Leitsatz:

Für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG reicht eine bestandene Prüfung zum Heilpraktiker (oder ein entsprechend anerkennungsfähiger ausländischer Prüfungsabschluss) nicht aus; erforderlich ist grds. eine Tätigkeitserlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 07. Februar 2013, V R 22/12, BStBl II 2014, 126). Eine Tätigkeit als „Heiler“ (Handauflegen) ist keine Tätigkeit im Sinne des Heilpraktikergesetzes.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Tätigkeit des Klägers gemäß § 4 Nr. 14 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) von der Umsatzsteuer (USt) befreit ist.

Der Kläger erbrachte in den Streitjahren Leistungen gegenüber Menschen, die verschiedene Leiden wie z.B. Warzen, Gürtelrosen, Rauchergewöhnung, Raucherbeine, Rückenprobleme, Herzerkrankungen oder Übergewicht hatten. Die Tätigkeit des Klägers erfolgte dabei dergestalt, dass er sich die Leiden der Menschen erklären ließ und dann seine Hand auf eine bestimmte Stelle legte, welche er nach dem erläuternden Gespräch mit dem Patienten für die richtige hielt. Durch dieses Handauflegen sollte die Heilung bzw. Linderung des jeweiligen Leidens herbeigeführt werden. Dabei kam es vor, dass die Menschen teilweise mehrere Sitzungen brauchten; teilweise gab es auch Patienten, die regelmäßig zum Kläger kamen, damit er ihr Leiden „in Schach“ hielt. Der Kläger erhielt für seine Leistungen keine Erstattungen von den Krankenversicherungen. Die Leistungen sind nicht in den Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses gem. § 92 SGB V erfasst; auch ansonsten bestehen in Ansehung seiner Tätigkeiten keine Beziehungen des Klägers zu den Krankenkassen (§ 69 ff. Sozialgesetzbuch V -SGB V-, § 124 SGB V, § 111 SGB V).

Die Fähigkeit des Klägers, Leiden von Menschen durch das Auflegen seiner Hände zu lindern bzw. zu beseitigen ist eine Fähigkeit, welche er nach eigenen Angaben geerbt habe, bzw. welche man als Gabe Gottes beschreiben könne und deren Ursprung er nicht weiter erkenne. Ausweislich einer Auftragsbestätigung vom 22. September 2008 warb der Kläger in den Gelben Seiten (Regionalteil für A) als „Heiler aus C, bekannt durch Presse und TV“. In einem Beitrag auf einer Internetseite wurde der Kläger als Heiler mit paranormalen Fähigkeiten beschrieben, durch welche er sich einen Namen als Wunderheiler gemacht habe, der Speckröllchen und Verspannungen von Menschen durch Handauflegen vertreibe. In einem Artikel der wissenschaftlichen Zeitung für Parapsychologie aus dem Jahr 2000 wurde dargelegt, dass der Kläger in der Lage sei, bei einem Menschen durch das 15minütige Auflegen der Hände das Hungergefühl zu vertreiben und damit Gewichtsproblemen zu begegnen. Auf Frage, wie sich der Kläger seine Fähigkeiten erkläre, habe er geantwortet, er sei seit Jahren als Geistheiler tätig und könne es nicht erklären; es sei offenbar eine Gabe Gottes mit der er auch Menschen heilen könne.

In seinen Steuererklärungen für die Streitjahre 2006 und 2008 erklärte der Kläger Lieferungen und sonstige Leistungen zum Regelsteuersatz in Höhe von 9.241,00 EUR (2006), 6.537,00 EUR (2007) und 5.146,00 EUR (2008). Umsätze aus der vorbenannten Tätigkeit in Höhe von 21.440,00 EUR (2006), 22.140,80 EUR (2007) und 21.715,20 EUR (2008) behandelte der Kläger als gemäß § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei. Die Steueranmeldungen standen gemäß § 168 Abgabenordnung (AO) einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) gleich.

Bei einer die – vor dem Streitzeitraum liegenden – Jahre 2003 bis 2005 betreffenden Betriebsprüfung stellte die Prüferin fest, dass die Umsätze des Klägers aus seiner behandelnden Tätigkeit seit 1999 als umsatzsteuerfrei behandelt wurden. Da die Patienten des Steuerpflichtigen sowohl aus gesundheitlichen als auch aus kosmetischen Gründen behandelt worden seien, sei eine Aufteilung vorzunehmen. Der Anteil der nicht medizinisch indizierten Behandlungen – und damit der umsatzsteuerpflichtige Anteil – wurde auf 20.000,00 EUR brutto geschätzt. Das Finanzamt setzte daraufhin für diese Jahre jeweils Nettoumsätze zum Regelsteuersatz in Höhe von 17.241,00 EUR an. Im Rahmen dieser Betriebsprüfung teilte der Kläger mit, dass 90 % seiner Kunden zu ihm kämen, um abzunehmen. Er habe eine Heilpraktikerausbildung in Polen gemacht, sei jedoch 1981 von dort geflohen und ohne Papiere und Zeugnisse nach Deutschland gekommen. Ihm nachgeschickte Dokumente seien auf dem Postweg verloren gegangen und die Schule, an welcher er den Abschluss gemacht habe, existiere nicht mehr. Vorgelegt wurde eine Übersetzung eines Abschlusszeugnisses aus dem Jahre 1976, ausweislich derer der Kläger den Titel Techniker für Technologie der landwirtschaftlichen Nahrungsmittel in der Fachrichtung Fleischverarbeitung zu führen berechtigt war.

