aufgegeben worden wäre. Eine Überführung der GmbH-Anteile ins Privatvermögen gemäß § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG wäre hiermit nicht zwangsweise verbunden gewesen. Sofern – was das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang noch festzustellen hat – der verbliebene Teilbetrieb „Bauträgergeschäft“ auch über den 31.12.2008 hinaus noch steuerlich aktiv gewesen wäre, würden die GmbH-Anteile weiterhin zumindest die Voraussetzungen gewillkürten Betriebsvermögens erfüllen.
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