Immer und immer wieder hören wir die abstrusesten Vorschläge, mit diesem oder jenem genialem Steuersparmodell könne man seine Steuerlast praktisch bis auf „Null“ senken. Eines haben all diese Modelle gemeinsam: Entweder existieren sie schlichtweg nicht, weil sie allenfalls theoretisch „auf dem Papier“ funktionieren oder aber diese Modelle sind strafbar. In der dazwischen liegenden, im Grunde gar nicht existierenden, Grauzone bewegen sich nur amerikanische Großkonzerne, die sich zur Minderung ihrer Steuerlast international tätiger sog. Steuerkanzleien bedienen und für die das (Straf-)recht offenkundig nicht gilt. Aber das ist wohl politisch noch so gewollt.
Und immer wieder scheint der Dschungel der steuerlichen Gesetzgebung und der dieser mal mehr, mal weniger folgenden Rechtsprechung den einen oder anderen Steuerberater regelrecht zu verführen, mit Geldern von Mandanten den eigenen Spieltrieb zu befriedigen – vielleicht klappt es ja … Das OLG Düsseldorf hatte sich vor einiger Zeit mit einem derartigen Fall zu befassen:
Die persönlichen Verhältnisse des betroffenen Steuerberaters wurden wie folgt festgestellt:
„Der jetzt x Jahre alte und am 2. Mai 2003 als Steuerberater bestellte Berufsangehörige nahm nach Abitur und Wehrdienst im Jahr 1996 ein Studium an der Fachhochschule für Finanzen in N auf, welches er 1999 als Diplom-Finanzwirt beendete. Von 1999 bis 2003 arbeitete er zunächst als Angestellter in einer Steuerberater- und Wirtschaftsprüfer-Sozietät in E. Anschließend war er erst als Angestellter bzw. als freier Mitarbeiter und später als Partner in der Rechtsanwalts- und Steuerberater-Sozietät L und S in G tätig. Nachdem er wegen der diesem Verfahren zugrundeliegenden Vorfälle aus der Sozietät ausgeschieden war, betreibt der Berufsangehörige seit dem Jahr 2009 in gemieteten Räumen eine eigene Steuerberatungskanzlei in Y, in der er fünf Mitarbeiter beschäftigt. Mit dieser erzielte er im Jahr 2014 einen Umsatz von etwa 550.000,00 EUR und einen Gewinn von ca. 140.000,00 EUR. Der Berufsangehörige ist Miteigentümer eines Mehrfamilienhauses und bewohnt selbst mit seiner Ehefrau und seinem Sohn, der ein Jahr und zwei Monate alt ist, ein gemietetes Haus.“
Er war zuvor aufgrund einer sog. strafprozessualen Verständigung von dem Landgericht P. zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat dem Berufsangehörigen zudem mit Anschuldigungsschrift vom 3. Februar 2014 zur Last gelegt, seine Berufspflichten als Steuerberater schuldhaft verletzt zu haben. Die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Landgerichts Münster (Westf.) hat dem Berufsangehörigen mit Urteil vom 29. August 2014 wegen schuldhafter Berufspflichtverletzung einen Verweis erteilt und gegen ihn eine Geldbuße von 4.900,00 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Berufung des Berufsangehörigen vor dem OLG Düsseldorf, Senat für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen. Der Senat stellte den Sachverhalt u.a. wie folgt fest:
„Gemeinsam besuchten sie im Jahr 2001/2002 den Aufbaustudiengang des internationalen Steuerrechts an der Universität H. Hier lernten sie sich kennen. Auf einer gemeinsamen Zugfahrt von H zurück nach M setzten sie sich mit der Möglichkeit, erhebliche Steuerersparnisse auf Grundlage des § 7 g Abs. 3 EStG a. F. zu erzielen, auseinander. Nach ihren Vorstellungen sollten in erster Linie selbstständig und freiberuflich tätige Personen als atypische stille Gesellschafter – in der Regel im Rahmen einer zuvor mit einem Familienangehörigen oder sonstigen Dritten gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) – sich in einer Größenordnung von bis zu 5.000,00 EUR pro GbR an einem ausländischen Unternehmen beteiligen. Anschließend sollte für die vorgeblich künftige Anschaffung oder Herstellung von Wirtschaftsgütern betreffend das ausländische Unternehmen eine den Gewinn mindernde Rücklage gemäß § 7 g Abs. 3 EStG a. F. in Höhe von bis zu 154.000,00 EUR als gesetzlich zulässiger Höchstbetrag gebildet werden (sogenannte Ansparabschreibung). Die