Nachfolgend ein Beitrag vom 11.9.2017 von Brandt, jurisPR-SteuerR 37/2017 Anm. 3

Leitsätze

1. Wird ein Lebensversicherungsvertrag vor Ablauf der Versicherungslaufzeit durch Änderung von Laufzeit, Versicherungssumme, Versicherungsprämie und Prämienzahlungsdauer geändert, ohne dass eine solche Vertragsänderung von vornherein vertraglich vereinbart war oder einem Vertragspartner bereits im ursprünglichen Vertrag eine Option auf eine Änderung der Vertragsbestandteile eingeräumt worden ist, liegt hinsichtlich der Änderungen in ertragsteuerlicher Hinsicht ein neuer Vertrag vor (Anschluss an BFH, Urt. v. 06.07.2005 – VIII R 71/04 – BFHE 210, 326 = BStBl II 2006, 53 m.w.N.).
2. Erfolgt die Änderung des Vertrages vor Fälligkeit der vertragsgemäß geschuldeten Versicherungsleistung unter (neuer) Vereinbarung eines späteren einheitlichen Fälligkeitszeitpunkts für die dem Steuerpflichtigen als Versicherungsnehmer zustehenden Zinsen (auch hinsichtlich des Zeitraums vor Änderung des Vertrages), entsteht die Zahlungspflicht des Versicherungsunternehmens erst zu diesem Zeitpunkt; erst mit dem dann veranlassten tatsächlichen Eingang der Zahlungen fließen die Zinsen dem Steuerpflichtigen nach Maßgabe des § 11 EStG zu.

A. Problemstellung

Zu entscheiden war über die Frage, ob die aus den Sparanteilen einer Lebensversicherung erwirtschafteten Zinsen wegen Vertragsänderung vor Ablauf von zwölf Jahren der Einkommensteuer unterliegen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger hatte am 15.10.1981 – rückwirkend ab 01.07.1979 – mit einer Laufzeit bis zum 01.07.1993 eine sog. Bankdarlehen-Tilgungsversicherung bei einer Lebensversicherungsgesellschaft abgeschlossen und die erste Prämienzahlung – einschließlich einer sog. Reservenachzahlung für den Zeitraum 01.07.1979 bis 15.10.1981 – am 12.11.1981 sowie in der Folgezeit die jeweils fälligen Jahresprämien geleistet. Anlässlich einer in den Jahren 1986/1987 durchgeführten Außenprüfung wies der Prüfer den Kläger darauf hin, dass der Versicherungsvertrag eine Laufzeit von weniger als zwölf Jahren habe und daher die künftigen Erträge aus der Versicherung zu versteuern seien. Deshalb vereinbarte der Kläger mit der Lebensversicherungsgesellschaft im August 1989 eine Änderung des Versicherungsvertrages. Danach wurden die Laufzeit des Vertrages sowie der Beitragszahlungszeitraum beginnend mit dem 01.07.1989 bis zum 01.07.2001 verlängert und die Versicherungssumme erhöht. Im Juli 1990 wurde die Versicherung rückwirkend ab dem 01.07.1990 bis zum Vertragsablauf am 01.07.2001 beitragsfrei gestellt und die Versicherungssumme herabgesetzt, wie die Lebensversicherungsgesellschaft bereits bei Abschluss der Änderungsvereinbarung im August 1989 empfohlen hatte.
Nachdem die Vertragsänderungen dem früher für die Kläger zuständigen Finanzamt im Rahmen der Veranlagung für 1993 bekannt geworden waren und die früheren Steuerberater der Kläger auf Anfrage des Finanzamts die bis zum 01.07.1989 erwirtschafteten Zinsen mit 625.875 DM beziffert hatten, erfasste das Finanzamt diese Zinsen unter Hinweis auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zunächst in einem Einkommensteueränderungsbescheid. Mit der am 26.02.2003 eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger mit der Anlage KAP u.a. Zinsen und andere Erträge aus Lebensversicherungen i.H.v. 3.297.173 DM und fügten ihr eine Steuerbescheinigung der Lebensversicherungsgesellschaft vom 18.07.2001 über eine am 01.07.2001 vorgenommene Auszahlung i.H.v. 3.297.173 DM für den Zeitraum 01.07.1989 bis 01.07.2001 bei. Das Finanzamt veranlagte die Kläger gemäß dieser Erklärung.
