Nachfolgend ein Beitrag vom 25.4.2016 von Eversloh, jurisPR-SteuerR 17/2016 Anm. 6

Leitsatz

Der Gesellschafter einer noch zu gründenden GmbH kann im Hinblick auf eine beabsichtigte Unternehmenstätigkeit der GmbH nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn der Leistungsbezug durch den Gesellschafter bei der GmbH zu einem Investitionsumsatz führen soll.

A. Problemstellung

Nur Unternehmer i.S.d. §§ 2 und 2a UStG sind im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit zum Vorsteuerabzug berechtigt. Bereits vor der Ausführung von Umsätzen angefallene Vorsteuerbeträge sind abziehbar, wenn sie der unternehmerischen Tätigkeit zuzurechnen sind – sogar wenn es sich um einen letztlich erfolglosen Unternehmer handelt (Ausnahme: Betrugs- und Missbrauchsfälle). Es muss also ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit einem einzelnen steuerpflichtigen Ausgangsumsatz der wirtschaftlichen Tätigkeit für das Unternehmen bestehen. Die damit zusammenhängenden getätigten Aufwendungen für den Leistungsbezug zählen dann zu den Kostenfaktoren des Ausgangsumsatzes. Ohne diesen Zusammenhang zwischen Eingangsumsatz und einem Ausgangsumsatz besteht die Vorsteuerabzugsberechtigung nur dann, wenn die Kosten für die Eingangsleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen gehören. Ist ein Gesellschafter bislang nur als solcher tätig und erwirbt er einen Gegenstand, den er der Gesellschaft entgeltlich überlässt, kommt es zur unternehmerischen Betätigung, die zum Vorsteuerabzug berechtigt. Bei unentgeltlicher Nutzungsüberlassung eines Gegenstands ist dagegen weder der Gesellschafter noch die Gesellschaft bezüglich der dem Gesellschafter beim Erwerb des Gegenstand in Rechnung gestellten Steuer vorsteuerabzugsberechtigt.
Vorliegend ging es um die Berechtigung des Vorsteuerabzugs aus Rechnungen für Beratungsleistungen bei beabsichtigter Unternehmensgründung, also in einem Stadium vor demjenigen der Vorgründungsgesellschaft.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger, ein Arbeitnehmer, wollte über eine von ihm zu gründende GmbH, deren Alleingesellschafter er sein sollte, eine unternehmerische Tätigkeit beginnen. Die GmbH sollte die Betriebsmittel einer anderen Firma im Rahmen eines Unternehmenskaufs erwerben. Diesbezüglich wurde der Kläger durch eine Unternehmensberatung für Existenzgründer und einen Rechtsanwalt beraten. Allerdings unterblieben sowohl die GmbH-Gründung als auch der Unternehmenskauf. Dennoch beanspruchte der Kläger den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen für die Beratungsleistungen, den das Finanzamt versagte. Das Finanzgericht hat der Klage stattgegeben (FG Düsseldorf, Urt. v. 30.01.2015 – 1 K 1523/14 U – EFG 2015, 686). Der BFH folgt der Rechtsansicht des Finanzamts. Er führte zur Begründung aus:
Zwar wäre der Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen, wenn er beabsichtigt hätte, das Unternehmen, dessen Betriebsmittel von der zu gründenden GmbH erworben werden sollten, selbst zu erwerben, um es als Einzelunternehmen zu betreiben. Das gelte auch für den Fall einer erfolglosen Unternehmensgründung. Diese Voraussetzung sah der BFH vorliegend aber als nicht gegeben an. Der Kläger sei Gesellschafter einer noch zu gründenden GmbH. Als solcher habe er vorliegend kein Recht zum Vorsteuerabzug. Ein Gesellschafter sei nur dann Unternehmer, wenn er entgeltliche Leistungen im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erbringe (EuGH, Urt. v. 16.07.2015 – C-108/14 – MwStR 2015, 583 = UR 2015, 671 „Larentia und Minerva“, und EuGH, Urt. v. 16.07.2015 – C-109/14 „Marenave Schiffahrt“ Rn. 19 ff.; Anm. Prätzler, jurisPR-SteuerR 43/2015 Anm. 6). Der bloße Erwerb und das Halten von Gesellschaftsanteilen stellten keine wirtschaftlichen Tätigkeiten dar, die den Gesellschafter zum Unternehmer (Steuerpflichtigen) machten, da darin keine Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen zu sehen sei – es sei denn, die Beteiligung gehe mit (un)mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einher, so dass es sich um eine wirtschaftliche Tätigkeit gegen Entgelt handele. Daran fehle es im vorliegenden Fall, da der Kläger nicht beabsichtige, entgeltliche Leistungen gegenüber der zu gründenden GmbH zu erbringen.
Das Recht zum Vorsteuerabzug ergebe sich auch nicht aus dem Übertragungsvorgang auf eine zu gründende GmbH. Ein solches bestehe nur bei einem beabsichtigten Investitionsumsatz, d.h. wenn der Gesellschafter Vermögensgegenstände erwerbe, um diese auf die GmbH zu übertragen, z.B. indem er ein Grundstück erwerbe und dieses dann in die GmbH einlege. Die Beratungsleistungen, für die der Kläger den Vorsteuerabzug begehre, seien aber nicht übertragungsfähig. Durch die vom Kläger bezogenen Beratungsleistungen seien keine auf eine GmbH übertragbaren Vermögenswerte („Investitionsgüter“) entstanden.

