Nachfolgend ein weiterer Beitrag vom 22.9.2015 von Carsten Kunkel, jurisPR-HaGesR 9/2015 Anm. 3, der im Kontext des gestern veröffentlichen Beitrages bezüglich der Liquidation einer GmbH bei noch nicht abgelaufenem Sperrjahr zu sehen ist. Die Schlussfolgerung, dass es mitunter schwieriger ist, eine GmbH zu liquidieren, als diese zu gründen,ist nicht so fernliegend.

Leitsatz

Die Liquidation ist i.S.v. § 74 Abs. 1 GmbHG noch nicht beendet, wenn ein die Gesellschaft betreffendes Steuerverfahren noch nicht abgeschlossen ist (Abgrenzung zu den Fällen des § 394 FamFG und Senat, Beschl. v. 03.09.2014 – 27 W 109/14; Beschl. v. 22.04.2015 – 27 W 46/15).

A. Problemstellung

Die vorliegende Entscheidung des OLG Hamm befasst sich mit der Anmeldung des Abschlusses der Liquidation einer GmbH zur Eintragung in das Handelsregister gem. § 74 GmbHG. Dabei setzt sie sich einerseits mit dem Verhältnis des Liquidationsverfahrens gem. den §§ 65 bis 74 GmbHG zur amtswegigen Löschung einer vermögenslosen Gesellschaft gem. § 394 FamFG sowie der Notwendigkeit eines abgeschlossenen Besteuerungsverfahrens zur Eintragung der Löschung der Gesellschaft auseinander.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das zuständige Registergericht hatte den Antrag auf Löschung im Handelsregister gem. § 74 Abs. 1 GmbHG mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Liquidation noch nicht beendet sei. Dies ergebe sich aus der Mitteilung des zuständigen Finanzamts, die steuerliche Abwicklung der Gesellschaft sei noch nicht abgeschlossen. Die hiergegen gerichtete zulässige Beschwerde hat das OLG Hamm als unbegründet zurückgewiesen.

Die Liquidation sei nämlich erst beendet, wenn das verwertbare Gesellschaftsvermögen verteilt sei und auch keine sonstigen Abwicklungsmaßnahmen mehr erforderlich seien. Daran fehle es aber, wenn ein die Gesellschaft betreffendes Steuerverfahren noch nicht abgeschlossen sei. Schließlich könnten sich Auswirkungen auf das Gesellschaftsvermögen – von zu bewirkenden Zustellungen abgesehen – etwa durch Steuer(nach)forderungen oder -erstattungen ergeben. Auch die Einlegung von Rechtsmitteln gegen Steuerbescheide könne geboten sein. Auch sonst bestünde regelmäßig keine Veranlassung, eine Gesellschaft durch ihre Löschung gleichsam einem laufenden Steuerverfahren zu entziehen (vgl. Besprechungsentscheidung unter Berufung auf [Anm. des Autors: diese Aussage jedoch nicht stützend] OLG Hamm, Beschl. v. 08.05.2001 – 15 W 43/01; Haas in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 74 Rn. 2 i.V.m. § 60 Rn. 105).

Für diese Annahme spräche auch, dass es damit zur Beendigung dieser Verfahren keiner Nachtragsliquidation bedürfe, die mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten in der Abwicklung von Steuerverfahren einer im Handelsregister bereits gelöschten Gesellschaft verbunden seien. Schließlich seien die Voraussetzungen, unter denen die Nachtragsliquidation wegen noch laufender Steuerverfahren geboten sei, im Einzelnen streitig (Besprechungsentscheidung mit Verweis auf OLG Karlsruhe, Beschl. v. 21.06.1989 – 4 W 126/88; OLG München, Beschl. v. 07.05.2008 – 31 Wx 28/08; Haas in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 60 Rn. 105; K. Schmidt in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2015, § 74 Rn. 14, 17; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 74 Rn. 17 ff., jeweils m.w.N.).