Das während des Einspruchsverfahrens örtlich zuständig gewordene Finanzamt wies die Kläger auf die Möglichkeit einer Verböserung der Einkommensteuerfestsetzung nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO wegen der Steuerbarkeit der im Zeitraum bis zur Vertragsänderung (01.07.1989) erwirtschafteten Zinsen i.H.v. 625.875 DM hin. Das Finanzamt weis den Einspruch unter verbösernder Erfassung der erwirtschafteten und mit 625.875 DM bezifferten Zinsen bei den Einkünften der Kläger aus Kapitalvermögen als unbegründet zurück.
Die nach erfolglosem Klageverfahren eingelegte Revision der Kläger hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen und damit ebenso wie das Finanzgericht einen Zufluss der streitigen Zinserträge i.H.v. 625.875 DM im Streitjahr statt im Jahr der Vertragsänderungen (1989) bejaht. Ebenso hat er die Auffassung des Finanzgerichts bestätigt, dass die Zinserträge nicht die Voraussetzungen der Steuerfreiheit gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG erfüllen. Dabei hat er die Würdigung des Finanzgerichts, nach den im Streitfall vorliegenden tatsächlichen Feststellungen seien die Voraussetzungen für die Annahme eines steuerbaren Zuflusses der streitigen Zinsen erst im Streitjahr gegeben, gemäß § 118 Abs. 2 FGO als bindend angesehen, weil das Finanzgericht von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und weder gegen Denkgesetze noch allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. dazu BFH, Urt. v. 12.04.2016 – VIII R 60/14 – BFH/NV 2016, 1455). Der BFH führte im Einzelnen aus:
I. Dass die streitigen Zinserträge zu versteuern sind, beruht darauf, dass die 1989 – vor Ablauf der Mindestlaufzeit – vereinbarten wesentlichen Änderungen des Versicherungsvertrages vom 15.10.1981 steuerlich zu einem neuen Vertrag zwischen den Vertragsbeteiligten geführt haben und deshalb sowohl für den Alt- wie für den Neuvertrag die Mindestlaufzeit von zwölf Jahren nicht gewahrt wurde. Denn nach ständiger Rechtsprechung liegt eine wesentliche Änderung vor, wenn sich wie im Streitfall die wesentlichen Merkmale wie Laufzeit, Versicherungssumme, Versicherungsprämie und Prämienzahlungsdauer des Vertrages ändern (zu diesen Kriterien vgl. BFH, Urt. v. 09.05.1974 – VI R 137/72 – BStBl II 1974, 633; BFH, Urt. v. 06.07.2005 – VIII R 71/04 – BStBl II 2006, 53 m.w.N.; BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 827). Folge der im Streitfall gegebenen wesentlichen Änderungen ist, dass in steuerlicher Hinsicht ab dem Änderungszeitpunkt hinsichtlich der vorgenommenen Änderungen ein neuer Vertrag mit einer neu laufenden Zwölf-Jahres-Frist i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG anzunehmen ist.
1. Die Würdigung, ab 1989 lägen neue Versicherungsverträge vor, erfordert nach Auffassung des BFH entgegen der Auffassung der Kläger nicht die Annahme, dass im Zeitpunkt der Vertragsänderung (1989) die bis dahin erwirtschafteten Zinsen zugeflossen seien. Denn die Wertung der Vertragsänderungen als Neuvertrag macht den bisherigen (Alt-)Vertrag nicht obsolet, weil nach dem BFH-Urteil vom 06.07.2005 (VIII R 71/04 – BStBl II 2006, 53) nur „die über die Ursprungsverträge hinausgehenden Vertragsmodifikationen steuerlich als neue Verträge zu werten sind“ und der BFH damit ersichtlich wie die Finanzverwaltung bei nachträglich vereinbarten Vertragsänderungen grundsätzlich vom Fortbestand des alten Vertrages und nur hinsichtlich der Änderungen von einem neuen Vertrag ausgeht (BMF-Schreiben in BStBl I 2002, 827, Rn. 39 f.; vgl. dazu BFH, Urt. v. 06.07.2005 – VIII R 71/04 – BStBl II 2006, 53, unter II.1.a). Der alte Vertrag wird mithin lediglich hinsichtlich seiner Laufzeit bis zum Zeitpunkt dieser Änderungen begrenzt, ist aber im Übrigen hinsichtlich seiner Merkmale und der vertraglichen Ansprüche nach den Verhältnissen in diesem Zeitpunkt (insbesondere hinsichtlich der für die Steuerfreiheit nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG zu wahrenden – hier aber im maßgeblichen Zeitpunkt der Änderung nicht gewahrten – Mindestlaufzeit und der in jenem Zeitpunkt erwirtschaften Zinsen) zu beurteilen.