Aufgrund einer Prüfungsanordnung vom 4. Oktober 2010 fand im November 2010 beim Kläger eine den Streitzeitraum 2006 – 2008 betreffende Betriebsprüfung statt. Im Rahmen dieser Betriebsprüfung teilte der Kläger mit, dass nach ausführlichen Recherchen in den verpackten Unterlagen auf dem Dachboden seiner Mutter eine Diplom-Urkunde aufgefunden werden konnte. Diese Urkunde reichte er in Kopie nebst Übersetzung ein. Das Dokument war als Diplom des Erwerbes eines Berufstitels überschrieben. Es heißt darin, der Kläger habe das Studium der Homöopathie und der Naturheilverfahren im Schuljahr 1978/79 1979/80 mit dem Ergebnis sehr gut abgeschlossen und die Diplom-Prüfung in der Spezialisierung der klassischen Homöopathie im Abendsystem bestanden. Der Kläger vertrat die Auffassung, das Diplom sei anzuerkennen, da es zwar in einem anderen EU-Staat erlangt worden sei, jedoch die gleichen Lerninhalte vermittelt worden seien. Es existierten zudem Aufzeichnungen darüber, welche Menschen aus Krankheitsgründen vom Kläger behandelt worden seien; die insoweit ausgeübten Tätigkeiten seien zu 100 % solche eines Heilpraktikers. Soweit ihn das Finanzamt in Ermangelung einer Erlaubnis gemäß § 1 Abs. 1 des Heilpraktikergesetzes nicht als Heilpraktiker einstufen wolle, so seien seine Leistungen jedenfalls als „ähnliche heilberufliche Tätigkeiten“ anzusehen. Ausweislich einer Gesprächsnotiz vom 6. August 2012 teilte ein Mitarbeiter des Gesundheitsamtes in C dem Finanzamt mit, dass eine Ausbildung im Bereich der Homöopathie und des Naturheilverfahrens in Polen in Deutschland nicht unbedingt mit einer Tätigkeit als Heilpraktiker gleichzusetzen sei. Um einen Abschluss in Polen in Deutschland gleichsetzen zu können, müsse eine Prüfung abgelegt werden. Sollte der Steuerpflichtige eine Tätigkeit im Sinne des Heilpraktikergesetzes ausüben, so sei dies strafrechtlich zu ahnden. Im abschließenden Betriebsprüfungsbericht vom 24. Oktober 2012 vertrat der Prüfer die Auffassung, dass das vom Kläger absolvierte Studium zwar am ehesten mit dem Berufsbild des Heilpraktikers zu vergleichen sei, das jedoch mangels einer Erlaubnis von der entsprechenden Behörde keine für die Anwendung der steuerlichen Begünstigung nach § 4 Nr. 14 UStG hinreichende Qualifikation vorliege. Zudem müsse die Art der Behandlung dem Heilpraktikerberuf entsprechen. Das Bundesverfassungsgericht habe jedoch in seinem Urteil vom 2. März 2004 (1 BvR 784/03) entschieden, dass so genannte Geistheiler („Handauflegen“) nicht unter das Heilpraktikergesetz fielen. Aus diesem Grund seien die getätigten Umsätze in voller Höhe der USt zu unterwerfen.

Das Finanzamt folgte den Ausführungen der Betriebsprüfung, erhöhte die dem Regelsteuersatz unterliegenden Umsätze um 18.482,76 EUR (2006, Bruttobetrag 21.440,00 EUR), 18.605,71 EUR (2007, Bruttobetrag 22.140,80 EUR) und 18.248,07 EUR (2008, Bruttobetrag 21.715,20 EUR) und erließ am 12. November 2011 gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit Einspruch vom 23. November 2012. Nach der Rechtsprechung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (6 K 1911/11) und des Bundesfinanzhofs -BFH- (V R 27/10) setze die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG voraus, dass der Unternehmer eine für die Heilbehandlung erforderliche Qualifikation besitze. Wie dieser Rechtsprechung ganz klar zu entnehmen sei, komme es dabei insbesondere auf die Tätigkeit desjenigen an, der die Leistungen erbringe. Der Kläger behandle in zunehmendem Maße Personen aufgrund einer medizinischen Indikation, es komme sogar mehr und mehr vor, dass die Patienten vom Arzt an den Kläger weiterverwiesen worden seien. Das Umsatzsteuergesetz besage lediglich, dass es sich um eine Tätigkeit als Heilpraktiker handeln müsse; im Gesetz stehe dazu nicht, dass dies nur möglich sei, wenn man ein deutscher Heilpraktiker sei. Mit Sicherheit sei im Zuge der EG-Harmonisierung auch in Deutschland ein Diplom anzuerkennen, das vor einer anderen europäischen Behörde abgelegt worden sei. Unter Zugrundelegung des vorgelegten polnischen Diploms müsse davon ausgegangen werden, dass auch im vorliegenden Fall „Heilbehandlungen zum Zwecke der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und Heilung von Krankheiten“ vorgenommen werden. Wenn man die tatsächliche Katalogtätigkeit verneine, weil eine entsprechende Befähigung nicht vorliege, so müsse man aber jedenfalls zu dem Schluss kommen, dass eine ähnliche Tätigkeit vorliege. Soweit das Finanzamt meine, es liege in Ansehung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2004 keine dem Heilpraktiker vergleichbare Tätigkeit vor, so sei zu beachten, dass nach dem Urteil Personen, die nicht als Heilpraktiker arbeiteten, die Patienten schriftlich darauf hinweisen müssten, dass ihre Tätigkeit die Tätigkeit des Arztes nicht ersetze. Dieser Hinweis könne entweder als Merkblatt dem Patienten vor Behandlungsbeginn übergeben werden oder auf einem gut sichtbaren Aushang im Behandlungszimmer stehen. Aus diesem Urteils-Passus sei nicht die Folge abzuleiten, der Kläger dürfe nicht von der Steuerfreiheit nach dem UStG profitieren. Leistungen, die nicht Heilbehandlungsleistungen im Sinne des Anwendungserlasses seien, seien dort in Tz. 15 zu 4.14.1 Abs. 5 aufgeführt. Der Anwendungserlass führe aus, dass ein Beruf den in § 4 Nr. 14 UStG genannten Katalogberufen ähnlich sei, wenn „das typische Bild des Katalogberufes mit seinen wesentlichen Merkmalen dem Gesamtbild des zu beurteilenden Berufes vergleichbar ist“. Dazu gehören die Vergleichbarkeit der jeweils ausgeübten Tätigkeit nach den sie charakterisierenden Merkmalen, die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der Bedingungen, an die das Gesetz die Ausübung des vergleichenden Berufes knüpft (Verweis auf BFH-Urteil vom 29. Januar 1998, V R 3/90, Bundessteuerblatt -BStBl- II, 453). Die medizinische Indikation der Leistungen des Klägers könne durch Fotos der behandelnden Personen belegt werden. Er habe eine Patientenkartei zu allen Patienten, die er erforderlichenfalls vorlegen könne und in denen teilweise mit Fotos die Beschwerden der Patienten und die Erfolge seiner Tätigkeit niedergelegt seien. Auf den Einwand des Finanzamts, dass berufsrechtliche Regelungen für das Berufsbild des „Heilers“ (Heilung durch Handauflegen) nicht vorhanden seien, und dass der Nachweis einer entsprechenden Qualifikation auch nicht durch die Kostentragung durch Sozialversicherungen, eine Aufnahme der betreffenden Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92 SGB V oder durch die Zulassung des Unternehmers oder seiner Berufsgruppe nach § 124 SGB V erbracht werden könne, entgegnete der Kläger, dass es nach der Befreiungsvorschrift ausreiche, die „Tätigkeit als Heilpraktiker“ auszuüben. Hieraus lasse sich ableiten, dass § 4 Nr. 14 UStG auch für jemanden gelte, der wie ein Heilpraktiker oder als Heilpraktiker selbst tätig sei, ohne einen entsprechenden Titel zu haben. Dies gelte insbesondere, da eine berufsrechtliche Regelung über Ausbildung, Prüfung, staatliche Anerkennung sowie Erlaubnis und Überwachung für das Berufsbild des Heilers bislang nicht erlassen sei; es müsse also ausreichen, wenn diese Tätigkeit tatsächlich ausgeübt werde.

