FG München, Urteil vom 16. September 2010 – 14 K 3640/09 –, juris

Orientierungssatz

Kann der Steuerpflichtige nicht anhand objektiver Anhaltspunkte nachweisen, dass er die Absicht verfolgt bzw. verfolgt hat, eine zu besteuerten Umsätzen führende Tätigkeit als Rennsportler aufzunehmen, stehen die bezogenen Eingangsleistungen nicht in in einem objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer unternehmerischen Tätigkeit.

Tatbestand

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I. Streitig ist, ob der Kläger im Hinblick auf Werbemaßnahmen und seine Teilnahme an Autorennen Unternehmer war und ihm der Vorsteuerabzug zusteht.
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Der am 17. März 1990 geborene Kläger meldete zum 4. März 2007 ein Gewerbe „Autosportunternehmen, Werbung, Sponsoring“ an. Am 28. Juni 2007 schloss er mit der Firma P KG einen Sponsoringvertrag ab. Darin wurde vereinbart, dass der Kläger das Logo der Firma P am Kotflügel, Haube, Rennoverall und Helm platziert, die Firma P KG verpflichtete sich zur Zahlung einer jährlichen Unterstützung von 2.000 € („Förderbetrag“).
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In seinen für die Jahre 2007 und 2008 abgegebenen Umsatzsteuererklärungen machte der Kläger Vorsteuern in Höhe von 8.326,75 € (2007) bzw. 4.079,41 €  (2008) unter anderem aus der Anschaffung eines Fahrzeugs, eines Rennhelms, aus Reparaturkosten an seinem Fahrzeug sowie der Teilnahme am A  Cup 2007 geltend. Umsätze wurden nicht erklärt.
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Nach einer Umsatzsteuerprüfung kam das Finanzamt (FA) zu dem Ergebnis, dass die Ausübung von Motorsport der Privatsphäre des Klägers zuzuordnen sei. Für das Jahr 2008 habe der Kläger keine Sponsoren finden können und auch nicht an Autorennen teilgenommen. Außerdem sei das im März 2008 angeschaffte Fahrzeug nicht ausschließlich für den Rennsport geeignet, sondern auch für den normalen Straßenverkehr zugelassen. Ein Vorsteuerabzug komme deshalb nicht in Betracht. Mit Bescheid jeweils vom 7. April 2009 wurde die Umsatzsteuer 2007 und 2008 auf 0 € festgesetzt.
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Das dagegen gerichtete Einspruchsverfahren hatte keinen Erfolg. Mit Entscheidung vom 5. Oktober 2009 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
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Mit der hiergegen eingelegten Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass ihm das FA den Vorsteuerabzug zu Unrecht versage. Das im Jahr 2008 angeschaffte Fahrzeug diene sowohl Trainingszwecken als auch den Fahrten zur Rennstrecke. Er habe seine Karriere im Alter von 9 Jahren im Kartsport begonnen und sei nach drei Jahren Bayerischer Meister in dieser Disziplin geworden. Nach seinem Wechsel in den Automobilsport habe er Rennführerscheine der Klasse C sowie Qualifikationen Monoposto-Rennwagen und für die P-Rennversion erhalten. Die Teilnahme am Rennsport wurde bisher durch verschiedene Sponsoren ermöglicht, unter anderem durch seinen Großvater. Von der Firma V werde ihm die kostenlose Nutzung eines Fitnessstudios ermöglicht. Derzeit würden weitere Sponsoren für die Finanzierung des Einstiegs in die nächste Klasse des Rennsports gesucht. Auch wenn er im Jahr 2008 an keinem Rennen teilgenommen habe, bedeute dies nicht die Aufgabe seiner Karriere. Aufgrund seiner bisherigen Erfolge sei er bei M zu Trainingsrennen und von einem Sponsor zu Autorennen in Österreich eingeladen worden. Am Anfang einer Profikarriere seien noch keine Gewinne zu erwarten, dies sei erst nach durchschnittlich fünf Jahren Teilnahme am Profi-Rennsport der Fall.
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Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide für 2007 und 2008 jeweils vom 7. April 2009 und der Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 2009 die Umsatzsteuer für 2007 auf einen Negativbetrag von 6.326,75 € und die Umsatzsteuer für 2008 auf einen Negativbetrag von 4.079,41 € festzusetzen.
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Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Klage hat keinen Erfolg, das FA hat dem Kläger zu Recht den Abzug der Vorsteuern versagt.
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Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer als Vorsteuerbeträge u.a. die in Rechnungen im Sinne von § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen abziehen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
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Gemäß § 2 Abs. 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt. Bei richtlinienkonformer Anwendung muss dabei eine wirtschaftliche Tätigkeit (Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG) ausgeübt werden. Eine solche liegt nach der Rechtsprechung des Gerichtshof der Europäischen Union -EuGH- (Urteil vom 26. September 1996 Rs. C-230/94, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 1996, 418, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht -UVR- 1996, 338) vor, wenn sie zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen vorgenommen wird. Dabei sind alle Gegebenheiten zu berücksichtigen, die für den Einzelfall charakteristisch sind.