2. Danach ist die für eine Steuerfreiheit erforderliche Mindestlaufzeit von zwölf Jahren (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG) mit Blick auf das ursprünglich vereinbarte Laufzeitende 01.07.1993 nicht gewahrt. Denn für die Bemessung der Mindestlaufzeit kommt es allein auf die Zeitspanne zwischen Abschluss des Vertrages (hier: 15.10.1981) und dem vereinbarten Endzeitpunkt (hier: 01.07.1993) an. Auf die vereinbarte Rückdatierung des Vertrages in das Jahr 1979 können sich die Kläger wegen der Maßgeblichkeit des Abschlussdatums des Vertrages für die Mindestlaufzeit (BFH, Urt. v. 12.10.2005 – VIII R 87/03 – BStBl II 2006, 251) nicht berufen. Gleichermaßen wahrt der mit den Änderungen im August 1989 vereinbarte Neuvertrag nicht die Zwölf-Jahres-Frist nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG. Insoweit fehlt schon die erforderliche zwölfjährige Beitragspflicht mangels laufender Beitragszahlungen, weil die Versicherung am 05.07.1990 (rückwirkend ab dem 01.07.1990) bis zum Vertragsablauf am 01.07.2001 beitragsfrei gestellt und die Versicherungssumme herabgesetzt wurde (vgl. dazu BFH, Urt. v. 12.10.2011 – VIII R 7/09 – BFH/NV 2012, 564; BFH, Urt. v. 26.11.2014 – VIII R 31/10 – BStBl II 2016, 653; BFH, Urt. v. 06.07.2005 – VIII R 71/04 – BStBl II 2006, 53).
II. Mit dem Finanzgericht geht der BFH auch von einem Zufluss der streitigen Zinserträge erst mit Ablauf des neu vereinbarten und gleichermaßen für die Alt- wie die Neuvereinbarung geltenden Fälligkeitstermins aus, weil es für einen Zufluss im Zeitpunkt der 1989 vereinbarten Vertragsänderung schon an einer in diesem Zeitpunkt bestehenden Zahlungspflicht des Gläubigers fehlte (BFH, Urt. v. 30.11.2010 – VIII R 40/08 Rn. 25 – BFH/NV 2011, 592). Denn die Vertragsänderung erfolgte noch vor Fälligkeit der Zinszahlungen nach Maßgabe des Altvertrages und bezweckte lediglich, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG zu erreichen, ohne eine vorzeitige wirtschaftliche Verfügungsmacht des Klägers über die Zinserträge herzustellen. Vielmehr sollte die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Zinserträge zur Einhaltung der Mindestlaufzeit gerade länger als ursprünglich vereinbart hinausgeschoben werden.

C. Kontext der Entscheidung

I. Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, unterliegen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 36 EStG der Steuerpflicht. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies nicht für Zinsen aus Versicherungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrages nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Zu den Versicherungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG gehören u.a. Kapitalversicherungen gegen laufende Beitragsleistung mit Sparanteil, wenn der Vertrag für die Dauer von mindestens zwölf Jahren abgeschlossen worden ist. Die Beiträge zu den Versicherungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG konnten mit den in Abs. 2 derselben Vorschrift aufgeführten Einschränkungen als Sonderausgaben abgezogen werden.
II. Werden Versicherungsverträge wie im Streitfall vor Ablauf der Zwölf-Jahres-Frist geändert, so ist die Frage, ob sie nach Inhalt und wirtschaftlichem Gehalt unverändert geblieben sind oder ob aufgrund der Änderungen Neuverträge – mit der Folge einer neu anlaufenden Mindestlaufzeit – vorliegen, im Wesentlichen nach den den Vertrag prägenden Merkmalen wie Laufzeit, Versicherungssumme, Versicherungsprämie und Prämienzahlungsdauer zu beurteilen (st. Rspr., BFH, Urt. v. 09.05.1974 – VI R 137/72 – BStBl II 1974, 633; BFH, Urt. v. 06.07.2005 – VIII R 71/04 – BStBl II 2006, 53; Harenberg in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 20 EStG Rn. 756; Blümich/Stuhrmann, § 20 EStG Rn. 288; Schlotter in: Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 20 Rn. 585; Kreußler, VW 1996, 1506; Weinmann, ZfV 1997, 531; Schoor, VW 1996, 1654; kritisch Horlemann, FR 2000, 749; BMF-Schreiben v. 19.04.1999 – IV C 4-S 2221-132/99 – DB 1999, 1298; BMF-Schreiben v. 22.08.2002 – IV C 4-S 2221-211/02, BStBl I 2002, 827).