Mit Einspruchsentscheidung vom 28. November 2013 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Es gebe für so genannte Heiler bzw. Heilmagnetiseure keine staatliche Genehmigung und keine sonstigen Berufsausübungsregelungen. Da auch keine Aufnahme in den Leistungskatalog oder eine Zulassung des Klägers oder seiner Berufsgruppe erfolgt sei, sei dessen Tätigkeit nicht mit denen des § 4 Nr. 14 UStG vergleichbar. Nach den Regelungen des Anerkennungsgesetzes könnten im Ausland erworbene Berufsabschlüsse in Deutschland als gleichwertig anerkannt werden. Der Kläger habe jedoch eine solche Anerkennung bislang nicht vorgelegt. Auch eine – wie in der vorangegangenen Betriebsprüfung vorgenommene – teilweise Anerkennung der Steuerbefreiung komme nicht in Betracht. Unterlagen hinsichtlich des Aufteilungsmaßstabes seien nicht vorgelegt worden und die Zahlungen seien überwiegend direkt vor Ort – ohne Quittung – in bar erfolgt und lediglich tageweise in einem Jahreskalender handschriftlich festgehalten worden. Nach dem auch im Umsatzsteuerrecht geltenden Abschnittsprinzip würden alle steuerrechtlichen Vorgänge für den Besteuerungszeitraum erfasst, ohne dass eine Bindung an die Beurteilung in einem vorangegangenen Besteuerungszeitraum bestehe (BFH-Urteil vom 8. März 2012, V R 30/09). Eine Anerkennung aus Vertrauensschutzgründen komme daher nicht in Betracht; inwieweit gegebenenfalls Anlass zur Prüfung einer Billigkeitsmaßnahme bestehe, sei im gesonderten Billigkeitsverfahren nach §§ 163, 227 AO zu entscheiden.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 20. Dezember 2013 erhobenen Klage. Die medizinisch indizierte Tätigkeit habe eindeutig Übergewicht, es könne sogar davon ausgegangen werden, dass die nicht heilende Tätigkeit eher von untergeordneter Bedeutung sei. Der Kläger übe eine dem Heilpraktiker ähnliche Tätigkeit aus. Leider sei es zwar bislang wohl so, dass eine berufsrechtliche Regelung über Ausbildung, Prüfung, staatliche Anerkennung sowie staatliche Erlaubnis und Überwachung der Berufsausübung für das Berufsbild des „Heilers“ nicht erlassen worden sei; dennoch müsse es nach dem Wortlaut des hier in Frage stehenden Umsatzsteuergesetzes ausreichend sein, diese Tätigkeit tatsächlich auszuüben. Es liege nicht im Einflussbereich des Klägers, dass keine berufsrechtlichen Regelungen für Heiler erlassen worden seien. Die von der Rechtsprechung verlangte Qualifikation könne er mit dem polnischen Diplom nachweisen. Eine Prüfung/Zulassung als Heilpraktiker sei damit nicht erforderlich, der Kläger könne sich eine solche in Ansehung seiner Umsätze auch nicht leisten. Es könne auch nicht relevant sein, dass keine Rechnungen für die Tätigkeit vorgelegt worden seien, da deren Vorlage nicht Voraussetzung für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG sei. Nach alledem sei die Auffassung des Finanzamts nicht nachvollziehbar.