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Dem entspricht es, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Einzelfall aufgrund des Gesamtbildes der Verhältnisse zu beurteilen ist, ob die Voraussetzungen einer nachhaltigen Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG erfüllt sind (vgl. BFH-Urteil vom 11. April 2008 V R 10/07, BStBl II 2009, 741 mit weiteren Nachweisen). Dabei ist eine Reihe verschiedener, nicht abschließend festgelegter Kriterien zu würdigen, die in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Nachhaltigkeit der Einnahmeerzielung sprechen können. Unter anderem ist dabei die Dauer und die Intensität des Tätigwerdens, die Beteiligung am Markt, die Zahl der ausgeführten Umsätze sowie ein planmäßiges Tätigwerden zu berücksichtigen.
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Ein der Umsatzsteuer unterliegender Umsatz setzt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG voraus, dass eine Leistung gegen Entgelt erbracht wird, die auf einem bestehenden Rechtsverhältnis zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger beruht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Leistung bildet (vgl. BFH-Urteil vom 27. November 2008 V R 8/07, BStBl II 2009, 397).
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Im hier zu entscheidenden Fall stehen die vom Kläger bezogenen Eingangsleistungen nicht in einem objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit einer unternehmerischen Tätigkeit. Der Kläger konnte nicht anhand objektiver Anhaltspunkte nachweisen, dass er die Absicht verfolgt bzw. verfolgt hat, eine zu besteuerten Umsätzen führende Tätigkeit als Rennsportler aufzunehmen. In den Streitjahren hat er keine Umsätze getätigt und keine wirtschaftliche Tätigkeit erbracht. Soweit er tatsächlich Gelder von der Firma P KG und seinem Großvater erhalten haben sollte, beruhen diese Zahlungen nicht auf einem umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch, vielmehr handelt es sich insoweit jeweils um unentgeltliche Zuwendungen. Da diese unabhängig von der Teilnahme an einer bestimmten Anzahl von Autorennen als freiwillige Unterstützung gewährt wurden, liegt gerade keine Vergütung für eine erbrachte Leistung vor. Es gibt außerdem auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger tatsächlich Preisgelder in Höhe von 600 bis 700 € erhalten hat. Die Behauptung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, die Preisgelder seien ihm nicht gezahlt, sondern mit dem Startgeld für 2008 verrechnet worden, hält der Senat für unglaubhaft. Denn wie der Kläger selbst eingeräumt hat, ist er im Jahr 2008 im A – Cup nicht gestartet, so dass ein Einbehalten von Preisgeldern keinen Sinn macht, wenn ein Veranstalter nicht sicher davon ausgehen kann, dass ein Start im nächsten Jahr tatsächlich erfolgt. Im Übrigen würde allein der Umstand, dass Preisgelder in dieser geringen Höhe gezahlt wurden, den Kläger auch nicht zum Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 des UStG machen. Davon ist offenbar auch der Kläger ausgegangen, wie der Umstand zeigt, dass er die (angeblichen) Zuwendungen in seinen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre nicht als Umsätze erfasst hat.
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Die fehlende Absicht des Klägers an der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zeigt sich auch an dem Umstand, dass er nur einmalig im Jahr 2008 am A-Cup teilgenommen und keine weiteren Rennen absolviert hat. Selbst wenn man den Vortrag für zutreffend erachtet, er habe Trainingsfahrten durchgeführt, wofür nach Aktenlage nichts spricht, weil der Kläger keine Belege für diese Trainingsfahrten hat vorlegen können, lässt sich aus dem Durchführen von Trainingsfahrten auch noch keine unternehmerische Betätigung oder die Absicht zu einer solchen Tätigkeit ableiten. Nach der Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und des gegebenen Akteninhalts steht zur Überzeugung des Senats vielmehr eindeutig fest, dass der Kläger auch eine Teilnahme an weiteren Rennen nicht ernsthaft erwägt. Vielmehr setzt er – wie er in der in der mündlichen Verhandlung auch vorgetragen hat – seine Schulausbildung fort und beabsichtigt nach dem Abitur das Studium der Motorsporttechnik.
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Schließlich kann sich der Kläger auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) berufen, nach der die Nebenberuflichkeit einer Betätigung es nicht ausschließt, dass eine nachhaltige Betätigung in Einnahmeerzielungsabsicht ausgeübt wird (vgl. BFH-Urteil vom 4. September 2008 V R 10/06, BFH/NV 2009, 230). Denn in dem vom BFH entschiedenen Fall war die Unternehmereigenschaft unstreitig gegeben, da die Renntätigkeit mit der Erzielung von Werbeentgelten verbunden war. Im Streitfall liegen jedoch die Voraussetzungen für eine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit des Klägers nicht vor, da er eine dahin gerichtete Absicht nicht anhand objektiver Anhaltspunkte nachweisen konnte.