gebildete Rücklage sollte sodann gegenüber dem deutschen Finanzamt zur Reduzierung der persönlichen Einkommenssteuerlast geltend gemacht werden können. Spätestens nach 2 Jahren sollte die Rücklage sodann wieder aufgelöst werden. Der aus § 7 g Abs. 4 Satz 2 EStG a. F. folgende 6-prozentige Strafzuschlag sollte sodann dadurch kompensiert werden, dass aufgrund des vornehmlich mit osteuropäischen Ländern bestehenden Doppelbesteuerungsabkommens nur das tatsächlich im Inland erzielte Einkommen mit dem 6-prozentigen Strafzuschlag zu versteuern ist. Anders als bei einer Auflösung einer Ansparabschreibung im Inland sollte die aufgelöste Ansparabschreibungssumme nicht zu dem zu versteuernden Einkommen hinzugezogen werden müssen. Lediglich zur Ermittlung des Steuersatzes würde die aufgelöste Ansparabschreibungssumme zu dem tatsächlich im Inland zu versteuernden Einkommen hinzugezogen.“
In den Entscheidungsgründen heißt es dann weiter:
„Insgesamt sind auf diese Weise 94 Verträge zustande gekommen. Das Investitionsvolumen beläuft sich damit auf 470.000,00 EUR. Soweit der Angeklagte F oder der gesondert verfolgte M sich vermeintlich mit einem Geldbetrag an einer GbR beteiligt haben wollen, stand dies lediglich auf dem Papier. Tatsächlich wurden im Innenverhältnis die gesamten 5.000,00 EUR durch den betroffenen Anleger aufgebracht. Der Angeklagte F beabsichtigte, sich auf die dargestellte Weise, insbesondere durch die Vielzahl gleichgelagerter Fälle, eine Einnahmequelle von einigem Gewicht und einiger Dauer zu verschaffen.
Hinsichtlich der steuerlichen Abwicklung im Rahmen des Modells „Steuerstrategie Null“ erteilten die deutschen Anleger als Gesellschafter der von ihnen zuvor gegründeten Beteiligungs-GbR im Rahmen der Beauftragung der O-AG zugleich auch eine Steuerberatungsvollmacht für die Sozietät L & S. Diese sah eine umfassende Bevollmächtigung der Sozietät in der Vertretung der jeweiligen GbR in allen Steuerangelegenheiten gegenüber Finanzbehörden, sonstigen Behörden und Stellen vor. Die gesamte steuerliche Abwicklung und Betreuung des Modells lag damit allein in den Händen der Angeklagten W und R. Die Angeklagten fertigten für die jeweiligen GbR´s die notwendigen Steuererklärungen und fügten diesen Investitionslisten für die geltend gemachten Ansparabschreibungen bei. In den von den Angeklagten gefertigten Investitionslisten war in der Regel zumindest ein Fahrzeug der oberen Luxusklasse enthalten. Nach der Vorstellung der Angeklagten W und R sollten die in den Investitionslisten zugrunde liegenden Wirtschaftsgüter jedoch zu keinem Zeitpunkt angeschafft werden, sondern standen lediglich auf dem Papier zur Begründung von Buchverlusten. Auch die Anleger selbst beabsichtigten zu keinem Zeitpunkt, über ihre Beteiligungssumme hinaus, weiter in das russische Unternehmen zu investieren. Dies war den Angeklagten W und R auch bekannt. …
Bei der Fertigung der Steuererklärungen und der darin enthaltenen Ansparabschreibung unter Hinzuziehung der dargestellten Investitionslisten ließen die Angeklagten W und R spätestens ab dem 01.10.2007 die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Vorschrift des § 7 g EStG a. F. außer Acht. Nach dem Urteil des BFH vom 11.07.2007, I R 104/05, welchem eine Ansparabschreibung nach dem Modell „Steuerstrategie Null“ zu Grunde lag, rechtfertigt „nur der durch ein ernst gemeintes Investitionsvorhaben ausgelöste Finanzierungsbedarf die Förderung der Steuerpflichtigen“. Die Angeklagten haben das Urteil zur Kenntnis genommen, gelesen und verstanden. Nichts desto trotz haben sie weiterhin die vorstehend beschriebenen Ansparabschreibungen im Rahmen der Steuererklärungen der jeweiligen Anleger geltend gemacht. Dabei haben sie sich nicht am tatsächlichen Investitionsbedarf der russischen Unternehmen, sondern ausschließlich an dem zu versteuernden Einkommen der jeweiligen Anleger orientiert. Die Investitionslisten wurden entsprechend auch ohne Rücksprache mit den russischen Unternehmen oder den deutschen Anlegern gefertigt.