In der mündlichen Verhandlung am 21. November 2016 hat der Kläger bekräftigt, dass er mit seiner Tätigkeit signifikante gesundheitliche Erfolge bei seinen Patienten erziele. Hierzu hat er Fotos vorgelegt und anhand derer erläutert, dass sich der Zustand der behandelten Personen – wie auf den Bildern ersichtlich – verbessert habe. Er übe damit eine Tätigkeit wie ein Heilpraktiker aus. Auf Frage des Vorsitzenden legte der Kläger dar, dass er seine Erfolge nicht abschließend erklären könne; er habe diese Fähigkeit und heile dort, wo die Medizin nicht weiter komme.

Der Kläger beantragt,

  • die angefochtenen USt-Bescheide 2006 bis 2008 vom 12. November 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. November 2013 dahingehend zu ändern, dass sämtliche Umsätze des Klägers als steuerfrei behandelt werden und die Steuer damit auf 0,- EUR festgesetzt wird,

hilfsweise,

  • die angefochtenen USt-Bescheide 2006 bis 2008 vom 12. November 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. November 2013 dahingehend zu ändern, dass in Entsprechung der vorangegangenen Betriebsprüfung lediglich umsatzsteuerpflichtige Umsätze in Höhe von 20.000,00 EUR brutto angesetzt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Berichterstatter hat am 22. August 2016 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt. Im Nachgang zu diesem Termin hat der Kläger mit Schreiben vom 14. September 2016 ein in polnischer Sprache verfasstes einseitiges Dokument sowie eine dazu angefertigte handschriftliche Übersetzung vorgelegt. Aus der Übersetzung folgt, dass das Schreiben mit Studium der Homöopathie und Naturheilkunde überschrieben war und einen Lehrplan im Schuljahr 1979/1980 beinhalte. Die Lehrinhalte sind dabei aufgegliedert in die Bereiche Grundlagen, medizinische Fachgebiete und Naturheilkunde und beinhalten jeweils Unterpositionen wie z.B. „Anatomie des Bewegungsapparates“, „medizinische Gesetzeskunde“, „Herz- und Kreislauf“, „Orthopädie“, „Neurologie“, „klassische Homöopathie“, „Akupunktur“, „klassische Massage“ u.a. Der Kläger teilte mit, dass ihm der Ausbildungsplan jetzt anlässlich eines Klassentreffens in Polen von einem ehemaligen Studienkollegen, der diese Übersicht noch zufällig in seinen Unterlagen aufbewahrt hatte, beibringen konnte.

Gründe:

Die Klage ist unbegründet. Die angegriffenen Umsatzsteuerbescheide 2006 – 2008 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-.

I.

Der Kläger hat als Unternehmer im Sinne des § 2 UStG bei der Durchführung der streit-gegenständlichen Tätigkeit umsatzsteuerbare sonstige Leistungen im Sinne der §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 9 UStG erbracht. Diese Tätigkeit des Klägers war nicht gemäß § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG (ab 2009 § 4 Nr. 14 a Satz 1 UStG) von der USt befreit.

1.)

Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind steuerfrei

  • die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker.

Die Vorschrift setzt Art. 13 Teil A Abs. 1 c der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 132 Abs. 1 c der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (Mehrwertsteuersystemrichtlinie -MwStSystRL-) um. Danach befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer:

  • c) Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sind die Steuerbefreiungstatbestände des Art. 13 Teil A der Richtlinie 77/388/EWG bzw. des Art. 132 MwStSystRL als Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz, dass jede Dienstleistung gegen Entgelt der Mehrwertsteuer unterliegt, eng auszulegen (vgl. EuGH-Urteil vom 14. September 2000, C-384/98, BFH/NV 2001, Beilage 1, 31). Diese restriktive Auslegung muss jedoch mit den Zielen im Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gesamte Mehrwertsteuersystem beruht. Ziel der benannten Steuerbefreiungen ist es, die Kosten der Heilbehandlungen zu senken (vgl. EuGH-Urteil vom 18. November 2010, C-156/09, BFH/NV 2011, 179).

Die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 14 UStG setzt bei richtlinienkonformer Auslegung voraus, dass der Unternehmer

  • eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin
  • durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt,
  • und dass er die dafür erforderliche Qualifikation besitzt (vgl. mit weiteren Nachweisen BFH-Urteil vom 8. August 2013, V R 8/12, BFH/NV 2014, 119).

2.)

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist die Tätigkeit des Klägers als nicht von der USt befreit anzusehen. Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, ob die einzelnen Maßnahmen Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin sind (dazu a.), denn der Kläger verfügt nicht über den erforderlichen Befähigungsnachweis (dazu b.); zudem wurde die Tätigkeit des Klägers im Streitzeitraume nicht im Rahmen eines vom Mitgliedstaat definierten ärztlichen oder arztähnlichen Berufes ausgeübt (dazu c.).

a.)

Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger Heilbehandlungen im Sinne des § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG bzw. § 4 Nr. 14 a Satz 1 UStG vorgenommen hat.

aa.) Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin dienen der Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen. Sie müssen einen therapeutischen Zweck haben. Zu den Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gehören auch Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden wie vorbeugende Untersuchungen und ärztliche Maßnahmen an Personen, die an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, sowie Leistungen, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden. Keine Heilbehandlungen sind demgegenüber ärztliche Leistungen oder Maßnahmen oder medizinische Eingriffe, die zu anderen Zwecken erfolgen (BFH-Urteil vom 30. April 2009, V R 6/07, BStBl II 2009, 679). Auch keine Heilbehandlungen im vorbenannten Sinne liegen ferner bei Maßnahmen vor, welche – ohne dabei medizinisch indiziert zu sein – der Patient lediglich nach seiner Vorstellung für sein vollkommenes körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden benötigt (z.B. medizinisch nicht indizierte Maßnahmen, die der Rücknahme von Alterserscheinungen oder der Gewichtsreduktion dienen; vgl. im Einzelnen mit Beispielen: Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 9. Oktober 2014, IV K 179/10, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2015, 251). Bestehen Zweifel über die medizinische Indikation von Maßnahmen, erfordert die gebotene Mitwirkung vom Kläger detaillierte Angaben zu der mit dem jeweiligen Behandlungsfall verfolgten therapeutischen oder prophylaktischen Zielsetzung. Hierfür ist es erforderlich, für den jeweiligen Behandlungsfall die Tatsachen zur konkreten Krankheit, Verletzung oder Beeinträchtigung anzugeben, die im Sinne der EuGH-Rechtsprechung einen Eingriff „erforderlich“ macht. Soweit eine vom Steuerpflichtigen vorgelegte Dokumentation über die konkreten einzelnen Behandlungsfälle diesen Anforderungen nicht genügt, sind dem Steuerpflichtigen weitere Gelegenheiten zur Präzision zu geben. Es ist auf der Grundlage von nach Name und Anschrift des jeweiligen Patienten anonymisierten Unterlagen Beweis in jedem einzelnen Fall durch Sachverständigengutachten zu erheben. Dabei besteht keine Bindung an die Beurteilung durch den Steuerpflichtigen oder das für ihn tätige ärztliche Personal. Wenn die vom Steuerpflichtigen anonymisiert beizubringenden Angaben nicht ausreichen, um den Heilbehandlungscharakter nachzuweisen, ist über die Steuerfreiheit nach Maßgabe der Feststellungslast zu entscheiden, welche grundsätzlich den Steuerpflichtigen trifft (vgl. im Einzelnen: BFH-Urteil vom 4. Dezember 2014, V R 16/12, BFH/NV 2015, 645).

bb.) Im Streitfall bestehen angesichts der Feststellungen der vorangegangenen Betriebsprüfung sowie der Tatsache, dass verschiedene Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kläger – auch – Personen mit Gewichtsproblemen behandelt hat, Zweifel daran, dass die Leiden sämtlicher Personen eine – im vorbenannten Sinne medizinisch indizierte – Behandlung erforderlich machten. Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob die Tätigkeit des Klägers in hinreichendem Maße der Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen diente. Denn es sprechen gute Gründe dafür, dass die Tätigkeit eines „Heilers“ selbst dann, wenn sie eine positive gesundheitliche Wirkung beim Patienten hervorruft – und damit nach ihrer Intention und Wirkung „soweit möglich, der Heilung diente“ -, keinen im rechtlichen Sinne heilenden Charakter hatte, sondern „etwas von einer Heilbehandlung“ Verschiedenes darstellt (vgl. in diesem Sinne wohl Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Juli 2016, 14 K 1338/15 unter Berufung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2004, 1 BvR 784/03, Juris zu einem „Geistheiler“). Der Senat braucht diese Fragen jedoch nicht abschließend zu klären.

b.)

Denn der Kläger besitzt keinen für die Steuerbefreiung erforderlichen Befähigungsnachweis im Sinne des UStG.

aa.) Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG setzt bei richtlinienkonformer Auslegung voraus, dass der Unternehmer die Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und dabei die dafür erforderlichen Befähigungsnachweise besitzt (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 2013, V R 8/12, BFH/NV 2014, 119 m.w.N.).

Der Nachweis dieser Befähigung kann sich entweder aus einer Qualifikation für einen der Katalogberufe ergeben oder – für die nicht unter die Katalogberufe fallenden Unternehmer – aus berufsrechtlichen Regelungen über Ausbildung, Prüfung, staatliche Anerkennung sowie staatliche Erlaubnis und Überwachung der Berufsausübung, bzw. – entsprechend dem Zweck des § 4 Nr. 14 UStG, die Kosten von Heilbehandlungen zu senken und die Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer zu entlasten – aus einer regelmäßigen Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen als Sozialversicherungsträger, wobei eine derartige Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen nach der Rechtsprechung des BFH dann von Bedeutung ist, wenn sie den Charakter eines Befähigungsnachweises hat. Dies kann sich im Einzelfall aus den Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern nach dem Vierten Kapitel des SGB V und damit aus den §§ 69 ff. SGB V ergeben. So ist z. B. die Aufnahme der betreffenden Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92 SGB V, der Abschluss eines Versorgungsvertrages nach § 111 SGB V oder die Zulassung des Unternehmers oder seiner Berufsgruppe nach § 124 SGB V als Indiz für das Vorliegen der erforderlichen Berufsqualifikation anzusehen (BFH-Urteile vom 08.03.2012 V R 30/09, BStBl II 2012, 623; vom 30.04.2009 V R 6/07, BStBl II 2009, 679; s. auch Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 17. März 2016, 2 K 263/14, EFG 2016, 1119). Für den Fall eines Podologen hat der BFH entschieden, dass bzgl. dieser Berufsgruppe hinreichende berufsrechtlichen Regelungen existieren und ein Steuerpflichtiger insoweit bereits dann über die erforderliche Berufsqualifikation zur Erbringung steuerfreier Heilbehandlungsleistungen verfügt, wenn er die staatliche Prüfung nach § 4 S. 2 PodG abgelegt hat. Nicht erforderlich ist insoweit, dass der Steuerpflichtige auch bereits die Erlaubnis zur Führung der entsprechenden Berufsbezeichnung des Podologen erhalten hat (BFH-Urteil vom 7. Februar 2013, V R 22/12, BStBl II 2014, 126).

bb.) Nach diesen Grundsätzen, denen der Senat folgt, liegt kein für die Steuerbegünstigung erforderlicher Befähigungsnachweis vor. Denn der Kläger hat weder die Befähigung zum Katalogberuf des Heilpraktikers (dazu (1.)), noch zu einem den Katalogberufen ähnlichen Berufen (dazu (2.)).

