Nachfolgend ein Beitrag vom 29.1.2018 von Geserich, jurisPR-SteuerR 4/2018 Anm. 2

Leitsätze

1. Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung in einem Alten- und Pflegeheim kommen als außergewöhnliche Belastung nur in Betracht, soweit dem Steuerpflichtigen zusätzliche Aufwendungen erwachsen.
2. Dementsprechend sind Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung im Grundsatz um eine Haushaltsersparnis zu kürzen, es sei denn, der Pflegebedürftige behält seinen normalen Haushalt bei.
3. Die Haushaltsersparnis des Steuerpflichtigen ist entsprechend dem in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag für den Unterhalt unterhaltsbedürftiger Personen zu schätzen.
4. Sind beide Ehegatten krankheitsbedingt in einem Alten- und Pflegeheim untergebracht, ist für jeden der Ehegatten eine Haushaltsersparnis anzusetzen.

A. Problemstellung

Streitig ist, ob bei der Berücksichtigung von Aufwendungen für die Unterbringung von Ehegatten in einem Alten- und Pflegeheim als außergewöhnliche Belastung für jeden der beiden Steuerpflichtigen eine Haushaltsersparnis anzusetzen ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die verheirateten Kläger waren im Streitjahr (2013) in einem Alten- und Pflegeheim untergebracht. Sie bewohnten ein Doppelzimmer (Wohnschlafraum mit einem Vorraum, Einbauschrank, Dusche und WC). Die Klägerin war nach einem Krankenhausaufenthalt mit anschließender Reha – ausweislich eines Attestes zweier Allgemeinmediziner – nicht mehr in der Lage, sich selbst zu versorgen und einen Haushalt zu führen. Der Kläger war pflegebedürftig im Sinne der Pflegestufe 2. Der bestehende Haushalt der Eheleute wurde mit Ablauf des 04.07.2013 aufgelöst.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten sie die Kosten der Heimunterbringung abzüglich einer Haushaltsersparnis für eine Person als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG geltend. Das Finanzamt erkannte die geltend gemachten Aufwendungen dem Grunde nach an. Es kürzte sie jedoch um eine Haushaltsersparnis für jeden der Kläger i.H.v. 3.952 Euro. Diese berechnete es wie folgt: 8.130 Euro × 5/12 + 8.130 Euro × 25/360 = 3.952,08 Euro.
Die daraufhin erhobene Klage, mit der sich die Kläger gegen den zweifachen Ansatz einer Haushaltsersparnis wandten, wies das Finanzgericht ab (FG Nürnberg, Urt. v. 04.05.2016 – 3 K 915/15 – EFG 2016, 1440).
Auf die Revision der Kläger hob der BFH die Vorentscheidung auf. Die Revision war jedoch nur insoweit begründet, als die bislang vom Finanzamt berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG nunmehr stufenweise zu ermitteln und entsprechend den Ausführungen im Urteil des VI. Senats des BFH vom 19.01.2017 (VI R 75/14 – BStBl II 2017, 684) zu mindern war. Im Übrigen hatte die Revision keinen Erfolg. Denn die als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigenden Aufwendungen für die Heimunterbringung seien von Finanzamt und Finanzgericht zu Recht um eine Haushaltsersparnis für jeden der Kläger gekürzt worden.

