Nachfolgend ein Beitrag vom 4.9.2017 von Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 36/2017 Anm. 4

Leitsatz

Das Fehlen einer rechtlichen Grundlage für die Hingabe verlorener Aufwendungen, die zu Anschaffungskosten eines Vermietungsobjekts hätten führen sollen, schließt den wirtschaftlichen Zusammenhang der Aufwendungen mit einer beabsichtigten Vermietung nicht aus.

A. Problemstellung

Der BFH hatte darüber zu befinden, ob der Kläger Geldbeträge, die er einem betrügerischen Makler in der Erwartung überlassen hat, dieser werde sie für ihn zum Erwerb eines Vermietungsobjekts aufwenden, als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (VuV) abziehen kann. Zu entscheiden war über einen Werbungskostenabzug trotz fehlender Anschaffung eines Vermietungsobjekts.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger beabsichtigte im Juni 2000, das mit einer Villa bebaute Grundstück A in Z zu erwerben. Der bereits vereinbarte Beurkundungstermin platzte, nachdem die Verkäuferin, eine Stiftung nach liechtensteinischem Recht, deren Anteile einer … Familie gehörten, vom Kläger kurzfristig einen höheren als den bisher genannten Preis verlangte. In der Folgezeit spiegelte der Immobilienmakler X dem Kläger vor, von der Verkäuferin mit dem Verkauf des Grundstücks beauftragt zu sein und den Kauf für 2,5 Mio. DM vermitteln zu können. Der Kläger müsse dabei aber im Hintergrund bleiben und ihm das Geld in bar übergeben. Nach diversen Änderungen, die der Immobilienmakler X dem Kläger wahrheitswidrig mitteilte, übergab der Kläger dem Immobilienmakler X schließlich 3,5 Mio. DM als Kaufpreis, 400.000 DM als Provision und 100.000 US-Dollar als „Handgeld“ in bar. Der Verkauf kam nicht zustande; X hatte das Geld für sich verwendet. Er wurde dafür vom Landgericht zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und einem Monat und im Adhäsionsverfahren zur Zahlung von 3,9 Mio. DM und 100.000 US-Dollar an den Kläger verurteilt.
Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 31.10.2000 erwarb der Kläger das Objekt schließlich zum Preis von 3,9 Mio. DM. Seit Juli 2003 vermietete der Kläger das Erdgeschoss, das Untergeschoss und das Obergeschoss an unterschiedliche gewerbliche Mieter. Das Dachgeschoss (ca. 130 qm) bewohnte er selbst.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger u.a. den anteilig auf den vermieteten Teil des Gebäudes entfallenden Betrugsschaden (3.555.150 DM) als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus VuV geltend. Das beklagte Finanzamt lehnte dies ab.
Die Klage, deren Gegenstand die Einkommensteuer 2000 bis 2002 war, hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht entschied, dass der Kläger beim Erwerb des Objekts am 31.10.2000 und in den Folgejahren bis zum Beginn der Vermietung zur anteiligen Vermietung fest entschlossen war. Es hat insofern u.a. erkannt, dass im Streitjahr 2000 zeitanteilig Absetzungen für Abnutzung (AfA) von 12.681,06 Euro (entspricht 24.802 DM) als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus VuV abzuziehen sind. Hinsichtlich des geltend gemachten Betrugsschadens hat es die Klage abgewiesen.
Die Revision führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Der BFH führte zur Begründung aus:
I. Das Finanzgericht hat zur Begründung seines Urteils u.a. ausgeführt, vergebliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten habe die Rechtsprechung bisher nur angenommen bei Leistungen, die auf vertraglicher Grundlage erbracht worden seien. Daran fehle es im Streitfall, denn der Kläger habe dem Makler X das Geld für die Anschaffung des Grundstücks vor dem Zustandekommen eines Kaufvertrags und ohne rechtliche Grundlage ausgehändigt. Das Finanzgericht hat deshalb einen wirtschaftlichen Zusammenhang der verlorenen Aufwendungen mit der beabsichtigten Vermietungstätigkeit verneint.
Das Fehlen einer verbindlichen rechtlichen Grundlage gegenüber dem Immobilienveräußerer für die Hingabe verlorener Aufwendungen schließt den wirtschaftlichen Zusammenhang der Aufwendungen mit einer beabsichtigten Vermietungstätigkeit nicht aus. Zwar werden üblicherweise Zahlungen, die bei Erbringung der Gegenleistung zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten führen, nicht ohne vertragliche Grundlage vorgenommen. So war es, worauf das Finanzgericht zutreffend hinweist, auch in den vom BFH bisher entschiedenen Fällen. Voraussetzung für die Abziehbarkeit der Aufwendungen als (vorab entstandene) Werbungskosten ist jedoch nur, dass sich der Steuerpflichtige zum Erwerb und zur Vermietung endgültig entschlossen hat.
Daran besteht vorliegend kein Zweifel. Allein aus dem Umstand, dass der Kläger das Objekt im dritten Anlauf und nach wenigen Monaten tatsächlich erworben hat, lässt sich schließen, dass er von Anfang an zum Erwerb entschlossen war. Dass er darüber hinaus auch zur teilweisen Vermietung entschlossen war, hat das Finanzgericht selbst festgestellt. Aus der maßgeblichen Sicht des Klägers als des Betrugsopfers waren die dem Makler X übergebenen Geldbeträge dazu bestimmt, den Kauf des Objekts ins Werk zu setzen, nachdem der erste Versuch, das Objekt zu erwerben, im Juni 2000 gescheitert war. Nach seiner Vorstellung sollten so Anschaffungs- und Anschaffungsnebenkosten entstehen. Dass der Makler X den Kläger über seine wahren Absichten getäuscht und dass der Kläger dies nicht erkannt hat, ist dem Kläger weder zuzurechnen noch anzulasten. Unerheblich ist deshalb auch, ob der Kläger bei der Hingabe des Geldes fremdüblich gehandelt oder gar die übliche Vorsicht außer Acht gelassen hat. Die gegenteiligen Schlussfolgerungen des Finanzgerichts sind von seinen tatsächlichen Feststellungen nicht gedeckt. Der BFH kann die erforderliche Würdigung selbst vornehmen, weil die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts hierfür ausreichen und die gebotenen Schlussfolgerungen hinreichend eindeutig sind.
II. Die Sache ist nicht spruchreif. Von seinem Standpunkt aus zu Recht hat das Finanzgericht bisher keine tatsächlichen Feststellungen zu der Frage getroffen, in welchem Zeitpunkt feststand, dass die Gegenleistung ausbleiben und eine Rückzahlung nicht zu erlangen sein würde. Dabei darf der Überzeugungsmaßstab einer „großen Wahrscheinlichkeit“ nicht überspannt werden. Insbesondere kommt es nicht auf die rechtskräftige Verurteilung des Täters X oder den endgültigen Misserfolg der vom Kläger zur Durchsetzung seiner titulierten Ansprüche unternommenen Aufklärungs- und Vollstreckungsversuche an. Das Gericht muss vielmehr retrospektiv beurteilen, in welchem Zeitpunkt aus der Sicht des Klägers genügend Anhaltspunkte für die (damals) prognostische Annahme vorlagen, dass er von X betrogen worden war und sein Geld wohl nicht zurückerlangen würde. Dies wird das Finanzgericht ebenso nachzuholen haben wie – ggf. – die Aufteilung des verlorenen Geldes auf vergebliche Anschaffungskosten für das Gebäude einerseits und für Grund und Boden andererseits. Abziehbar sind die verlorenen Aufwendungen nur, soweit sie auf den vermieteten Anteil des Gebäudes entfallen wären. Soweit sie auf die Anschaffung von Grund und Boden entfallen wären, können sie dagegen nicht bei den Einkünften aus VuV angesetzt werden.
III. Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:
1. Die streitigen Aufwendungen sind nicht deshalb vom Abzug als Werbungskosten ausgeschlossen, weil sich der Versuch des Klägers, das Objekt auf dem von ihm eingeschlagenen Weg zu erwerben, im Nachhinein als (objektiv) untauglich herausgestellt hat. Soweit der Senat in Einzelfällen die vom Steuerpflichtigen behauptete Erwerbsabsicht für unbeachtlich erachtet hat, wenn objektiv die Möglichkeit zum Erwerb des Vermietungsobjekts nicht bestand (vgl. z.B. BFH, Urt. v. 09.05.2017 – IX R 45/15 – BFH/NV 2017, 1036; Anm. Schießl, jurisPR-SteuerR 33/2017 Anm. 3), lagen dem jeweils Umstände zugrunde, die der Steuerpflichtige erkennen konnte (z.B. mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit, Weigerung der Verkäuferseite an den Steuerpflichtigen zu verkaufen). Im Streitfall liegen die Dinge anders. Wie bereits erwähnt, ist es dem Kläger weder zuzurechnen noch anzulasten, dass er den Betrug zu seinen Lasten nicht erkannt und nicht verhindert hat.
2. Der Werbungskostenabzug scheitert auch nicht daran, dass der Kläger das nämliche Objekt (später) tatsächlich erworben hat. Vergebliche Anschaffungskosten führen, wie dargelegt, gerade nicht zu Anschaffungskosten, sondern zu sofort abziehbaren Werbungskosten. Sie gehören auch nicht zu den Anschaffungskosten aus dem Vertrag vom 31.10.2000, auf dessen Grundlage der Kläger das Objekt erworben hat. Dieser (nachfolgende) Erwerb ist gegenüber dem zuvor gescheiterten und hier allein streitigen Erwerbsversuch eigenständig zu bewerten. Der Fall ist nicht anders zu beurteilen, als wenn dem Kläger der Betrugsschaden bei dem vergeblichen Versuch, ein anderes Objekt zu erwerben, entstanden wäre.
3. Der Abzug ist schließlich auch nicht insoweit ausgeschlossen, als der Kläger an den Makler X neben dem Kaufpreis von 3,5 Mio. DM eine Provision von 400.000 DM und ein „Handgeld“ von 100.000 US-Dollar gezahlt hat. Dass der Kläger die Provision abweichend von § 652 BGB vor dem Zustandekommen eines Kaufvertrags an den Makler gezahlt hat, ändert nichts an ihrer wirtschaftlichen Veranlassung durch den vom Kläger beabsichtigten Erwerb des Grundstücks. Maklerprovisionen führen zu Anschaffungsnebenkosten. Die Grenze der Unangemessenheit ist nicht überschritten. Auch in diesem Zusammenhang ist es ohne Bedeutung, dass der Makler X den Kläger über seine wahren Absichten getäuscht und dass der Kläger diese nicht erkannt hat.
Entsprechendes gilt für das sog. Handgeld von 100.000 US-Dollar. Das Finanzgericht hat keine Feststellungen getroffen, wie der Makler X dieses Geld nach der Vorstellung des Klägers verwenden sollte. Dass aus der Sicht des Klägers insofern der Tatbestand eines Abzugsverbots erfüllt werden sollte, ist nicht ersichtlich. Vergeblich aufgewandte Anschaffungsnebenkosten können vom Abzug als Werbungskosten ausgeschlossen sein, wenn sie bei planmäßiger Verwendung einem steuerlichen Abzugsverbot unterlegen hätten. Dafür müssen jedoch konkrete Anhaltspunkte festgestellt werden, wie das Geld planmäßig hätte verwendet werden sollen. Es genügt insofern nicht, dass der Betrüger dem Opfer lediglich vorspiegelt, das Geld als Schmiergeld zu benötigen, wenn wie vorliegend aus der Sicht des Betrogenen keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich sind, wer damit zu welcher Handlung veranlasst werden sollte.