Die von der Beschwerde herangezogene Vorschrift des § 394 FamFG zur amtswegigen Löschung einer vermögenslosen Gesellschaft sei nicht einschlägig. Sie beruhe auf anderen Wertungen und habe andere Voraussetzungen als die vorliegend allein in Rede stehende Löschung auf Betreiben der Gesellschaft bzw. ihrer Liquidatoren gemäß § 74 Abs. 1 GmbHG. Mit Blick auf einen früheren Senatsbeschluss (OLG Hamm, Beschl. v. 03.09.2014 – 27 W 109/14), der hinsichtlich eines Verfahrens nach § 394 FamFG noch zu bewirkende Zustellungen von Verwaltungsakten für unerheblich gehalten hatte, gelte dies jedenfalls nicht für die Löschung gemäß § 74 Abs. 1 GmbHG, im Übrigen halte der Senat – bei anderem Verständnis der vorgenannten Entscheidung – hieran nicht fest.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Hamm vermag – trotz des im Falle eines nicht abgeschlossenen Besteuerungsverfahrens (aus Sicht des Registergerichts) möglichen Vorteils der Vermeidung einer Nachtragsliquidation – nicht zu überzeugen.Richtig ist, dass das Registergericht vor Eintragung der Löschung die Beendigung der Liquidation von Amts wegen sorgfältig prüfen muss. Hiernach darf grundsätzlich kein Abwicklungsbedarf mehr bestehen, die Liquidatoren müssen also ihre Pflichten nach den §§ 70 bis 73 GmbHG erfüllt haben.

Wenn nach den Feststellungen des Registergerichts der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft endgültig eingestellt ist und diese über keinerlei feststellbares Vermögen mehr verfügt, ist es nach zivilrechtlichen Grundsätzen ohne Belang, ob die Finanzverwaltung noch Steuerforderungen gegen die betroffene Gesellschaft hat (vgl. zuletzt etwa OLG Jena, Beschl. v. 20.05.2015 – 6 W 506/14, m.w.N.). Sie stehen der Vollzugsreife der im Rahmen der Liquidation angemeldeten Eintragung über die Löschung der Firma jedenfalls nicht entgegen (vgl. OLG Jena, Beschl. v. 20.05.2015 – 6 W 506/14; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.03.2014 – I-3 Wx 48/14, 3 Wx 48/14). Einem hiernach möglicherweise noch bestehenden (steuerlichen) Abwicklungsbedarf kann gegebenenfalls durch Bestellung eines Nachtragsliquidators begegnet werden (vgl. OLG Jena, Beschl. v. 20.05.2015 – 6 W 506/14; OLG Jena, Beschl. v. 18.03.2010 – 6 W 405/09; vgl. tatsächlich mit zahlreichen w.N. zum Meinungsstand zu den im Einzelnen umstrittenen Voraussetzungen der Nachtragsliquidation Haas in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 74 Rn. 2 i.V.m. § 60 Rn. 105, umstritten ist insbesondere ob die Nachtragsliquidation entweder analog § 273 Abs. 4 Satz 1 AktG oder § 74 Abs. 2 GmbHG erfolgt, vgl. hierzu insbesondere Schmidt, GmbHR 1988, 209, 212 f.).

Soweit allein der formale Abschluss des Besteuerungsverfahrens und nicht eine mögliche Ermittlung hinsichtlich weiteren Vermögens der in Liquidation befindlichen Gesellschaft in Rede steht, dürfte dies die beantragte Eintragung der Löschung somit nicht hindern. Der vorliegend mitgeteilte (aber nicht sonderlich beredte) Sachverhalt enthält diesbezüglich jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Anders wäre der Sachverhalt selbstverständlich zu beurteilen, wenn die Gesellschaft noch Vermögen für Steuern tatsächlich zurückhält (vgl. hierzu Haas in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 74 Rn. 2), in diesem Falle wäre sie nämlich nicht vermögenslos und dürfte zu recht nicht im Handelsregister gelöscht werden.