C. Kontext der Entscheidung

I. Der BFH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Krankheitskosten dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen und deshalb dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Aufwendungen für die krankheits- oder pflegebedingte Unterbringung des Steuerpflichtigen in einem Alten- oder Pflegeheim. Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze über die Abziehbarkeit von Krankheitskosten (BFH, Urt. v. 14.11.2013 – VI R 20/12 – BStBl II 2014, 456; Anm. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 22/2014 Anm. 3; BFH, Urt. v. 09.12.2010 – VI R 14/09 – BStBl II 2011, 1011; BFH, Urt. v. 30.03.2017 – VI R 55/15 – BFH/NV 2017, 1028). Derartige Kosten kommen jedoch als außergewöhnliche Belastung nur in Betracht, soweit dem Steuerpflichtigen zusätzliche Aufwendungen erwachsen. Denn im Rahmen des § 33 EStG sind lediglich gegenüber der normalen Lebensführung entstehende Mehrkosten berücksichtigungsfähig.
II. Dementsprechend sind Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung im Grundsatz um eine Haushaltsersparnis, die der Höhe nach den ersparten Verpflegungs- und Unterbringungskosten entspricht, zu kürzen, es sei denn, der Pflegebedürftige behält seinen normalen Haushalt bei (st. Rspr., z.B. BFH, Urt. v. 15.04.2010 – VI R 51/09 – BStBl II 2010, 794 m.w.N.; Anm. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 35/2010 Anm. 4). Die Haushaltsersparnis des Steuerpflichtigen schätzt die Rechtsprechung entsprechend dem in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag für den Unterhalt unterhaltsbedürftiger Personen (BFH, Urt. v. 15.04.2010 – VI R 51/09; FG München, Urt. v. 05.11.2008 – 15 K 2814/07 – EFG 2009, 345; FG Köln, Urt. v. 28.04.2009 – 8 K 1337/08 – EFG 2010, 479). Dem folgen die Finanzbehörden (R 33.3 Abs. 2 Satz 2 EStR). Dieser beträgt im Streitjahr 8.130 Euro. Diese Schätzung ist realitätsgerecht und daher nicht zu beanstanden. Die Haushaltsersparnis ist durch einen Vergleich der aufgewendeten Pflegeheimkosten mit den Kosten des aufgegebenen entsprechenden privaten Haushalts zu ermitteln. Maßgröße sind insoweit die üblichen Kosten eines Einpersonenhaushalts (BFH, Urt. v. 22.08.1980 – VI R 138/77 – BStBl II 1981, 23). Diese werden in ihren Mindestanforderungen durch den in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag typisiert abgebildet.
III. Diese – regelmäßig zugunsten des Steuerpflichtigen wirkende – Typisierung dient der Rechtsanwendungsgleichheit und Rechtssicherheit. Die Grenzen richterlicher Rechtsanwendung sind dadurch nicht überschritten. Denn nach der Rechtsprechung des BVerfG sind Finanzgerichte im Steuerrecht zur Typisierung befugt, sofern es sich dabei wie vorliegend um Gesetzesauslegung handelt (BVerfG, Beschl. v. 31.05.1988 – 1 BvR 520/83 – BVerfGE 78, 214; BVerfG, Beschl. v. 04.02.2005 – 2 BvR 1572/01 – BFH/NV 2005, Beilage 2, 112). Darüber hinaus ist diese Typisierung der Verwaltungspraktikabilität und dem Schutz der Privatsphäre geschuldet. Denn somit bedarf es keiner individuellen Bemessung der Haushaltsersparnis. Insbesondere sind weder das Finanzamt noch das Finanzgericht gehalten, die Differenz zwischen dem im aufgegebenen Haushalt für Unterkunft und Verpflegung tatsächlich angefallenen Aufwand und den hierfür anfallenden Kosten in einer Pflegeeinrichtung zu erheben. Auch ist von dem in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag für den Unterhalt unterhaltsbedürftiger Personen – entgegen der Auffassung der Revision – kein Abschlag für Kosten der Lebensführung – etwa für Bekleidung, Körperpflege, Telekommunikation und übliche Versicherungen – vorzunehmen. Zwar mag es im Einzelfall zutreffen, dass der Bewohner eines Alten- und Pflegeheims derartige Kosten wie auch Aufwendungen betreffend das soziokulturelle Existenzminimum jenseits des Heimentgelts zu tragen hat und deshalb durch die Aufgabe des Haushalts insoweit nichts erspart. Gegen die Typisierung der Haushaltsersparnis nach dem in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrag vermag dieser Befund jedoch nicht zu streiten. Denn zum einen gewährt eine Pflegeeinrichtung neben Pflegeleistungen nicht nur „Kost und Logis“, sondern bietet in der Regel auch darüber hinaus Geselligkeit, Freizeitgestaltung, Beschäftigungstherapie, geistlich-religiöse Betreuung u.ä. Zum anderen sind „Ungenauigkeiten“ einer jeden Typisierung wesenseigen und damit, soweit sie wie vorliegend in der Realitätsgerechtigkeit verbleibt, hinzunehmen.
IV. Sind beide Ehegatten krankheitsbedingt in einem Alten- und Pflegeheim untergebracht, ist für jeden der Ehegatten eine Haushaltsersparnis anzusetzen. Denn sie sind beide durch den Aufenthalt dort und die Aufgabe des gemeinsamen Haushalts um dessen Fixkosten wie Miete oder Zinsaufwendungen, Grundgebühr für Strom, Wasser etc. sowie Reinigungsaufwand und Verpflegungskosten entlastet. Zudem ist der Ansatz einer Haushaltsersparnis für jeden Ehegatten geboten, weil die in den personenbezogenen Alten- und Pflegeheimkosten enthaltenen Aufwendungen für Nahrung, Getränke, übliche Unterkunft u.ä. typische, steuerlich grundsätzlich nicht zu berücksichtigende Kosten der Lebensführung eines jeden Steuerpflichtigen sind. Die Kürzung der Aufwendungen für eine krankheitsbedingte Unterbringung eines Ehepaares in einem Pflegeheim lediglich um eine Haushaltsersparnis würde damit eine ungerechtfertigte Doppelbegünstigung bewirken. Denn diese Aufwendungen sind für jeden der beiden Ehegatten im Grundsatz bereits durch den in § 32a EStG geregelten Grundfreibetrag steuerfrei gestellt. Auch wenn Lebenshaltungskosten nicht proportional zur Personenzahl im Haushalt steigen, ist der Ansatz einer Haushaltsersparnis in Höhe des in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrags jedenfalls nicht verfehlt (a.A. Schmidt/Loschelder, EStG, 36. Aufl., § 33 Rn. 35 <Altersheim>: doppelter Ansatz zu hoch, sondern sächliches Existenzminimum für Ehepaare nach den zweijährigen Existenzminimumberichten der Bundesregierung angemessen). Vielmehr ist die Typisierung der Haushaltsersparnis auch insoweit realitätsgerecht. Der Ansatz einer Regelersparnis bei einem Ehepaar i.H.v. 16.260 Euro im Streitjahr entspricht den privaten Konsumausgaben eines Paares ohne Kinder im Jahr 2013 in etwa. Denn in einem solchen Haushalt wurden im Streitjahr monatlich für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren 388 Euro, für Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung 950 Euro sowie für Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände 155 Euro (= 1.493 Euro im Monat) und damit im Jahr 17.916 Euro verausgabt (Statistisches Bundesamt, Fachserie 15, Heft 5, S. 40).