C. Kontext der Entscheidung

Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart VuV abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind.
I. Aufwendungen, die anfallen, bevor Einnahmen erzielt werden, können als vorab entstandene Werbungskosten abgezogen werden, sofern ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird (z.B. BFH, Großer Senat, Beschl. v. 04.07.1990 – GrS 1/89 – BStBl II 1990, 830). Ein solcher Abzug ist von dem Zeitpunkt an gegeben, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen lässt, dass der Entschluss, Einkünfte einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, endgültig gefasst worden ist (BFH, Urt. v. 29.11.1983 – VIII R 96/81 – BStBl II 1984, 303; BFH, Urt. v. 29.07.1986 – IX R 206/84 – BStBl II 1986, 747). Führen Aufwendungen nicht zu dem beabsichtigten Erfolg, bleibt ihre Abziehbarkeit als Werbungskosten unberührt (BFH, Großer Senat, Beschl. v. 04.07.1990 – GrS 1/89 – BStBl II 1990, 830). Vergebliche Aufwendungen können danach als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehbar sein, wenn es entgegen den Planungen des Steuerpflichtigen nicht zu Einnahmen kommt, sofern nur eine erkennbare Beziehung zu den angestrebten Einkünften besteht (BFH, Urt. v. 29.11.1983 – VIII R 160/82 – BStBl II 1984, 307 m.w.N.).
II. Bei der Einkunftsart VuV können vorab entstandene Werbungskosten abgezogen werden, sobald sich der Steuerpflichtige endgültig entschlossen hat, durch Vermieten Einkünfte zu erzielen (Vermietungsabsicht). Die Absicht muss sich noch nicht auf ein bestimmtes Gebäude beziehen (BFH, Urt. v. 10.03.1981 – VIII R 195/77 – BStBl II 1981, 470). Hat der Steuerpflichtige noch kein Objekt, welches er vermieten kann, muss die Absicht zugleich darauf gerichtet sein, ein solches in absehbarer Zeit anzuschaffen (Erwerbsabsicht) oder herzustellen (Bebauungsabsicht). Als innere Tatsache kann die Absicht des Steuerpflichtigen nur anhand äußerer Umstände indiziell festgestellt werden. Dies obliegt dem Finanzgericht (zum Ganzen vgl. auch BFH, Urt. v. 16.02.2016 – IX R 1/15 – BFH/NV 2016, 1261; Anm. Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 41/2016 Anm. 3; BFH, Urt. v. 06.09.2016 – IX R 19/15 – BFH/NV 2017, 19).
III. Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung des abnutzbaren Wirtschaftsguts Gebäude gehören bei den Einkünften aus VuV begrifflich zu den Werbungskosten (BFH, Großer Senat, Beschl. v. 04.07.1990 – GrS 1/89 – BStBl II 1990, 830). Sie können jedoch regelmäßig nicht sofort und in voller Höhe, sondern nur zeitlich gestreckt als AfA abgezogen werden (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 EStG). Die Aufwendungen für die Anschaffung von Grund und Boden sind dagegen schon begrifflich keine Werbungskosten. Sie werden bei der Einkunftsart VuV nicht wirksam. Herstellungskosten sind nur Ausgaben für tatsächlich erbrachte Leistungen, die zum Bereich der Gebäudeherstellung gehören. Vorauszahlungen für ein Bauvorhaben, für die wegen des Konkurses des Bauunternehmers Herstellungsleistungen nicht erbracht worden sind, führen nicht zu Herstellungskosten und können deshalb vom Bauherrn bei den Einkünften aus VuV als Werbungskosten abgezogen werden (BFH, Großer Senat, Beschl. v. 04.07.1990 – GrS 1/89 – BStBl II 1990, 830). Für vergebliche Aufwendungen, die im Fall der Anschaffung zu Anschaffungskosten geführt hätten, gilt nichts anderes. Sie führen nicht zu Anschaffungskosten, wenn die beabsichtigte Anschaffung ausbleibt. Sie sind vielmehr als Werbungskosten in dem Zeitpunkt abziehbar, in dem deutlich wird, dass es nicht mehr zu einer Verteilung der Aufwendungen als AfA kommen wird, weil sie voraussichtlich dauerhaft ohne Gegenleistung bleiben und weil ihre Rückzahlung nicht zu erlangen sein wird (zuletzt BFH, Urt. v. 28.06.2002 – IX R 51/01 – BFHE 199, 388 = BStBl II 2002, 758 m.w.N.). Für die Prognose ist keine Gewissheit erforderlich; es genügt eine große Wahrscheinlichkeit (BFH, Urt. v. 14.02.1978 – VIII R 9/76 – BStBl II 1978, 455).

D. Auswirkungen für die Praxis

Der Abzug von im Ergebnis verlorenen Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten setzt nur voraus, dass sich der Steuerpflichtige zum Erwerb und zur Vermietung endgültig entschlossen hat. Dass sein Makler über seine wahren Absichten getäuscht und die hingegebenen Geldbeträge nicht zum Erwerb eines Vermietungsobjekts aufgewendet hat, ist dem Steuerpflichtigen nicht anzulasten.
Jedoch sind die verlorenen Aufwendungen nur abziehbar, soweit sie auf den vermieteten Anteil des Gebäudes entfallen wären. Soweit sie auf die Anschaffung von Grund und Boden entfallen wären, können sie dagegen nicht bei den Einkünften aus VuV angesetzt werden.