Hinsichtlich des Verweises auf das Verhältnis der §§ 65 bis 74 GmbHG zur amtswegigen Löschung nach § 394 FamFG bleibt anzumerken, dass es im Falle der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft (auch noch vor Ablauf des Sperrjahres gem. § 73 GmbHG) zur Löschung von Amts wegen nach § 394 Abs. 1 FamFG und damit zur Vollbeendigung der Gesellschaft kommen kann, sich mithin die Verfahren – wenngleich mit unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen versehen – nicht (grundsätzlich) ausschließen. Vielmehr unterscheidet § 394 FamFG gerade nicht danach, ob die Vermögenslosigkeit durch eine Abwicklung oder ohne eine solche herbeigeführt wurde (vgl. Nerlich in: Michalski, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 73 Rn 12; H. F. Müller in: MünchKomm GmbHG, 2011, § 74 Rn. 11). Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass auf eine amtswegige Löschung gem. § 394 Abs. 1 FamFG anders als bei der Liquidation gem. den §§ 65 bis 74 GmbHG kein Anspruch besteht, dort kann die Gesellschaft ihre Löschung im Wege des § 74 Abs. 1 GmbHG durchsetzen (OLG München, Beschl. v. 12.05.2011 – 31 Wx 205/11). Insofern überzeugt aber auch der bloße Verweis des OLG Hamm auf die Unerheblichkeit von noch zu bewirkenden Zustellungen von Verwaltungsakten für die Löschung gemäß § 74 Abs. 1 GmbHG (im Gegensatz zur Löschung nach § 394 Abs. 1 FamFG) nicht. Ausschlaggebend dürfte vielmehr sein, ob im Rahmen des Besteuerungsverfahrens weiteres Vermögen der in Liquidation befindlichen Gesellschaft ermittelt wird oder lediglich der formale Abschluss in Rede steht.

D. Auswirkungen für die Praxis

Betrachtet man die vorliegende Entscheidung des OLG Hamm, stellt sich das Liquidieren einer GmbH jedenfalls mühsamer dar als deren Gründung. Der (teils überlange) Abschluss eines Besteuerungsverfahrens, mithin eines behördlichen Verfahrens, führt nach der vorliegenden grundsätzlichen Wertung des OLG Hamm zu (teils erheblichen) Verzögerungen im Registerverfahren zur Löschung der GmbH. Dies steht einer wesentlichen gesetzgeberischen Zielstellung des MoMiG (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 – BGBl I 2008, 2026) bezogen auf die Gründung einer GmbH entgegen: Soll nach erklärtem Willen des Gesetzgebers die Erteilung einer behördlichen Genehmigung nicht die Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister verzögern (BT-Drs. 16/6140, S. 1, 25, 34, 36), sollte für die Eintragung der Löschung umgekehrt auch gelten, dass zumindest der fehlende formale Abschluss eines behördlichen Verfahrens (hier eines Besteuerungsverfahrens), auch nicht deren Löschung im Handelsregister verzögern sollte. Schließlich hat der Gesetzgeber die Attraktivität dieser Rechtsform gegenüber vergleichbaren ausländischen insbesondere durch Deregulierung und Vereinfachung im Registerrecht insgesamt steigern wollen (BT-Drs. 16/6140, S. 1, 25).

Die Entscheidung zeigt auch einmal mehr, wie viel Aufmerksamkeit der kautelarjuristische Berater gerade dem für seinen Registergerichtsbezirk einschlägigen Registerrecht widmen soll und muss. Schließlich fällt die Entscheidung des OLG Hamm, dass der Beendigung des Liquidationsverfahrens ein nicht abgeschlossenes Besteuerungsverfahren (grundsätzlich) entgegensteht, doch in Widerspruch zu der diesbezüglich zuletzt gerade ergangenen Instanzrechtsprechung anderer Registergerichtsbezirke (vgl. etwa zuletzt OLG Jena, Beschl. v. 20.05.2015 – 6 W 506/14, m.w.N.).

Ob die in der Entscheidung zum Ausdruck gebrachte (generelle) Wertung letztlich Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Wünschenswert wäre jedenfalls eine bundeseinheitliche Linie bezüglich der materiell-rechtlichen Löschungsreife bei (formal) noch nicht abgeschlossenem Besteuerungsverfahren.