D. Auswirkungen für die Praxis

Auch wenn es sich bei der „Regelersparnis“ um eine typisierende Schätzung handelt, ist sie in jedem Einzelfall von der Aufgabe des normalen Haushalts an taggenau zu berechnen. Hierzu findet sich in R 33.3 Abs. 2 Satz 3 EStR eine Berechnungsmethode. Danach ist die Haushaltsersparnis mit 1/360 pro Tag, 1/12 pro Monat des in § 33a Abs. 1 EStG vorgesehenen Höchstbetrags anzusetzen. Dies entspricht dem in § 33a EStG niedergelegten Monatsprinzip (BFH, Urt. v. 14.12.2016 – VI R 15/16 – BStBl II 2017, 454; Anm. Geserich, jurisPR-SteuerR 22/2017 Anm. 3).
Die bislang vom Finanzamt berücksichtigte zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG ist allerdings stufenweise zu ermitteln und im Streitfall um 664 Euro zu mindern (BFH, Urt. v. 19.01.2017 – VI R 75/14 – BStBl II 2017, 684; Anm. Geserich, jurisPR-SteuerR 21/2017 Anm. 5). Für den Teil der Aufwendungen, der durch den Ansatz der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wird, kann der Steuerpflichtige unter Berücksichtigung der übrigen Tatbestandsmerkmale die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a EStG in Anspruch nehmen (FinMin Schleswig-Holstein v. 26.10.2016 – VI 3012-S 2284-201).

Aufwendungen für die Unterbringung in einem Alten- und Pflegeheim
Thomas HansenRechtsanwalt
  • Fachanwalt für Steuerrecht
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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