Nach dieser nunmehr durch den BFH konkretisierten Rechtsprechung liegt ein neuer Vertrag – mit der Folge einer ab dem Änderungszeitpunkt neu laufenden Zwölf-Jahres-Frist i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG – vor, wenn der zuvor abgeschlossene Versicherungsvertrag u.a. hinsichtlich der Merkmale Laufzeit, Versicherungssumme, Versicherungsprämie und Prämienzahlungsdauer nachträglich geändert wird, ohne dass eine solche Vertragsänderung von vornherein vertraglich vereinbart war, oder dass einem Vertragspartner bereits im ursprünglichen Vertrag eine Option auf eine Änderung der Vertragsbestandteile eingeräumt worden ist (BFH, Urt. v. 06.07.2005 – VIII R 71/04 – BStBl II 2006, 53, unter II.1.b).
III. Der im Streitfall ebenfalls kontrovers beurteilte Zeitpunkt des Zuflusses der nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG steuerbaren Zinsen richtet sich nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind Einnahmen zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige wirtschaftlich über sie verfügen kann. Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Auch die Hingabe eines (gedeckten) Schecks führt zum Zufluss des entsprechenden Geldbetrags (vgl. BFH, Urt. v. 22.07.1997 – VIII R 13/96 – BStBl II 1997, 767).
2. Hat der Steuerpflichtige – anders als im Streitfall bei Abschluss der Vertragsänderungen im Jahre 1989 – einen fälligen (zu dieser unverzichtbaren Voraussetzung vgl. BFH, Urt. v. 14.02.1984 – VIII R 221/80 – BStBl II 1984, 480; BFH, Urt. v. 30.11.2010 – VIII R 40/08 – BFH/NV 2011, 592) Anspruch auf Leistungen des Verpflichteten, so kann statt einer tatsächlichen Auszahlung oder Überweisung eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten den Zufluss bewirken, wenn zum Ausdruck gebracht wird, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht (st. Rspr. seit BFH, Urt. v. 09.04.1968 – IV 267/64 – BStBl II 1968, 525) und der Gläubiger den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeiführen kann (vgl. z.B. BFH, Urt. v. 14.02.1984 – VIII R 221/80 – BStBl II 1984, 480; BFH, Urt. v. 22.07.1997 – VIII R 57/95 – BStBl II 1997, 755).
Entsprechendes gilt für den Zufluss aufgrund von ebenfalls – anders als im Streitfall – fälligen Ansprüchen (zur notwendigen Fälligkeit BFH, Urt. v. 30.11.2010 – VIII R 40/08 Rn. 25 – BFH/NV 2011, 592), wenn Schuldner und Gläubiger vereinbaren, dass der (fällige) Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll. In einer solchen Schuldumwandlung (Novation) kann eine Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung liegen. Sie ist einkommensteuerrechtlich so zu werten, als ob der Schuldner die Altschuld durch Zahlung beglichen und der Gläubiger den vereinnahmten Betrag in Erfüllung des neu geschaffenen Verpflichtungsgrundes dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung gestellt hätte, so dass die Novation als bloße Verkürzung des Leistungswegs anzusehen ist (vgl. BFH, Urt. v. 28.10.2008 – VIII R 36/04 – BStBl II 2009, 190; BFH, Urt. v. 30.11.2010 – VIII R 40/08 – BFH/NV 2011, 592). Weitere Voraussetzung ist, dass sie sich als Folge der Ausübung wirtschaftlicher Verfügungsmacht des Gläubigers über den Gegenstand der Altforderung darstellt, also auf seinem freien Entschluss beruht (vgl. BFH, Urt. v. 17.07.1984 – VIII R 69/84 – BStBl II 1986, 48; BFH, Urt. v. 22.07.1997 – VIII R 57/95 – BStBl II 1997, 755). Ein nicht geltend gemachter (bestehender) Anspruch kann deshalb mangels Ausübung für sich genommen noch nicht zu einem Zufluss führen (BFH, Urt. v. 20.10.2015 – VIII R 40/13 – BStBl II 2016, 342). Dementsprechend ist nach der Rechtsprechung der Verzicht auf Teilzahlungsansprüche aus einer Lebensversicherung nicht als Schuldumschaffung, sondern allenfalls als Stundung anzusehen (BFH, Urt. v. 16.09.2014 – VIII R 15/13 – BStBl II 2015, 468). Gleichermaßen verneint auch das Schrifttum bei „verschobener Auszahlung“ vor Fälligkeit durch Änderung eines Versicherungsvertrages einen Zufluss, weil der Sachverhalt grundsätzlich – vorbehaltlich eines besonderen eigenen Interesses an einer späteren und deshalb höheren Auszahlung – nicht anders zu werten sei als derjenige, in dem eine Auszahlung von vornherein (schon bei Begründung des Versicherungsvertrages) erst später vorgesehen ist (so Dötsch, jurisPR-SteuerR 16/2015 Anm. 2).