(1) Selbst, wenn das polnische Diplom des Klägers inhaltlich dem erfolgreichen Abschluss einer Prüfung zum Heilpraktiker entspräche, und damit grundsätzlich in Deutschland anerkennungsfähig wäre, würde es – auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH zur staatlichen Prüfung nach § 4 S. 2 PodG – eine Zulassung nach dem Heilpraktikergesetz nicht ersetzen und damit keinen für § 4 Nr. 14 UStG erforderlichen Befähigungsnachweis für den Katalogberuf des Heilpraktikers darstellen. Denn die berufsrechtlichen Regelungen zur Ausübung einer Tätigkeit als Podologe einerseits und als Heilpraktiker andererseits unterscheiden sich so maßgeblich, dass aus der Rechtsprechung des BFH zum Berufszweig der Podologen nicht zu folgern ist, dass das Diplom des Klägers – auch wenn die dafür vermittelten Lerninhalte denen der Heilpraktikerausbildung entsprechen – ausreicht:

Der BFH hat in seinem Urteil vom 7. Februar 2013 (V R 22/12, BStBl II 2014, 126) ausge-führt, dass bei der Beurteilung, ob bereits die erfolgreiche Ablegung der staatlichen Prüfung zum Podologen zum Erwerb der erforderlichen Berufsqualifikation führe, zu berücksichtigen sei, dass es der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbiete, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin seien dabei aber nur insoweit gleichartig, als sie für die Behandelten eine gleichwertige Qualität aufweisen. Für die erforderliche Qualifikation könne dabei z.B. die Tätigkeit in einem rechtlichen Rahmen, unter der Kontrolle eines Medizinischen Dienstes und gemäß spezifisch festgelegter Bedingungen sprechen, deren Einhaltung durch die Eintragung in ein hierfür vorgesehenes Register bescheinigt werde (ebenso BFH-Urteil vom 1. Dezember 2011, V R 58/09, BFH/NV 2012, 1186). Danach führe bereits die erfolgreiche Ablegung der staatlichen Prüfung nach § 4 Satz 2 PodG im Regelfall zu der erforderlichen Berufsqualifikation, weil schon mit der erfolgreichen Prüfung eine dem Podologen qualitativ gleichwertige Tätigkeit ausgeübt werde. Hierfür spreche insbesondere, dass das PodG die Erbringung fußpflegerischer Leistungen nicht unter einen Genehmigungsvorbehalt stelle. Der Erlaubnisvorbehalt nach § 1 Abs. 1 PodG beziehe sich nur auf das Führen einer Berufsbezeichnung; verboten sei danach nicht die Leistungserbringung als solche.

Tragend für die Anerkennung der abgelegten Prüfung (ohne Erlaubnis nach § 1 PodG) war für den BFH damit erkennbar die Erwägung, dass die Leistungen der Prüfungsabsolventen im Bereich der Podologie für die behandelten Personen vergleichbar waren und damit unter gleichen Bedingungen stattfanden, weil sie in einem vergleichbaren rechtlichen Rahmen erfolgen wie die Leistungen derjenigen Personen, die die Erlaubnis nach § 1 PodG hatten. Denn die Erlaubnis nach § 1 PodG bezieht sich gerade nicht auf Ausübung der podologischen Tätigkeit und sie bietet damit auch keinerlei Gewähr für eine bestimmte Qualität, eine Überwachung der Tätigkeit oder Einhaltung eines konkreten rechtlichen Rahmens.

Dies ist im Bereich der Tätigkeit als Heilpraktiker grundlegend verschieden. Gem. § 1 des Heilpraktikergesetzes steht die Tätigkeit als Heilpraktiker unter Erlaubnisvorbehalt; eine Tätigkeit ohne diese Erlaubnis ist gem. § 5 Heilpraktikergesetz strafbar. Zur Erlangung der Erlaubnis muss sich ein Antragsteller nicht nur einer Überprüfung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten durch das Gesundheitsamt unterziehen (§ 2 Abs. 1 Buchs. i. der Ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung – DVO -), sondern er muss auch weitere Nachweise erbringen wie z.B. Belege zur entsprechenden Schulbildung oder sittlichen Eignung (vgl. näher § 1 Abs. 1 Buchst. a.) bis h DVO). Die Erlaubniserteilung wird der Ärztekammer vorgelegt, die die Möglichkeit zur Bewertung und Einlegung von Rechtsmitteln erhält (§ 3 Abs. 1, 3 DVO). Da die Erlaubnis nach § 3 des Heilpraktikergesetzes eine Tätigkeit nur in einer festen Praxis gestattet, wird die Möglichkeit einer Überprüfung der Erlaubnisinhaber eröffnet, und die Behörde ist verpflichtet die Erlaubnis nach § 7 DVO zurücknehmen, wenn die Voraussetzungen hierfür nicht (mehr) vorliegen.