Die deutschen Anleger kannten die russischen Unternehmen nicht. Persönliche Kontakte bestanden zu keinem Zeitpunkt. Die betroffenen deutschen Anleger hatten auch weiterhin zu keinem Zeitpunkt vor, sich über die Investitionssumme von 5.000,00 EUR hinaus an den ausländischen Unternehmen zu beteiligen. Dies war den Angeklagten W und R auch bekannt. Sie blendeten dabei zudem aus, dass die von ihnen durchgeführte Praxis nicht mit der Rechtsprechung des BFH, wonach tatsächliche Investitionen gefördert werden sollten, in Einklang zu bringen ist. Gegenüber den Finanzämtern wurde im Rahmen der jeweiligen Steuererklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen somit bewusst wahrheitswidrig suggeriert, es seien ernsthaft Investitionen in Höhe von bis zu 385.000,00 EUR pro Beteiligungs-GbR geplant. Hätten die Finanzämter gewusst, dass es sich bei den in den Investitionslisten niedergelegten Wirtschaftsgütern zur Geltendmachung der Ansparabschreibung lediglich um Buchverluste handelte, hätte jedes Finanzamt bereits aus diesem Grund die Anerkennung der geltend gemachten Verluste verweigert. Dies hätten die Angeklagten W und R angesichts der vorgenannten BFH-Rechtsprechung erkennen können. Die betroffenen Anleger hingegen haben auf das gute Renommee der Kanzlei L & S und die dort beschäftigten Angeklagten W und R vertraut. Sie gingen als steuerrechtliche Laien davon aus, dass die ihnen von den Angeklagten unterbreitete Vorgehensweise legal ist. …
Insgesamt sind auf diese Weise Ansparabschreibungen in Höhe von 11. 648.468,00 EUR durch die Angeklagten über die deutschen Anleger geltend gemacht worden. Zu einer steuerlichen Anerkennung ist es in keinem Fall gekommen. Die jeweiligen Finanzämter haben die Anerkennung abgelehnt. Der versuchte Steuerschaden beläuft sich auf mindestens 30 % der geltend gemachten Ansparabschreibungssumme, mithin 3.494.540,40 EUR. Die O-AG hätte entsprechend der mit den jeweiligen Anlegern geschlossenen Honorarverträge in Höhe von mindestens 20 % dieser Steuerersparnisse, das sind 698.908,08 EUR, profitiert. Die S-GmbH als 100-prozentige Tochter von L & S war -wie dargestellt- mit 49 % an der O-AG beteiligt und hätte entsprechend diesem Beteiligungsverhältnis in Höhe von 342.464,95 EUR von den Steuervorteilen profitiert. Die Angeklagten W und R waren mit jeweils 15 % an der S-GmbH beteiligt und hätten entsprechend diesem Beteiligungsverhältnis in Höhe von je 51.369,74 EUR von diesen Steuerrückflüssen profitiert.“
Anmerkung:
„Gier frisst Hirn“. So betitelte bereits das manager-magazin einen Bericht über Anlagebetrüger. Nicht nur verblendete Anleger und „clevere“ Steuerberater, auch der Präsident des Verbands deutscher Strafrechtsanwälte bekamen bereits Ärger mit der Justiz.