IV. Eine zum Zufluss führende Novation kann auch vorliegen, wenn der Steuerpflichtige die Wahl zwischen Auszahlung und Wiederanlage bereits vor der Entstehung und Fälligkeit der Kapitalerträge getroffen hat. Eine entsprechende Vereinbarung wirkt als Vorausverfügung auf die Zeitpunkte der späteren Wiederanlage fort (vgl. BFH, Urt. v. 09.04.1968 – IV 267/64 – BStBl II 1968, 525; BFH, Urt. v. 24.03.1993 – X R 55/91 – BStBl II 1993, 499; BFH, Urt. v. 30.11.2010 – VIII R 40/08 – BFH/NV 2011, 592). Sie stellt lediglich eine – an der Zurechnung der Einkünfte nichts ändernde – Einkunftsverwendung dar (BFH, Urt. v. 15.10.1981 – IV R 77/76 – BStBl II 1982, 340). Ob eine solche Vorausverfügung vorliegt, ist grundsätzlich anhand der für die Annahme einer Novation geltenden Maßstäbe zu prüfen, wobei die Interessenlage der Vertragspartner als Indiz weniger Gewicht hat, wenn die Modalitäten einer Auszahlung bzw. Verrechnung im Vorhinein vereinbart werden (vgl. BFH, Urt. v. 24.03.1993 – X R 55/91 – BStBl II 1993, 499). Diese Prüfung ist ebenso wie die Frage, ob der Steuerpflichtige im Einzelfall tatsächlich die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt und ausgeübt hat und ob eine Schuldumschaffung im alleinigen oder überwiegenden Interesse des Gläubigers lag, allein Gegenstand der Tatsachenfeststellung und -würdigung. Sie obliegt dem Finanzgericht (vgl. BFH, Beschl. v. 29.06.2000 – XI B 10/00 – BFH/NV 2000, 1469: keine Fiktion des Zuflusses; BFH, Urt. v. 30.11.2010 – VIII R 40/08 – BFH/NV 2011, 592) und muss alle Umstände des Einzelfalles im maßgeblichen Zeitpunkt des mutmaßlichen Zuflusses berücksichtigen (vgl. BFH, Urt. v. 16.03.2010 – VIII R 4/07 – BStBl II 2014, 147; Anm. Steinhauff, jurisPR-SteuerR 36/2010 Anm. 2).

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung schreibt die bisherige Rechtsprechung zur Beurteilung der Änderung von Lebensversicherungsverträgen als Neuverträge (vgl. BFH, Urt. v. 09.05.1974 – VI R 137/72 – BStBl II 1974, 633; BFH, Urt. v. 06.07.2005 – VIII R 71/04 – BStBl II 2006, 53) fort und schafft somit Rechtssicherheit insbesondere für Fälle, in denen Verträge vor Fälligkeit der vertragsgemäß geschuldeten Versicherungsleistung unter neuer Vereinbarung eines späteren Fälligkeitszeitpunkts geändert werden und damit die dem Steuerpflichtigen als Versicherungsnehmer zustehenden Zinsen auch hinsichtlich des Zeitraums vor Änderung des Vertrags erst zu dem neu vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt zufließen.