Anders als im Bereich der Podologie ist der Ausübung der Tätigkeit eines Heilpraktikers damit immanent, dass sich dieser einem umfangreichen Genehmigungsverfahren und zugleich einer Kontrolle bzgl. des Fortwirkens seiner erforderlichen Eigenschaften unterworfen hat. Es besteht folglich zwischen der Tätigkeit einer Person, die die Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz hat und einer Person, die sich lediglich auf einen Abschluss beruft, für dessen Erlangung vergleichbare Inhalte vermittelt wurden, keine Gleichwertigkeit im vorbenannten umsatzsteuerlichen Sinne. Denn während die erste Person in dem benannten rechtlichen Rahmen – bestehend aus einer differenzierten Zugangskontrolle, der Verpflichtung zur steten Aufrechterhaltung sämtlicher Befähigungen und Eignungskriterien sowie der Unterwerfung unter weitere Regelungen – agiert und damit unter spezifisch festgelegten Bedingungen tätig wird, entzieht sich letztere Person diesem Rahmen unter Berufung auf in der Vergangenheit erlangte Kenntnisse und begeht sogar – wenn sie tatsächlich Heilkunde ausübt – mit ihrer Tätigkeit strafbare Handlungen. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet es nicht, diese im Hinblick auf den rechtlichen Rahmen nicht gleichartigen Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Zur Erlangung einer Qualifikation als Heilpraktiker hätte es dem Kläger oblegen, neben seinen fachlichen Kenntnissen – deren Gleichwertigkeit mit denen nach § 2 Abs. 1 Buchst. i. DVO in Abstimmung mit der zuständigen Behörde möglicherweise nach den Regelungen des Gesetzes über die Feststellung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsqualifikationen in Schleswig-Holstein (BQFG-SH) anerkennungsfähig sind, oder anderenfalls durch eine erneute Prüfung belegt werden müssen – die weiteren Voraussetzungen nach § 2 DVO gegenüber dem Gesundheitsamt C darzutun und eine Erlaubnis nach § 1 Heilpraktikergesetz zu beantragen.

(2) Der Kläger kann mit seinem Diplom auch keine hinreichende Befähigung zu einer nicht unter die Katalogberufe fallenden Tätigkeiten vorweisen. Für das Vorliegen einer den Katalogberufen ähnlichen Tätigkeit reicht es nicht aus, dass der Kläger durch seine Handlungen eine heilende Wirkung erzielen konnte. Erforderlich für die steuerliche Anerkennung ist – entsprechend den oben benannten Rechtsgrundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung – das Vorliegen berufsrechtlicher Regelungen oder eine Kostentragung durch die Krankensasse aufgrund der dargestellten Rechtsgrundlagen.

Berufsrechtliche Regelungen über Ausbildung, Prüfung, staatliche Anerkennung sowie staatliche Erlaubnis und Überwachung der Berufsausübung, sind für das Berufsbild des – nicht als Heilpraktiker anerkannten – Heilers jedoch nicht ersichtlich. Auch ist unstreitig, dass keine regelmäßige Kostentragung durch gesetzliche Krankenkassen erfolgt, dass die betreffenden Leistungen des Heilers nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92 SGB V aufgenommen wurden, dass kein Versorgungsvertrages nach § 111 SGB V abgeschlossen wurde oder die Zulassung des Klägers oder der Berufsgruppe des – nicht als Heilpraktiker anerkannten – Heilers nach § 124 SGB V erfolgt ist.

c.)

Darüber hinaus – wobei es darauf aus o.g. Gründen nicht mehr ankommt – mangelt es an dem für die Steuerbefreiung erforderlichen Merkmal einer Tätigkeit „im Rahmen“ eines ärztlichen oder arztähnlichen Berufes. Art. 13 Teil A Abs. 1 c der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 132 Abs. 1 c der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (Mehrwertsteuersystemrichtlinie – MwStSystRL-) befreit nur die Tätigkeit im Rahmen der Ausübung der von dem Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe. Für die Befreiung ist damit erforderlich, dass die Tätigkeit des Klägers – selbst wenn sie aufgrund der erzielten gesundheitlichen Erfolge noch unter die weite Definition des Begriffs der „Heilbehandlung“ fallen sollte (zu den Zweifeln hierzu siehe oben I. 2. a.) bb.) – auch dem Berufsbild derjenigen Berufe zuzuordnen ist, welche der jeweilige Mitgliedstaat als ärztlich oder arztähnlich definiert hat.

Dieses Erfordernis ist hier nicht erfüllt, da der Kläger nach der Überzeugung des Senats die Tätigkeit eines Heilers ausgeübt hat, die nicht dem Berufsbild eines Heilpraktikers zugeordnet werden kann. Die Ausübung der Heilkunde nach § 1 Abs. 2 Heilpraktikerge-setz ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Heilpraktikergesetzes ist weiter, dass die betreffende Behandlung nach allgemeiner Auffassung ärztliche Fachkenntnisse erfordert und dass diese Behandlung gesundheitliche Schäden verursachen kann. Diese einschränkende Auslegung des Begriffs „Ausübung der Heilkunde“ wird vom Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 25. Juni 1970 – BVerwG 1 C 53.66 – BVerwGE 35, 308) im Hinblick auf die mit dem Erlaubniszwang verbundene Beschränkung der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG aus Gründen der Verhältnismäßigkeit für verfassungsrechtlich erforderlich gehalten. Nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 2. März 2004 (1 BvR 784/03, NJW-RR 2004, 705) ist die Tätigkeit eines Heilers von der Tätigkeit eines Heilpraktikers grundsätzlich zu differenzieren. Denn wer die Leistungen eines Heilers in Anspruch nehme, setzte sein Vertrauen gerade nicht in die Heilkunde, sondern wähle etwas von einer Heilhandlung Verschiedenes, wenngleich er sich auch auf diesem Wege eine Genesung erhoffe. Bei einem Heiler müsse lediglich gewährleistet sein, dass dieser die Kranken zu Beginn des Besuches darauf ausdrücklich hinweise, dass er eine ärztliche Behandlung nicht ersetze. Dieses Erfordernis eines Hinweises war jedoch nicht maßgeblich für die Annahme des Bundesverfassungsgerichts, dass ein Heiler keine heilpraktische Tätigkeit ausübt. Es stellte lediglich die Folge aus dieser Feststellung dar und verfolgte das Ziel, dass die Patienten vor Fehleinschätzungen der von ihnen in Anspruch genommenen Leistungen geschützt werden.