C. Kontext der Entscheidung

Der BFH stützt sich auf die EuGH-Rechtsprechung. Neben der o.a. Entscheidung vom 16.07.2015 hat der EUGH entschieden, dass eine Vorgründungsgesellschaft Steuerpflichtige und damit vorsteuerabzugsberechtigt ist (EuGH, Urt. v. 29.04.2014 – C-137/02 – EuGHE I 2004, 5547 = BFH/NV 2004, Beilage 3, 225 „Faxworld“). Dieses Stadium war vorliegend noch nicht erreicht. Im Hinblick auf den Investitionsumsatz hat der EuGH (Urt. v. 01.03.2012 – C-280/10 – UR 2012, 366 = DStRE 2012, 893 „Polski Trawertyn“) entschieden, dass weder die Gesellschafter einer Gesellschaft noch die Gesellschaft selbst vorsteuerabzugsberechtigt für Investitionskosten sind, die vor Gründung und Eintragung dieser Gesellschaft von den Gesellschaftern für Zwecke und im Hinblick auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft getragen wurden. Auch die unentgeltliche Überlassung eines Mandantenstamms durch den Gesellschafter an seine Gesellschaft stelle keine wirtschaftliche Tätigkeit dar (EuGH, Urt. v. 13.03.2014 – C-204/13 – MwStR 2014, 270 = UR 2014, 353 „Malburg“). Selbst der Neutralitätsgrundsatz führe nicht zu einer Ausweitung des Anwendungsbereichs des Vorsteuerabzugs.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die besprochene BFH-Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass im Stadium vor der Gründung einer GmbH natürliche Person und die spätere GmbH immer unterschiedliche Steuersubjekte sind – anders als im Stadium der Vorgründungsgesellschaft. Vorliegend scheiterte der Vorsteuerabzug nicht daran, dass die Gründung der GmbH – entgegen der ursprünglichen Planung des Klägers als künftiger GmbH-Gesellschafter – nicht zustande kam. Vielmehr ist entscheidend – so ausdrücklich der BFH –, dass die vom Kläger bezogenen Beratungsleistungen nicht übertragbar waren.
Das führt zur der Frage, wie der Verlust des Vorsteuerabzugs in einschlägigen Fällen verhindert werden kann. Das ist unproblematisch, sobald der Gesellschaftsvertrag notariell abgeschlossen ist und die Gründungsgesellschaft bereits vor der Handelsregistereintragung handelt. In den Fallkonstellationen, die vor diesem Stadium relevant sind, ist der Vorsteuerabzug auf der Ebene der Gesellschafter wohl nur erreichbar, wenn die Gesellschafter sich bereits unternehmerisch betätigen und ihr „Unternehmen“ danach auf die später gegründete GmbH übertragen. Dann dürfte es an der Annahme eines Investitionsumsatzes keinen Zweifel geben. Bei der Gründung einer GmbH durch natürliche Personen sollte die Leistung daher nicht an die natürlichen Personen erbracht werden, wenn die spätere GmbH diese Leitung nicht nutzen kann, weil es sich dann nicht um einen Investitionsumsatz handelt. Bei der Gründung einer Ein-Mann-GmbH sollten die Leistungen somit erst von der Vorgründungsgesellschaft bezogen werden, welche die Leistungen dann auf die spätere GmbH überträgt.