Der Kläger hat nach der Überzeugung des Gerichts keine in diesem Sinne heilpraktische Tätigkeit ausgeübt, da er nach dem unstreitigen Sachverhalt und den Schilderungen im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage keine auf die ärztliche Fachkunde gestützte Tätigkeit ausgeübt und auch bei den Patienten kein Vertrauen in eine medizinisch fundierte Diagnostik und eine sich an der Diagnose orientierende medizinisch gebotene Leistung erweckt hat. Er hat vielmehr erkennbar seine geerbte bzw. in ihrem Ursprung nicht bekannte Begabung der Heilfähigkeit eingesetzt, wobei es nach den Ausführungen des BVerfG unerheblich ist, dass auf diesem Weg eine Genesung intendiert war und von den Patienten auch erhofft wurde. Bestätigt wird diese Einschätzung des Senats auch durch die Schilderungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 21. November 2016, in welcher er auf Frage des Vorsitzenden darlegte, dass seine Dienste in Anspruch genommen würden, wenn die Medizin nicht weiterkomme und er die von ihm erzielten Erfolge auch nicht abschließend erklären könne. Dies zeigt, dass die Leistungen des Klägers gerade keine heilpraktische Tätigkeit im rechtliche Sinne, sondern lediglich eine heilende Tätigkeit war, die – auch, wenn sie mit Erfolg durchgeführt wurde – steuerlich nicht begünstigt ist.

3.)

Diesem Ergebnis steht auch nicht in Ansehung der vorangegangenen Betriebsprüfung der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen.

a.) Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung ist das Finanzamt an seine rechtliche Würdigung in früheren Besteuerungszeiträumen nicht gebunden. Eine als fehlerhaft erkannte Rechtsaufassung muss es zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf diese Auffassung vertraut haben sollte. Dies gilt selbst dann, wenn die fehlerhafte Auffassung in einem Prüfungsbericht niedergelegt oder vom Finanzamt über eine längere Zeitspanne vertreten worden ist und der Steuerpflichtige im Vertrauen hierauf disponiert haben sollte (BFH-Urteile vom 5. September 1990 X R 100/89, BFH/NV 1991, 217; vom 14. Januar 2010 IV R 86/06, BFH/NV 2010, 1096, jeweils m. w. N.).

Zu einer Bindung des Finanzamts an eine frühere fehlerhafte Rechtsauffassung kann es nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nur in besonders gelagerten Fällen kommen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsempfinden in einem so hohen Maße schutzwürdig ist, dass demgegenüber der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten muss. Dies setzt voraus, dass dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder das Finanzamt durch sein früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat (BFH-Urteile vom 29. April 2008 VIII R 75/05, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2008, 817; in BFH/NV 2010, 1096). Ein Vertrauenstatbestand, der das Finanzamt auch außerhalb einer Zusage zu einer bestimmten Behandlung eines Steuerfalles bindet, ist dann gegeben, wenn das Finanzamt sich mit seinem früheren Verhalten, auf das der Steuerpflichtige vertraut hat und vertrauen durfte, in Widerspruch setzt und der Steuerpflichtige aufgrund des früheren Verhaltens des Finanzamts Dispositionen getroffen hat. Dies setzt ein Verhalten des Finanzamts voraus, aus dem der Steuerpflichtige darauf schließen kann, dass eine bestimmte steuerliche Behandlung bis zu dem Zeitpunkt erfolgen wird, an dem ihm das Finanzamt eine andere Auffassung mitteilt (BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 25/85, BStBl II 198, 520).

Eine Äußerung des Prüfers in der Schlussbesprechung, die unzutreffende Beurteilung im Prüfungsbericht oder eine aufgrund einer Außenprüfung ergangene Steuerfestsetzung begründet keinen solchen Vertrauenstatbestand (BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 217). In gleicher Weise wird eine Bindungswirkung nicht bereits durch die steuerliche Behandlung eines bestimmten Sachverhalts im Rahmen früherer Steuerfestsetzungen ausgelöst (BFH-Urteil in BStBl II 1986, 520).b.) Nach diesen Grundsätzen ist der Beklagte nicht aufgrund einer abweichende steuerlichen Behandlung der Umsätze in den vorangegangenen Jahren gebunden. Auch begründet die Beurteilung der Tätigkeit des Klägers im Rahmen der vorangegangenen Betriebsprüfung keine Selbstbindung der Verwaltung, da im Rahmen dieser Prüfung zwar ein Teil als steuerfrei anerkannt, ein weiterer – über die bloße Anerkennung hinausgehender – besonderer Vertrauenstatbestand jedoch nicht geschaffen wurde.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

Gründe, die Revision zuzulassen, § 115 Abs. 2 FGO, sind nicht ersichtlich. Insbesondere weicht der Senat mit seinen Ausführungen unter I. 2.) b.) bb.) (1) nicht von der Entscheidung des BFH vom 7. Februar 2013 (V R 22/12, BStBl II 2014, 126) ab, wonach es für die Steuerbefreiung im Bereich der Podologie nicht nötig ist, dass der Steuerpflichtige die Erlaubnis nach dem PodG innehat. Denn wie der erkennende Senat dargelegt hat, unterscheiden sich die Regelungen im Bereich der Heilkunde von denen des PodG so maßgeblich, dass hier eine andere Sichtweise geboten ist.

Umsatzsteuer: Handauflegen keine Tätigkeit im Sinne des Heilpraktikergesetzes
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